E_1929_Zeitung_Nr.105
E_1929_Zeitung_Nr.105
E_1929_Zeitung_Nr.105
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
M5 - AUTOMOBIL-REVUE 15<br />
stens. Und den Nusskuchen, der vorgestern noch<br />
im Fenster des Krämerladens gelegen.<br />
Die Krämerin hatte ihren Leib über den Ladentisch<br />
gelegt und zählte Geld, sie hatte gut verdientheute.<br />
Den Nusskuchen gab es nicht mehr, aber<br />
ein Herz.aus Lebkuchenteig hatte es noch. Also<br />
das. Und Kerzen.<br />
— Von welchen wollt Ihr, fragte das Weib spöttisch,<br />
es hat zu einszwanzig, zu achtzig und zu<br />
vierzig die Schachtel. Zu vierzig, so — zu vierzig<br />
also. Sonst noch etwas? Nein? Also adiöö.<br />
Der Gruss höhnisch, langgezogen, mit einem Kichern<br />
hintendrein. Frau Aenne achtete es nicht.<br />
Dann schritt sie zum Förster, mit dem Korb am<br />
Arm. Einen Tannast oder ein kleines Tännchen.<br />
Der Waldhüter war den ganzen Tag über im<br />
Schnee gestampft, hatte den Freflern aufgepasst,<br />
war müde, hungrig und durchnässt- Er brauchte<br />
jemanden, um seiner Wut Luft zu machen.<br />
— Tännchen? schrie er das Weib an, so, ein<br />
Tännchen! Was wollt Ihr denn damit, ho, alte<br />
Hexe, etwa Weihnachten feiern zur Abwechslung?<br />
Wie die frommen Leute, grossartig. Schert euch<br />
zum — na zu wem Ihr wollt, aber ich habe keine<br />
Weihnachtstannen für Euch. Dort ist der Wald,<br />
da hat's viele. —<br />
Die Türe knallte hart in der kalten Luft, und<br />
Kindeistimmen mischten sich fröhlich in den Basa<br />
des Vaters.<br />
Das hatte Frau Aenne nicht erwartet, es war<br />
wie ein Schlag. Sie stand vor der Türe, versuchte<br />
zu lächeln und ihren Stolz wiederzufinden und<br />
konnte es nicht. Und dann setzte sie sich auf den<br />
Stiegentritt wie ein gescholtenes Kind, und das<br />
Wasser tropfte ihr heiss aus den alten Augen. Sie<br />
weinte, die harte, wetterfeste Landstreicherin und<br />
Bäuerin, Bie weinte, und ein trockenes Schluchzen<br />
würgte sich aus der Kehle.<br />
Elend war ihr, so arm und elend wie noch nie<br />
in all den Jahren, in denen sie die Armut gekannt<br />
Ihr Lebkuchenherz hatte sie, ihro Kerzen hatte sie,<br />
zu vierzig, und nun gab es keinen Christbaum für<br />
sio. Für sie nicht. Hexe hatte der Förster gesagt.<br />
Aber sio fand sich wieder, fand alle ihre Zähigkeit,<br />
ihro Ausdauer der Landstrasso, der kalten<br />
Nächte in einer Scheune oder unter freiem Himmel.<br />
Etwas mühsam zwar, etwas eckig ihre Bewegungen,<br />
als sie sich jetzt erhob, den Korb an den Arm<br />
hängte und dem Dorfe den Rücken kehrte.<br />
— Dort ist der Wald, hatte der Förster gesagt,<br />
dorthin wandte sie sich. Es war ein mühsames<br />
Wandern auf der knirschenden Landstrasse durch<br />
die weilen, weissen Felder dem Walde zu. Aber<br />
ihr Gesicht war zu Stein geworden, sie war wieder<br />
die Landstreicherin von ehemals, und ihr Stock, den<br />
sie mit knochiger Hand umkrallte, biss sich bei<br />
jedem Schritt im Schnee fest. Es schneite, ein feiner,<br />
wehiger Christnachtschnee aus klarem Himmel...<br />
— Man hat sio wiedergefunden die alte Frau<br />
Aenne, und als man sie ina Dorf trug, schwieg<br />
selbst die Zunge der Krämerin, und der Förster<br />
kratzte eich im Haar, so verlegen war er. Der<br />
Pfarrer aber hielt eine schöne Bede, auf die er noch<br />
lange nachher stolz war. Es war aber auch ein geschenkter<br />
Stoff für die Poesie einer Trauerrede,<br />
und manches Auge wurde trocken gerieben, als man<br />
den Tod der armen Frau vernahm: In einer Schneemulde<br />
hatto sie gesessen, und die bunten Kerzen<br />
zu vierzig waren in den Schnee auf den Aesten<br />
eines Tännchens gesteckt, halb herabgebrannt und<br />
dann erloschen durch das Schmelzwasser.<br />
Der<br />
-A.\a.tlea?<br />
liest die illustrierte<br />
Automobil-Revue<br />
ZÜRICH 1<br />
6 Promenadengasse 6<br />
Tranihaltcstelle: Knnsihaus Pfauen<br />
Kristall-, Porzellan-, Fayence -<br />
Services. Kunstgegenstände.<br />
Echte Bronzen, Silber- und vernUtrte Tatelgaröte,<br />
Bettecke, Biiomtenen, aparte Lederviaren,<br />
Damentaschen, ReiseartikeL<br />
Freie Besichtigung. Nur erstklassige Fabrikate.<br />
Winter am<br />
lnn<br />
Junggesellen-<br />
Weihnachten<br />
Von Gerhard Schake.<br />
Es ist am Weihnachtstage, nachmittags<br />
gegen fünf Uhr. Frank hat sich warm angezogen<br />
und geht nun die schon abendlichen<br />
Strassen entlang, dem Stadtinnern zu. Er ist<br />
ein ganz klein wenig wehmütig gestimmt,<br />
dass er das Fest zum ersten Male so ganz<br />
allein verbringen soll. Zwar haben ihn manche<br />
Freunde eingeladen und manche Junge<br />
Dame hätte ihn an diesem Tage gern begrüsst,<br />
abeT Frank ist ein sonderbarer<br />
Mensch, er will an dem Feste der Liebe niemanden<br />
stören, das heisst, dass er stören<br />
könnte ist nicht der hauptsächlichste Grund,<br />
»•••••••••••••••••••••••••••••••»••«••»••••••••»•••<br />
JÖBlflANN * CB - CHUR<br />
SPEZIALHAUS FÜR<br />
VELTLIN ER - WEINE<br />
»•««•«»»•«*«»»»•«•»•««>••••«»•««»««».»>«««.«»«««•««••«•«»«••««•••«•••••«••«*••«•••••••••••••<<br />
Bertha Burkhardt<br />
ZÜRICH 1, beim Bellevueplatz.<br />
Die 40,000<br />
Autlerfamilien der Schweiz<br />
geben wöchentl. Millionen<br />
aus. Prägen Sie Ihre Firma<br />
in deren Erinnerung ein.<br />
wichtiger ist,' dass er all die Liebe um sich<br />
herum, die das Fest im Familienkreise verbreitet,<br />
nicht sehen will, um nicht traurig zu<br />
werden. Darum geht er jetzt durch die Verkaufsstände<br />
und die Buden, die unter Karbidund<br />
Petroleumlampen Pfefferkuchen, Süssigkeiten<br />
und tausenderlei kleinen nützlichen<br />
und unnützen Krimskrams feilbieten.<br />
Frank hat ein Ziel, er will in ein Restaurant<br />
gehen. Vorher wählt er in einer Buchhandlung<br />
sorgfältig und umsichtig ein paar<br />
Bücher und einige Zeitschriften aus, erhält<br />
einen bunten Kalender als Festgabe und geht<br />
speisen. Er isst Karpfen und Rehbraten, trinkt<br />
einen guten Wein, raucht eine von den Weihnachtszigarren<br />
und räkelt sich wohlig in<br />
seinen Sessel. Sieht feierliche und fröhliche<br />
Gesichter um sich, junge und alte Ehepaare,<br />
Reichhaltiges Lage r<br />
in fertigen<br />
PELZEN<br />
sowie<br />
FELLEN<br />
für Besatz<br />
!£