E_1930_Zeitung_Nr.034
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18 AUTOMOBIL-REVUE <strong>1930</strong> - N° 34<br />
London, Frankreich bettelt um Frieden —<br />
nächste Woche bei Muttern.» ... Für solche<br />
Meldungen gabs im Kriege die ganz und gar<br />
nicht salonfähige Bezeichnung «Latrinenparolen»<br />
... Wir glaubten natürlich nichts von.<br />
all der Herrlichkeit — dennoch — in geho-i<br />
bener, Stimmung — so sind eben die Menschen—<br />
schritten wir weiter. Um halb zehn 1<br />
traten wir zu einer Nachtübung an. Wir standen<br />
in Reih und Glied — was hörten wir da!<br />
«III. Bataillon fertigmachen. Mann und Ross<br />
marschbereit elf Uhr Kasernenhof.»<br />
In derselben Nacht wurden wir in fliegender<br />
Hast einwaggoniert und — ein Zeichen<br />
hoher Gefahr — in Eilzugstempo 30 Achsen<br />
stark abtransportiert — Richtung Nordwest.<br />
Uebernächsten<br />
schwere Geschütz von Notre-Dame de Lorette<br />
nun wussten wirs auswaggoniert,<br />
in Marsch gesetzt. — Wir passierten<br />
so ein langgestrecktes Dorf... begegneten<br />
gefangenen Franzosen, ein Dutzend etwa<br />
und wohl eskortiert... Die Frauen und<br />
Mädchen im Dorf streckten die Hälse, weiteten<br />
die Augen — sprechen durften sie ja nicht<br />
zu ihren unglücklichen Landsleuten... aber<br />
diese Augen!... Welche Frage, welche Hoffnung,<br />
wieviel Sehnsucht! Ist ers? —<br />
Der Mann, der Vater, der Liebste?... Es<br />
könnte doch sein, dass er sein geliebtes Heimatdorf<br />
passiert — sein Haus, sein Weib,<br />
sein Kind grüssen darf — seis mit einem<br />
stummen Blick.<br />
Nach dreistündigem Marsch machten wir<br />
halt. Wir. hatten ein Dörfchen erreicht —<br />
von der Artillerie zertrümmert — knapp hinter<br />
der Feuerlinie ... Alarmbereitschaft ...<br />
«Morgenrot, Morgenrot, leuchtest mir zum<br />
frühen Tod •» klang es allenthalben melancholisch.<br />
.Aber dort vorne wurde es merklich<br />
ruhiger. Trotzdem — recht unvermutet<br />
1 — kam der Befehl zum Abmarsch. Wir marschierten<br />
ab... aber nicht nach vorn, sondern<br />
nach hinten — zurück zu unsern Waggons.<br />
Trotz des beschwerlichen Hin- und Hermarsches<br />
war die Stimmung ausgelassen<br />
heiter. Bergmann selbst, im zerschossenen<br />
Dörfchen von fröstelnder Apathie befallen —<br />
ich gab sie weit und breit für Unwohlsein<br />
aus — selbst er lachte über einen wirklich<br />
drolligen Muskoten, der seinen Hauptmann<br />
konstant «Herr Direktor» titulierte. — So<br />
waren wir wieder auf der Tour. Aber<br />
den nächsten Abend schon besetzten wir die<br />
Schützengräben von La Bassee. Der Gang<br />
Morgen hörten wir das -dahin war anstrengend und gefährlich — die<br />
Erde tief aufgeweicht, schweres Artillerieund<br />
Gewehrfeuer ... Es gab unterwegs einige<br />
Verluste. Eine böse Stellung empfing<br />
uns da, Grundwasser bis zu den Knöcheln<br />
mindestens, Frösche, Ratten, viele Leichen<br />
lagen davor — rochen so penetrant —<br />
man konnte nur atmen mit Taschentuch vor<br />
Nase und Mund und die Engländer begrüssten<br />
uns heroisch unfreundlich.<br />
Bergmann erreichte wohlbehalten den vordersten<br />
Graben, aber ohne Tornister, gepäcklos<br />
— er hatte alles unterwegs verloren, nur<br />
noch die Feldflasche hing ihm am Halse. —<br />
Die Tage, die da kamen, waren hart, es gab<br />
viel zu tun, und die Engländer taten mit ihren<br />
Kanonen ihr Bestes, unsere Arbeit nicht gerade<br />
zu erleichtern. Mitten in all dieser Geschäftigkeit<br />
rührte Bergmann sich möglichst<br />
nicht von seinem Platz, verfallen und bleich<br />
sass er da, sprach nicht, rauchte nicht. Mit<br />
der Dämmerung wurde die englische Artiellerie<br />
noch lebhafter. Drei Granaten schlugen<br />
rasch hintereinander in den Graben. Eine<br />
schwere Mine obendrein, die explodierte mit<br />
höllischem Spektakel, warf massenhaft Erde<br />
und Schmutz auf — alles just in der nächsten<br />
Umgebung von Bergmanns Platz<br />
Bergmann blieb heil... Aber am nächsten<br />
Morgen waren seine blonden. Haare grau. —<br />
Der Lenz kommt. . .<br />
Kommt ein Knabe über Land gezogen,<br />
bläst ein Lied auf einer schlanken Flöte,<br />
lieber ihm am hohen Himmelsbogen<br />
uerolde<br />
schwimmt ein Wölkchen durch die Morgenröte.<br />
Und indes er rüstig weiterschreitet,<br />
klingt sein Lied, verstummt, und klingt aufs<br />
neue,<br />
über ihm am hohen Himmel gleitet<br />
treu die kleine Wolke durch die Bläue...<br />
Und soweit die süssen Töne dringen,<br />
und soweit das weisse Wölkchen leuchtet,<br />
hebt ein Jubeln an und Knospenspringen,<br />
glänzt die Welt von Silbertau befeuchtet.<br />
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