E_1929_Zeitung_Nr.075
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N»!5<br />
II. Blatt<br />
BERN, 30. August <strong>1929</strong><br />
II. Blatt<br />
BERN, 30. August <strong>1929</strong><br />
Seit kaum einem Vierteljahrhundert sieht<br />
sich der Mensch in die Möglichkeit versetzt,<br />
seine natürliche Fortbewegungs-Geschwindigkeit<br />
auf dem Erdboden um ein Mehrfaches<br />
der Zahl 10 zu steigern. Nachdem sein Reaktions-<br />
und Denkvermögen jahrhundertelang<br />
nur auf Geschwindigkeiten von Dezimetern<br />
pro Sekunde eingestellt war, soll es nun plötzlich<br />
den Anforderungen genügen, die Geschwindigkeiten<br />
von mehreren Dekametern<br />
pro Sekunde stellen. Dass es darin trotz aller<br />
seiner natürlichen Anpassungsfähigkeit noch<br />
vielfach versagt, lehren die verhältnismässig<br />
grossen Autounfallszahlen. Nichts anderes<br />
wäre zu erwarten, wenn man einer Motte von<br />
heute auf morgen das Flugvermögen einer<br />
Schwalbe verliehe. Hindernisse, die von der<br />
naturgeborenen Schwalbe in rasendem Flug<br />
spielend und mit absoluter Sicherheit umflogen<br />
werden, würden für die beschleunigte<br />
Motte zur schwersten Gefahr.<br />
Die einzige Möglichkeit, um uns heutige<br />
Automobilisten vor den Gefahren einigermas-<br />
Aus der Fahrpraxis<br />
Gefahrenquellen auf der Strasse<br />
Äbb. 1. A will B vor der Kreuzung überholen. Er<br />
kann deshalb G nicht erkennen und stösst mit ihm<br />
zusammen.<br />
sen zu schützen, besteht darin, dass wir die<br />
Gefahren von vornherein auswendig lernen<br />
und in unserem Hirn rubrizieren und klassieren.<br />
Wir bilden uns Fahrregeln und konstruieren<br />
Fahrvorschriften. Wir destillieren aus<br />
einzelnen Vorfällen, die uns unterwegs begegnen,<br />
die Essenz heraus und versorgen sie<br />
ebenfalls im Gehirn. Alle diese erkannten Gefahren<br />
und als gut befundenen Regeln sollen<br />
sich dann im Notfall blitzschnell zu Ratschlägen<br />
und Befehlen an die Muskulatur umwandeln.<br />
So arbeiten wir unbewusst an der<br />
Beschleunigung unserer natürlichen Reaktionsfähigkeit.<br />
Abb. 2. A will B in der Kurve überholen und stosst<br />
mit G zusammen.<br />
Der Grad der Entwicklung des schnellverkehrstechnischen<br />
Denkvermögens und der<br />
Gütegrad des Reagierens auf bewusste und<br />
unbewusste Verkehrsgefahren unterscheiden<br />
den guten vom schlechten Automobilisten,<br />
den routinierten Fahrer vom Anfänger.<br />
Man muss sich von Anfang an und in jedem<br />
Moment darüber bewusst sein, dass das Automobilfahren<br />
Risiken bietet. Im Zeitraum von<br />
höchstens 10 Jahren hat jeder Fahrer einmal<br />
einen grösseren oder kleineren Unfall. Und<br />
er wird von vielen Fällen zu erzählen wissen,<br />
bei denen es « ums Haar » ging.<br />
Gefahrmoment und Geschwindigkeit.<br />
Die weitaus schwersten Unfälle entstehen,<br />
wie man es nicht anders erwartet, -bei hohen<br />
Geschwindigkeiten. Oft sind es schlüpfrige,<br />
nasse oder vereiste Strassen, die den Fahrer<br />
ganz überraschend der Gewalt über den Wagen<br />
berauben, oder es treten unvorhergesehene<br />
Hindernisse auf, vor denen.der Wagen<br />
nicht mehr gestoppt werden kann. Der Autler<br />
befindet sich dann in der atembeklemmenden<br />
Lage eines Fliegers, der mit ..Motordefe^t<br />
notlanden muss und von vornherein weiss,<br />
dass auf dem betreffenden Gelände ein<br />
Bruch nicht zu vermeiden ist. Trifft das Automobil<br />
z. B. mit 70 km Geschwindigkeit auf<br />
ein Hindernis, so ist die Wucht des Anpralls<br />
gleich gross, wie wenn es aus rund 20 m<br />
lenker oder Fussgänger mag, wenn man sich 1<br />
noch hundert Meter hinter ihm befindet, noch;<br />
so schön die rechte Strassenseite einhalten:!<br />
Eine Sekunde später schwenkt er vielleicht<br />
Höhe senkrecht abgestürzt wäre.<br />
auf die linke Strassenseite hinüber. Wird aber<br />
Hohe Geschwindigkeiten sollten nur auf schon ein Signal gegeben, dann überzeuge<br />
Strassen zur Anwendung kommen, deren Verlauf<br />
man genau kennt und bei denen even-<br />
bevor man vorfährt.<br />
man sich auch, dass es gehört worden ist,<br />
tuelle Querwege vollkommen übersichtlich<br />
sind. Ist die Aussicht nach den Seiten durch<br />
Bäume, Hecken oder Böschungen behindert,<br />
so kann man sicher damit rechnen, dass einmal<br />
knapp vor dem Wagen ein Pferdegespann,<br />
ein Radfahrer oder ein anderer Automobilist<br />
aus einem Seitenweg auftaucht. Alles<br />
Bremsen nützt dann oft nichts mehr. Bei<br />
einem Tempo von 70 km beträgt der mindestnotwendige<br />
Bremsweg ca. 35 m, wenn<br />
man die 10 m, die der Wagen während der<br />
Reaktionszeit des Fahrers zurücklegt, in Anrechnung<br />
bringt.<br />
Abb. 3. Ein Zusammenstoss als Folge des unvorsichtigen<br />
linksseitigen Ueberholens von" Tramwagen.<br />
fahren. Man nimmt dabei an, dass der Pferdelenker<br />
das Signal noch zur rechten Zeit<br />
hören und dann ausweichen werde. Ist das<br />
aber nicht der Fall, dann erweist sich nur zu<br />
oft der noch zur Verfügung stehende Bremsweg<br />
als zu kurz. Um trotzdem durchzukommen,<br />
muss.man irgend ein gewagtes Manöver<br />
anwenden, 1 das, wenn man es sich zur Gewohnheit<br />
werden lässt, bestimmt früher oder<br />
später zur Katastrophe führt.<br />
Ess'heisst den Leichtsinn auf die Spitze<br />
treiben, wenn man überhaupt ohne jedes vorherige<br />
Signalgeben vorfahren zu können<br />
glaubt. Der zu überholende Radfahrer, Rosse«<br />
Abb. 4. Geschwindigkeit der Tramwargen falsch ein-s<br />
geschätzt, Automobil zwischen ihnen eingeklemmt«<br />
Eine grosse Anzahl Unfälle entstehen jähr-*<br />
lieh immer wieder durch unvorsichtiges gegenseitiges<br />
Vorfahren von Automobilen. Die<br />
Die Gerade verleitet sehr leicht zum un-grösstvorsichtigekommende Verkehr. Da eine genaue Ab-<br />
Gefahr bedeutet dabei der entgegenschätzung<br />
der Zeit, die ein entgegenkommendes<br />
Fahrzeug bis zum Moment der Kreuzung<br />
Ueberholen anderer Fahrzeuge.<br />
Taucht z. B. vor einem ein in der gleichen benötigt; unmöglich ist, mache man sich zup<br />
Richtung fahrendes Pferdefuhrwerk auf, so Regel, nie vorzufahren, wenn die Strasse hinter<br />
dem zu überholenden Fahrzeug nicht voll-<br />
gerät man nur allzu leicht in die Versuchung,<br />
ohne Tempoverminderung an ihm vorbeizu- ständig frei ist. Unbedingt zu vermeiden ist<br />
ein Ueberholen vor Strassenkurven oder<br />
Kreuzungen, oder gar in der Kurve selbst. In<br />
den Skizzen 1 und 2 sind die Folgen, die sonst<br />
daraus entstehen können, dargestellt.<br />
Auto und Strassenbafan.<br />
Die Skizzen 3 und 4 zeigen Gefahren, denen<br />
man beim linksseitigen Ueberholen von:<br />
in der Mitte der Fahrbahn laufenden Strassenbahnzügen<br />
ausgesetzt ist. Sehr leicht kann<br />
ein Zusammenstoss mit einem aus der andern<br />
Richtung kommenden Fahrzeug stattfinden,<br />
oder das überholende Fahrzeug wird zwiw<br />
sehen zwei kreuzenden Strassenbahnzügen<br />
eingekeilt und zerquetscht. Die Gefahr ist<br />
hier deshalb mindestens ebenso gross wie auf<br />
der Landstrasse, weil die Strassehbahnzüge<br />
ja an ihre Schienen gebunden sind und nicht<br />
-ausweichen können. In richtiger Erkenntnis"<br />
dieser Tatsache haben die meisten grösseren<br />
Städte ein linksseitiges Ueberholen der Strassenbahn<br />
verboten. Das verpflichtet aber dert<br />
Off. General Motors Service Station<br />
in Bern<br />
für<br />
Ghewolet, Pontiac, Oldsmobile, Oakland<br />
Buick, La Salle, Cadillac<br />
GARAGE EFFINGERSTRASSE<br />
Effingerstr. 20 Tel. Bollw. 70.11 - 70.12 - 70.13<br />
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A.<br />
G.