E_1929_Zeitung_Nr.075
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•Ausgabe: Deutsche Schweiz.<br />
BERN, Freitag, 30. August <strong>1929</strong><br />
Gelbe Liste<br />
Nummer 20 Cts.<br />
25. Jährgang. - N° 75<br />
ERSTE SCHWEIZERISCHE AUTOMOBIL-ZEITUNG<br />
Zentralblatt für die schweizerischen Automobil- und Verkehrsinteressen<br />
ABONNEMENTS-PREISE: Erscheint Jeden Dienstag und Freitag Monatlich „Gelbe Liste"<br />
Halbjährlich Fr. 5.-, jährlich Fr. 10 Im Ausland unter Portozuschlag,<br />
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Internationaler Fahrausweis.<br />
Im Autotourismus herrscht Hochsaison. ]<br />
Nummernschilder aus allen Herren Ländern<br />
beleben unsere Strassen und Fremdenzentren.<br />
Mit dem Autorad rollt das Geld. Arbeit und<br />
Verdienst allenthalben. Die Statistik Ende<br />
des Jahres wird den Beweis erbringen, dass<br />
der ausländische Touristenstrom in unser<br />
Land in stetigem Anwachsen begriffen und<br />
dass das Automobil heute zum ersten Förderer<br />
unserer Fremdenindustrie geworden ist.<br />
Einzelne Verkehrsgebiete — wir erinnern nur<br />
an das Engadin — haben die Sachlage begriffen<br />
und haben mit viel Geld ihr Strassenr<br />
wesen den neuzeitigen Forderungen angejpasst.<br />
Im Ausbau und in der Verbesserung<br />
unseres schweizerischen Strassennetzes ist<br />
es denn auch an den meisten Orten um ein<br />
gut Stück vorwärts gegangen.<br />
Leider aber droht immer noch ein unverständliches<br />
und unwürdiges Bussenwesen,<br />
den Erfolg aller Anstrengungen in Frage zu<br />
stellen. Es sind uns in letzter Zeit Meldungen<br />
zugekommen, die den deutlichen Beweis erbringen,<br />
dass gewisse kantonale Instanzen<br />
den Automobilisten immer noch als Rupfobjekt<br />
ansehen, dessen Börse gerade gut genug<br />
ist, um Gemeinde- und kantonale.Finanzsäckel<br />
zu speisen. Dieses System der Bussenfängerei<br />
kann nicht genug gebrandmarkt<br />
werden. Es schadet nicht nur unserem Lande<br />
finanziell, sondern es Iässt es auch in den<br />
Augen ausländischer Automobilisten in einem<br />
ganz merkwürdigen Lichte erscheinen.<br />
Zur Erleichterung des internationalen Automobilistenverkehrs<br />
ist der internationale<br />
Fahrausweis von allen Ländern als rechtsgültig<br />
anerkannt worden. Er berechtigt ohne<br />
weiteres zum Grenzübertritt. Pflicht der<br />
Grenzorgane wäre es nun, die ausländischen<br />
Automobilisten bei der Einreise in<br />
die Schweiz zum Vorzeigen dieses Fahrausweises<br />
anzuhalten. Wie die Praxis zeigt,<br />
scheinen jedoch die eidgenössischen Instanzen<br />
sich um diesen internat. Fahrausweis sehr<br />
wenig zu bekümmern. So kann es vorkommen,<br />
dass ausländische Automobilisten, ohne<br />
im Besitze des Fahrausweises zu sein, in die<br />
Schweiz einreisen im guten Glauben, einen<br />
solchen in unserem Lande nicht zu benötigen.<br />
Um so unverständlicher erscheint es<br />
ihnen dann, wenn sie im Innern des Landes<br />
plötzlich angehalten, zum Vorzeigen des Fahrausweises<br />
gezwungen und bei dessen Fehlen<br />
unnachsichtlich gestraft werden. Da die vielen<br />
internationalen Fahrer über unsere grossartige<br />
22fache Gesetzgebung nicht orientiert<br />
sein können, ist es begreiflich, dass aus die-<br />
und Unterlassungssünden<br />
ser für sie unverständlichen Bussenpraxis<br />
Verärgerung und Missmut entstehen. Um ihre<br />
Weiterfahrt fortsetzen zu können, .bezahlen,<br />
sie den verlangten Obolus, tragen aber in<br />
ihrem Herzen Verärgerung nach Hause und<br />
sprechen über die zugestossene Schikane<br />
unverhohlen und offensichtlich ihren Missmut<br />
aus. Ihre Ueberlegung ist ganz klar und einfach<br />
: sie betrachten die Schweiz als ein<br />
Staatswesen und halten dafür, dass das, was<br />
an der Grenze Gültigkeit besitzt,. auch im<br />
Landesinnern Geltung haben sollte. Der. Schaden,<br />
der aus diesen Vorkommnissen entsteht,<br />
ist für die Schweiz oder für die betreffenden<br />
Kantone hundertfach grösser als der Gewinn<br />
aus eingesacktem Bussengeld.<br />
Die Eidgenössische Oberzolldirektion hat<br />
nun letzthin zur Frage der Einreisekontrolle<br />
folgende Feststellung öffentlich bekanntgegeben<br />
: «Die Regelung des Automobilverkehrs<br />
in der Schweiz und somit auch des<br />
Grenzübertritts mit Automobilen beruht bis<br />
anhin nicht auf einem Bundesgesetz, sondern<br />
auf dem interkantonalen Konkordat über eine<br />
einheitliche Verordnung betreffend den Motorwagen-<br />
und Fahrradverkehr, vom Bundesrat<br />
genehmigt-am 7. April.. 19H Die Durchführung<br />
des Konkordates ist Sache der ihm<br />
beigetretenen Kantone und ihrer Organe,<br />
nicht aber Sache derGrenzorgane derEidgenös*<br />
sischen Zollverwaltung. Wenn somit ein dem<br />
Konkordat nicht angehörender Grenzkanton<br />
verfügt, dass ausländische Automobilisten<br />
ohne internationalen Fahrausweis eintreten<br />
können und diesen Fahrern nachher in Konkordatskantonen<br />
Unannehmlichkeiten entstehen,<br />
so kann dafür nicht die Eidgenössische<br />
Zollverwaltung verantwortlich gemacht werden,<br />
da diese mangels einer bundesgesetzlichen<br />
Grundlage als Eidgenössische Verwaltung<br />
gar nicht in der Lage ist, einzugreifen.»<br />
Wir können die Auffassung der Eidgenössischen<br />
Oberzolldirektion leider nicht teilen.<br />
Der internationale Fahrausweis ist kein kantonales<br />
Dokument, sondern ein' eidgenössisches.<br />
Die an den Schweizer Automobilisten<br />
abgegebenen Ausweise werden wohl von den<br />
kantonalen Behörden (gleich wie die Pässe)<br />
ausgestellt, aber sie tragen ausdrücklich die<br />
Ueberschrift «Schweizerische Eidgenossenschaft»<br />
und stützen sich auf die internationale<br />
Uebereinkunft vom 11. Oktober 1909<br />
zwischen der Schweiz und. zahlreichen Konventionsstaaten.<br />
Die Behauptung der Oberzolldirektion,<br />
dass es nicht ihre Sache sei,<br />
diese Dokumente beim Eintritt in die Schweiz<br />
nachzuprüfen, steht nicht im Einklang mit<br />
dem Charakter dieses Papieres. Jeder internationale<br />
Fahrausweis enthält einen schweizerischen<br />
Abschnitt, der ein Eintrittsvisa in<br />
unser Land und ausdrücklich eine Bestätigung<br />
des Eintrittes seitens der Zollbehörden<br />
vorsieht. Es hat somit kein Kanton, auch derjenige,<br />
welcher dem Konkordate nicht angehört,<br />
Verfügungen zu erlassen, wonach ausländische<br />
Automobilisten ohne internationalen<br />
Fahrausweis die Schweiz betreten können.<br />
Es ist auch nicht nötig, dass unsere<br />
Grenzkantone neben die eidgenössischen Zollbeamten<br />
ihre eigenen Leute stellen, sondern<br />
die Eidgenossenschaft als Vertragskontrahent<br />
mit den ausländischen Staaten, deren<br />
Angehörige dieses Papier besitzen müssen,<br />
ist verpflichtet, dasselbe den Automobilisten<br />
beim Eintritt in die Schweiz abzufordern und<br />
mit dem Stempel der Zollstelle zu versehen.<br />
In den Tälern der Linth und des Inn, auf<br />
den Höhen des Klausen und der Bernina ist<br />
es heute wohl stiller geworden. Die Motoren<br />
haben ihr Lied ausgesungen. Das Echo der<br />
motorischen Kraft ist verklungen.<br />
Grosse sportliche Ereignisse liegen hinter<br />
uns. Ereignisse von einem Ausmass, wie wir<br />
sie in der Schweiz noch nie gesehen haben.<br />
Sie haben nicht nur im,eigenen, sondern auch<br />
in" fremden Landen Aufsehen erregt. Auf<br />
prächtigen Pisten wurden Fahrten ausgetragen,<br />
die durch ihre internationale Bescbikkung<br />
grosse Form angenommen haben..<br />
Wir dürfen auf diese sportlichen Veranstaltungen<br />
stolz sein. Sie haben mit aller Deutlichkeit<br />
gezeigt, dass dem Automobilsport in<br />
der Schweiz mit Ernst und Würde gehuldigt<br />
wird. Er ist bei uns gut aufgehoben und<br />
seine Bedeutung wird von Jahr zu Jahr von<br />
unserem Schweizervolk besser erfasst. Ideaie<br />
Strecken und eine sichere, in allen Details<br />
klappende Organisation sind Momente, die<br />
dazu beitragen, unsern Automobilsport in<br />
steigendem Masse in allen Teilen unseres<br />
Volkes besser verankern zu lassen.<br />
Was für uns das Wichtige ist : Mit wachsender<br />
Freude und zunehmendem Interesse<br />
am Automobilsport erhöht sich die Erkenntnis<br />
der Wichtigkeit und der Bedeutung des<br />
Automobilismus an und für sich. Man hat in<br />
dieser Beziehung geradezu freudige Ueberraschungen<br />
erleben können. Erinnern wir<br />
z. B. an die Rede des glarnerischen Regierungsrates<br />
Hefti. Erinnern wir an den Begrüssungsartikel,<br />
den der bündnerische Regierungsrat<br />
Huonder in der bündnerischen<br />
INSERTIONS-PREIS: Die achtgespaltene 2 mm hohe Grundzeile odet<br />
deren Raum 45 Cts. für die Schweiz; für Anzeigen aus dem Ausland 60 Cts.<br />
" Grössere Inserate nach Seitentarif.<br />
Inseraiensehluss 4 Tage vor Erscheinen der Nummern<br />
Wir wissen aus Erfahrung, dass auch andere<br />
Länder beim Grenzübertritt vom internationalen<br />
Fahrausweis keine Notiz nehmen.<br />
Aber auch in jenen Ländern riskiert man,<br />
wenn man im Inland angehalten wird, Vorwürfe<br />
oder Unannehmlichkeiten. Niemals<br />
aber haben wir davon gehört, dass eine Behörde<br />
im inländischen Verkehr einen Fahrer<br />
unter Busse nimmt, nachdem die betreffende<br />
Landesbehörde an der Grenze eine Unterlassungssünde<br />
begangen hat. Einzig und allein<br />
wir als erstes europäisches Fremdenland leisten<br />
uns diesen Scherz. Unsere Behörden<br />
büssen die ausländischen Fahrer, weil unsere<br />
eidgenössischen Behörden ihnen beim Eintritt<br />
in unser Land nicht pflichtgemäss den internationalen<br />
Fahrausweis abverlangt und ihn<br />
mit dem Einreisestempel versehen haben.<br />
Nach grossen Sporttagen<br />
Presse erscheinen liess und an seine Rede<br />
beim Schlussakt der St. Moritzer Automöbilwoche.<br />
Es sind dies Dokumente, die dafür<br />
sprechen, dass auch unsere kantonalen Regierungen<br />
die eminent volkswirtschaftliche<br />
Bedeutung des Automobilismus eingesehen<br />
haben und dass gerade die Vertreter der<br />
Bergkantone heute wissen, was sie dem Automobil<br />
in volkswirtschaftlicher Beziehung<br />
schuldig sind.<br />
Kantone wie Glarus und Graubünden, bei<br />
denen das Automobil nur schwer Eingang<br />
finden konnte, öffnen heute ihre Strassen und<br />
Pässe, öffnen aber auch ihren Fiskus, um die<br />
Strasse in ein modernes Kleid zu kleiden,<br />
weil sie wissen, dass, wie Herr Regierungsrat<br />
Hefti betonte, die Zeit vorwärts schreitet,<br />
Taten schafft und Werk an Werk reiht.<br />
Ja, es ist so. Die sportlichen Veranstaltungen<br />
am Klausen und an der Bernina haben<br />
nicht nur Zeugnis abgelegt von der Kaltblütigkeit,<br />
von der Selbstbeherrschung, von<br />
Ausdauer und Geduld der sportlichen Grossen,<br />
sondern sie haben gezeigt, dass auch in<br />
der Technik immer das Bessere siegt und<br />
dass diese von Höchstleistungen zu Höchstleistungen<br />
schreitet. Die Technik aber bahnt<br />
der Volkswirtschaft den Weg. Dieser einmal<br />
frei, ziehen hinter ihr Industrie und Arbeit,<br />
Verdienst und Wohlstand ein. Das Automobil<br />
hat es geschaffen und wird es weiter schaffen.<br />
Die eminente Bedeutung des Automobilverkehrs<br />
für die bündnerische Volkswirtschaft<br />
hat der bündnerische Regierungsrat in<br />
vollstem Masse erkannt. Nicht umsonst hat<br />
er 4,5 Millionen Franken für den Ausbau<br />
legte. Ihre Unruhe trieb sie hinauf. Dort verbrachte<br />
sie einen geschlagenen Nachmittag, nächsten kam. Nichts hatte sie zu tun, als<br />
in beschwingter Sprache ihren Gefühlen am<br />
wühlte mit suchenden Fingern in einer fleissig und eifrig abzuschreiben, die Sache<br />
Der Briefsteller, Truhe altem Kram und entdeckte schliesslich auf einen Mann zu beziehen und einen Namen<br />
einzuflechten.<br />
"Eva. Geschichtlein von Günther R. Schärer. in einer Ecke eine alte Kiste, der ihre Neugier<br />
nicht widerstand. Wohl waren da noch Es musste schon ein verhext hinterhältiges<br />
(Schluss aus dem letzten „Autler Feierabend")<br />
andere unbekannte Sachen; da aber das<br />
Die nächsten Tage waren endlos lang,<br />
Teufelchen sein, das ihr dabei über die<br />
Haus voller Leute war, nahm das gute Dämchen<br />
an, es stelle hier noch jemand anderes<br />
furchtbar heiss und sonnig: Jungfer Reckholder<br />
lächelte nicht mehr vor sich hin und<br />
Schulter sah; eines diabolisch geräuschlosen<br />
Gelächters können wir sicher sein.<br />
Gerumpel unter Dach. Wer ausgerechnet es<br />
der Lackierer hatte seine Lieder vergessen.<br />
Mendel, der Lackierer, hatte inzwischen<br />
war, ahnte sie nicht.<br />
Die plötzliche Zuneigung zueinander geisselte<br />
beide mit scharfer Peitsche.<br />
Wirtschaft gefunden und machte sich nach<br />
für seine Unruhe einige Kumpane in der<br />
Die Kiste, über die sich Jungfer Reckholder<br />
machte, konnte ein vergessenes Stück<br />
Meister Mendel sass des Tags brütend auf<br />
ausgiebig angefeuchtetem Jass heimzu. Aber<br />
einer früheren Partei sein. Der dicken<br />
seinem Arbeitsschemel und stierte ins Leere,<br />
nicht eher Hess ihn das hinterlistige Teufelchen<br />
auf die Idee kommen, seinerseits ein-<br />
Staubschicht nach zu beurteilen stand sie<br />
um dann plötzlich aufzustehen und in den schon eine Ewigkeit da. Schwer und wichtig<br />
kam sie ihr vor und voller Geheimnisse,<br />
«Blauen Hund» zu laufen, wo er in den nächsten<br />
Tagen immer zu treffen war.<br />
Reckholder den Band beglückt wieder hinmal<br />
den Estrich nachzusehen, bis Jungfer<br />
als sie entdeckte, dass Bücher darin waren.<br />
Das alte Mädchen aber wurde fieberhaft<br />
aufgetragen- und mit einigen Handvoll Staub<br />
So stöberte die alte Erika darin, schlug<br />
tätig, nuschelte in allen Kisten und Kasten,<br />
der Kiste ihr harmloses Aussehen wiedergegeben<br />
hatte.<br />
hier einen Band auf, klopfte Staub ab und<br />
ordnete Bändchen und Knöpfe und als in der las etwa oder besah Bilder, bis ihr ein dünnes<br />
Büchlein in die Hände geriet: Briefstel-<br />
Aber der kleine Schelm tat gute Arbeit,<br />
Wohnung alles zweimal auf den Kopf gestellt<br />
war, stieg sie erst in den Keller und ler für Liebende, Wege zum Herzen von gerade heute fiel Mendel die Kiste auf.<br />
schliesslich auf den Estrich hinauf. Dass sie Mann und Weib.<br />
«Dass dich der Gugger,» sagte er, als er<br />
diesen Estrich mit dem Lackierer teilte, Das war es! Ihm zeigen, dass sie ihn lieb den Briefsteller auf den Knien hielt und<br />
wusste sie nicht; Mietvertrag gab es keinen. hatte, dass nicht Beleidigung, sondern kratzte mit dem Daumennagel die Lichtung<br />
Seit sie vor Jahren ins winklige Quartier gezogen,<br />
war sie auch nie mehr auf dem Dach-<br />
Sie barg den Schatz an ihrer Brust, schloss hinter gekommen bist, Mendel, alter Kunde,<br />
Scham sie weggetrieben als er sie angefasst. über der Stirne, «dass du da nicht früher daboden<br />
gewesen; Mäuse hatte es, und es den Estrich und stöckelte in ihr© Kammer so muss man den Weibern den Haber um<br />
«konnte passieren, dass sich ein Spinngeweb hinunter, Dort las sie mit bebenden Lippen<br />
Brief um Brief und suchte den aus, der das Buch unter den Arm. Warum der<br />
die Nase schlagen! Eh, eh.» Und er nahm<br />
•plötzlich wie eine Geisterhand über's Gesicht<br />
verhexte<br />
Band, als der Lackierer ihn handhabte,<br />
auf der gleichen Seite aufschlug? Zufall? Es<br />
war, als würde die unsichtbare Hand eines<br />
längst verblichenen Schwerenöters zwischen<br />
die Seiten gerufen, dort, wo es vor einer<br />
Stunde offen gewesen.<br />
«Ein gar donners schönes Brieflein,»<br />
schmunzelte Mendel, als er gelesen, «gar<br />
donners schön; wenn das nicht hilft!» Er<br />
kaute am Federhalter, schrieb dann und<br />
setzte zitternd vor Freude ein paarmal ihren<br />
Namen hinein.<br />
Ja, und dann wurden die Briefe gelesen<br />
und auf beiden Seiten wacker der Kopf geschüttelt.<br />
«Da soll jetzt einer nachkommen,»<br />
murmelte der Lackierer, und Jungfer Reckholder<br />
sagte: «Eh z'Tausend, wenn das nicht<br />
haargenau...»<br />
Die Jungfer kam auf jeden Fall schneller<br />
nach, stieg hinauf, sah die Kiste offen, wunderte<br />
sich eine Zeitlang und dann schämte<br />
sie sich für beide. Der alte Mendel hat aber<br />
nie ganz begriffen; er hat auf Verlangen der<br />
Jungfer ihren Brief zurückgegeben und seinen<br />
erhalten. Er hat ihn zerrissen, aber das<br />
alte Mädchen hebt den ihren auf. Sie näht<br />
und er poliert und beide sind im Treppenhaus,<br />
falls sie sich begegnen, gar freundlich<br />
miteinander, aber Mendel hat eine merkwürdige<br />
Scheu, fast Ehrfurcht vor der Jungfer<br />
Reckholder.