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E_1930_Zeitung_Nr.060

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N» 60 — <strong>1930</strong><br />

Für Unterkunft besteht nicht nur auf Glarner<br />

Seite, sondern speziell auch auf Urner<br />

Seite beste Gelegenheit, und es seien auf der<br />

Westseite des Passes besonders Urigen, Unterschächen,<br />

Altdorf, Flüelen, Erstfeld, Amsteg,<br />

Wassen etc. erwähnt. Zimmerbestellungen<br />

sind an die Quartierkomitees des Int.<br />

Klausenrennens in Glarus, resp. Altdorf zu<br />

richten.<br />

Jegliche Auskunft über das Rennen, sowie<br />

Reglemente und Anmeldeformulare sind im<br />

Rennsekretariat, Waisenhausstrasse 2, Zürich<br />

(Telephon Selnau 87.44), erhältlich.<br />

Das Klausenrennen <strong>1930</strong> wird der Treffpunkt<br />

der prominentesten Fahrer des Motorrad-<br />

und Automobilsportes sein. (Erster Nennungsschluss:<br />

29. Juli <strong>1930</strong>, 18 Uhr; zweiter<br />

Nennungsschluss: 2. August <strong>1930</strong>, 18 Uhr.)<br />

Die Spitzbergenfahrt des A.C.S.<br />

Nach einer Fahrt von 69 Stunden ist der<br />

«Graf Zeppelin» mit seinen 20 Passagieren<br />

Freitag nachts, kurz vor 23 Uhr, glatt in<br />

Friedrichshafen gelandet. Die Reise war leider<br />

zeitweilig durch schlechte Sicht etwas<br />

beeinträchtigt worden, ebenso schien den<br />

Fahrtteilnehmern der Aufenthalt über Spitzbergen<br />

reichlich kurz. Die Hinfahrt erfolgte<br />

über Amsterdam, Norwegen, Hammerfest;<br />

entgegen dem Programm wurde Dänemark<br />

nicht überflogen. Die Rückfahrt, welche über<br />

Finnland vorgesehen war, folgte ebenfalls<br />

einem andern Kurs. Das Flugschiff nahm die<br />

Route über die Orkney-Inseln und Westschottland.<br />

Um 12 Uhr mittags überflog es<br />

am Freitag Edinburg, um dann Richtung auf<br />

Amsterdam und Norddeutschland zu nehmen.<br />

Insgesamt hat das Luftschiff mit den 20<br />

Gästen, unter denen sich auch Dr. Mende,<br />

Zentralpräsident, Herr Hürlimann, Präsident<br />

der Sektion Zürich, sowie Walter Mittelholzer<br />

befanden, 7800 Kilometer zurückgelegt.<br />

Bei der Hinfahrt hatte es unter Gegenwinden<br />

zu leiden. Am Freitag morgen wurde<br />

Spitzbergen erreicht. Die Rückfahrt erfolgte<br />

dann bei starkem Rückwind sehr schnell, so<br />

dass Friedrichshafen früher als vorgesehen<br />

angesteuert wurde- —/.<br />

3. Bergrennen<br />

um die Europameisterschaft.<br />

Stuck triumphiert bei den Rennwagen und<br />

stellt einen neuen Rekord auf. — Caracciola<br />

holt den ersten Preis der Sportwagen.<br />

Zu dem am letzten Samstag stattgefundenen<br />

dritten Lauf der europäischen BeTgmeisterschaft<br />

von Shelsley Walsh in England<br />

waren nur Stuck und Caraociola als Fahrer<br />

vom Kontinent erschienen, die aber über die<br />

76 beinahe durchwegs aus Engländern bestehenden<br />

übrigen Teilnehmer triumphierten und<br />

sich sichere Siege holten. Die 915 m lange<br />

Strecke, ein Unikum in der Reihe der für Rennen<br />

benutzten Bergstrecken, musste a zweimal<br />

gefahren werden, das Stundenmittel war soidann<br />

für die Wertung massgebend. Stuck<br />

erzielte bei den Rennwagen mit seinem Austro<br />

Daimler in beiden Läufen die Zeit von<br />

Je 42,8 Sek., was einer Stundengeschwindigkeit<br />

von 77,2 km entspricht. Er stellte in<br />

Shelsley Walsh mit dieser Geschwindigkeit<br />

einen neuen Rekord auf. Caracciola brauchte<br />

mit seinem Mercedes-Benz für den ersten<br />

Lauf 46,8 Sek. und für den zweiten 47 Sek.<br />

Sein Durchschnitt beträgt somit 71 km. Die<br />

beiden siegreichen Deutschen haben sich mit<br />

diesen Siegen aus England glücklich fünf weitere<br />

Punkte herübergeholt. Der Sieg der Tourenwagen<br />

blieb im eigenen Lande. Der Engländer<br />

Davenport benötigte für seine zwei<br />

Fahrten 44,6 und 45 Sek.<br />

Ein ausführlicher Bericht unseres nach<br />

Shelsley Walsh entsandten Spezialkorrespondenten<br />

über das interessant verlaufene<br />

Rennen folgt in nächster Nummer. mb.<br />

Coppa delle Venezie <strong>1930</strong>.<br />

Bekanntlich findet dieses Jahr keine<br />

internationale Alpenfahrt statt. An ihrer<br />

Stelle stehen dieses Jahr zwei Veranstaltungen,<br />

die mit der Alpenfahrt einige<br />

Aehnlichkeit haben und die Aufmerksamkeit<br />

der Sportwelt auf sich ziehen. Bereits<br />

gehört die eine dieser Alpenfahrten<br />

der Vergangenheit an : die Fahrt um den<br />

österreichischen Alpenpokal, welche schöne<br />

Ergebnisse erzielte. Als zweite interessante<br />

Alpenfahrt folgt die Coppa delle<br />

Venezie, welche vom 26. bis 28. Juli<br />

durchgeführt werden soll. Die Fahrt wird<br />

als offene internationale Veranstaltung<br />

organisiert, unter der Leitung der dreizehn<br />

Automobilclubs des venezianischen<br />

Gebietes und des Südtirols.<br />

Die Konkurrenten werden in zwei<br />

Gruppen geteilt, die erste ist allen offen,<br />

die zweite hingegen nur Mitgliedern des<br />

italienischen Automobilclubs. Die zu<br />

durchfahrende Strecke misst 1751,3 km.<br />

Die erste Etappe führt über Padua, Verona,<br />

Mendolapass nach Trento (517 km).<br />

Der zweite, Abschnitt bringt die Teil<br />

nehmer über Col Broccon; - Passo Rollo,<br />

Passo del Pofdoi, Udine, Triest nach<br />

Fiume. Der dritte Tag sieht drei weitere<br />

Passüberquerungen vor und führt die<br />

Konkurrenten bis nach Padua. Der Fab.- i<br />

rer muss seinen Wagen nach Beendigung<br />

jeder Etappe sofort abliefern, erst zehn<br />

Minuten vor der Weiterfahrt wird jihm<br />

das Automobil wieder zur Verfügung- gestellt.<br />

!<br />

Die Regelmässigkeit der Fahrt wird<br />

durch eine interessante, aber sehr schwierige<br />

Rennformel geprüft. Für jeden Wagen<br />

ist eine Mindestgeschwindigkeit vorgesehen,<br />

die ins Quadrat erhoben wird.<br />

Das Ergebnis wird dann durch die Summe<br />

der bei jedem Sektor (von denen vier<br />

zusammen eine Etappe bilden) konstatierten<br />

Abweichungen von der Mindestgeschwindigkeit<br />

dividiert. Die Zahl, die auf<br />

diese Weise erhalten wird, stellt den,<br />

Regelmässigkeitsfaktor dar, der 1 selbst^<br />

verständlich möglichst gross sein soll. Der<br />

Meldeschluss für die Teilnehmer ist auf<br />

den 18. Juli festgesetzt, die Anmeldungen<br />

sind an den A. O. von Padua, Via Oesare<br />

Battisti 49, zu richten.<br />

Im ganzen sind Preise im Werte 'von<br />

100 000 Lire ausgesetzt. Der, bestklassierte<br />

Teilnehmer erhält die wertvolle Coppa<br />

delle Venezie, dazu noch 5000 Lire. Als<br />

gewöhnliche Prämie für seine Erstklassierung<br />

in der entsprechenden Klasse<br />

werden dem Gewinner weitere 8000 Lire<br />

ausgerichtet. Der erste, zweite, dritte und<br />

vierte Sieger jeder Klasse erhält 8000,<br />

5000, 3000 und 2000 Lire als Preis. Eine<br />

Reihe von prächtigen Spezialprämien in<br />

Geld und Medaillen bereichern die grosse<br />

Prüfungsfahrt noch weiter. -oll-<br />

24-Stunden-Dauerrennen in Belgien. Wie wir<br />

nachträglich vernehmen, ist in unserem Bericht<br />

über das 24-Stunden-Rennen in Belgien ein Irrtum<br />

unterlaufen. Entgegen unserer Mitteilung musste<br />

der Rennfahrer Chiron auf Bugatti nicht infolge<br />

Magnetdefekt aufgeben, sondern seine erste Störung<br />

war das Reissen des Antriebriemens der Dynamo<br />

und in der Nacht musste er nicht ausscheiden,<br />

weil er im Leitungsnetz einen Kurzschluss hatte.<br />

Herr Chiron berichtet im Gegenteil, däss sein Scintilla-Magnet<br />

in jeder Beziehung einwandfrei funktioniert<br />

habe.<br />

Das Automobilunglück<br />

von St. Leonard.<br />

Der Pressedienst der Bundesbahnen sendet<br />

uns folgende Erwiderung auf unsern Artikel<br />

«Das Drama von St. Leonard vor Gericht»<br />

in Nr. 34 der «A.-R.» Wir werden auf<br />

die Auslassung der Bundesbahnen in einer<br />

nächsten Nummer eine Antwort bringen<br />

AUSKUNFT:<br />

Bei den Flugleitungen:<br />

sowie bei allen Reisebareaux.<br />

und hoffen, damit die Frage allseitig abge-<br />

klärt zu haben.<br />

Die Red. .;<br />

Durch den .verhängnisvollen Fehler eines Stat f<br />

tionsgehüfen ist die Vernichtung von fünf Mejpö*<br />

schenleben herbeigeführt worden. Der schuldige Beamte<br />

haltte sich vor Gericht nicht wegen fahrlässiger<br />

Tötung von 5 Personen zu verantworten, sondern<br />

nur wegen Eisenbahngefährdung. Dies deshalb,<br />

weil nach Walliser-Recht fahrlässige Tötung<br />

nicht Offizialdelikt ist und eine bezügliche Klage<br />

nicht vorlag. Dieser besonderen Prozejsslage mag<br />

das milde Urteil zum Teil zuzuschreiben sein. Es<br />

besteht nun nicht die Absicht, hier zum Urteil des<br />

Gerichtes von Sierie selbst Stellung zu nehmen,<br />

wohl aber ist der Auffassung entgegenzutreten, es<br />

sei der vom Stationsgehilfen Gaillard begangene<br />

Fehler eigentlich nur eine Folge fehlerhafter Vorkehrungen<br />

und Einrichtungen der Bahn Verwaltung.<br />

Vor dem Gericht in Sierre ist im besondern die<br />

Dienstorganisation der Station St. Leonard von der<br />

Verteidigung, von den von ihr angerufenen Entlastungszeugen<br />

und nicht zuletzt vom Staatsanwalt<br />

einer abschätzigen Kritik unterzogen worden, während<br />

der Verwaltung selbst leider keine Gelegenheit<br />

geboten war, die in vielen Punkten unrichtige Darstellung<br />

der tatsächlichen Verhältnisse richtigzustellen.<br />

Zunächst einiges über die Organisation des<br />

Dienstes auf der Station St. Leonard. Die Gesamtheit<br />

der Dienstleistungen des Personals dieser Station<br />

während eines Tages erfordert eine Arbeitszeit<br />

von 890 Minuten, d. h. es ist Arbeit für<br />

zwei Bahnbedienstete vorhanden. Auf ieden von<br />

beiden Beamten entfällt demnach eine Arbeitszeit<br />

von 445 Minuten, während nach dem Gesetz eine<br />

solche von 4-80, ja mit Rücksicht darauf, dass der<br />

Dienst auf dieser Station zu einem guten Teil blos.se<br />

Präsenz erfordert, sogar von 540 Minuten verlangt<br />

werden dürfte. Dementsprechend wird der Dienst<br />

auf der Station St. Leonard von zwei Beamten besorgt,<br />

nämlich vom Stationsvorstand und einem<br />

Bahnwärter, der auch Bureaudienst zu versehen<br />

hat. Diese beiden Beamten teilen sich in den Dienst,<br />

der von 4 Uhr 20 vormittags bis 23 Uhr 55 -abends<br />

dauert, mit Einschluss der Pausen, die der •Zugsverkehr<br />

gestattet. Jeder der beiden Bediensteten versieht<br />

den Dienst allein, ein Verfahren, wie es bei<br />

allen Stationen von geringer Bedeutung üblich ist.<br />

Der den Dienst allein besorgende Beamte mag zu<br />

gewissen Zeiten, wie dies übrigens überall vorkommt,<br />

ziemlich viel zu tun haben, doch kann von<br />

einer übermässigen Beanspruchung, zumal die Gesamtdauer<br />

seiner Arbeit nicht einmal die nach dem<br />

Gesetz zulässige Arbeitszeit erreicht, nicht die Rede<br />

sein. Zudem wird vorn 1. August bis 31. Oktober,<br />

d. h. während der Zeit des stärksten Verkehrs, der<br />

Station St. Leonard für die Werktage ein Stationsgehilfe<br />

zur Aushilfe zugeteilt.<br />

In den Pflichtenkreis der beiden Stationsbeamten<br />

fällt auch die ausschliessliche Bedienung der<br />

beiden Niveauübergänge Seite Gxanges-Lens und<br />

die teilweise Bedienung der Niveauübergänge Seite<br />

Sion. Letztere erfolgt vormittags von 4 Uhr 30 bis<br />

7 Uhr 20, d. h. bis zum Zeitpunkt, da die Bar-<br />

Tierenwärterin ihren Dienst aufnimmt, und von 11<br />

Uhr 25 bis 12 Uhr 20, d. h. in der Zeit, in. welcher<br />

die Barrierenwärterin ihr Mittagessen einnimmt.<br />

Während dieser beiden Zeitperioden wickelt sich<br />

der Dienst des 'Stationsbeamten in der denkbar einfachsten<br />

Weise ab, im besondern von 11 Uhr 25 bis<br />

12 Uhr 20, während welcher Zeit lediglich die beiden.<br />

Schnellzüge 40 und 35 verkehren, die in St.<br />

Leonard nicht anhalten. Bei ihrer Durchfahrt bejgjSjjsbränkt<br />

sich die Tätigkeit des diensttuenden ,Be-r<br />

Jamten auf ganz wenige, überaus einfache Verrieb-<br />

BaseiBirsfelden, Tel.S. 31.00<br />

undS. 31.83<br />

Genf-Cointrin, Tel. 21.505<br />

Zürich-Dübendorf,<br />

Tel. Dübendorf 21 a. 48<br />

99BALAIR U<br />

hingen, die im ganzen nur 10 Minuten Zeit fordern.<br />

Da sich die beiden Züge in einem Zeitabstand<br />

von nur 9 Minuten folgen, hat der Stätionsbeamte<br />

die Barrieren zumeist nur einmal zu bedienen, d. h.<br />

sie vor der Durchfahrt des Zuges 40 zu schliessen<br />

und nach der Durchfahrt des Zuges 35 wieder zu<br />

öffnen. Wäre es unter diesen Umständen vernünftig,<br />

während der Zeit, da die Barrierenwärterin ihr<br />

Mittagessen einnimmt, ihre Funktionen durch eine<br />

hiefür besonders zu bezahlende Stellvertreterin besorgen<br />

zu'lassen, während doch ganz in der Nähe<br />

ein Stationsbeamter zur Verfügung steht, der sich,<br />

ohne die Station verlassen zu müssen, ohne. jede<br />

Schwierigkeit mit der Bedienung der beiden Niveauübergänge<br />

befassen konnte. Hätten nicht die*<br />

jenigen, die heute diese Dienstorganisation bemängeln,<br />

den S.B.B. Verschleuderung von Bundesgeldern<br />

und mangelhafte Dienstorganisation vorgeworfen,<br />

^enn sie vor dem Unfall eine Barrierenwärterin<br />

und gleichzeitig auf der Station, also ganz<br />

in der Nähe, einen Stationsbeamten •wahrgenommen<br />

hätten, der nach Vornahme einiger einfacher<br />

Dienstverrichtungen mit gekreuzten Armen die<br />

Durchfahrt der beiden Schnellzüge abwartete. Ist<br />

es richtig, wegen eines von einem Stationsbeamtem<br />

begangenen Fehlers eine wirtschaftlich begründete<br />

Dienstorganisation zu verurteilen ? Es liesse sich<br />

schlechterdings kein Betrieb einrichten, keine<br />

Dienstorganisation aufstellen, wenn dabei adle<br />

denkbar möglichen dienstlichen Verstösse und Vergesslichkeiten<br />

des Personals berücksichtigt werden<br />

müssten. Wohl ist es richtig, dass bei der Unvollkommenheit<br />

der menschlichen Natur Vergesslichkeiten<br />

immer wieder vorkommen werden. Im Eisenbahnbetrieb<br />

können sie jedoch nicht straflos bleiben,<br />

vielmehr muss derjenige, der sich eine solche zu<br />

Schulden kommen lässt, als fehlbar betrachtet werden.<br />

Die Verantwortlichkeit des Eisenbahners für<br />

sein Tun und Lassen ist nun einmal ein seinem<br />

Berufe anhaftendes besonderes Merkmal.<br />

In St. Leonard ist, wie anderswo, die für die<br />

Barrierenbedienung erforderliche Zeit in der oben<br />

erwähnten Arbeitszeit von 890 Minuten eingeschlossen.<br />

Als diese Organisation in St. Leonard eingeführt<br />

wurde, ist dem damaligen StationsvorstanÄ<br />

nachgewiesen worden, dass es durchaus möglich ist,<br />

in den fünf Minuten für Züge ohne Anhalt und in<br />

den 8 Minuten für Züge mit Anhalt, wie sie bei der<br />

Bemessung der Arbeitszeit vorgesehen sind, die Barrieren<br />

ordnungsgemäss zu bedienen. Wenn die vom<br />

Untersuchungsrichter als Zeugen einvernommenen<br />

Bahnbeamten aussagten, es sei gefährlich, den<br />

Dienst durch einen einzigen Beamten besorgen zu<br />

lassen, so ist hierzu zu bemerken, dass es den betreffenden<br />

Beamten eben offenbar bequemer erscheint,<br />

bei den Dienstveirichtungen einen zweiten<br />

Beamten neben sich zu haben. Tatsache ist indessen,<br />

dass es dann, wenn ein Dienst, der sehr wohl<br />

von einem einzigen Beamten bewältigt werden<br />

könnte, von zweien besorgt wird, mit der Betriebssicherheit<br />

nicht am besten steht, da eben dann der<br />

eine Beamte auf den andern vertraut und es leicht<br />

vorkommen kann, dass die in Frage kommenden<br />

Dienstverrichtungen von keinem der beiden besorgt<br />

werden.<br />

Von 9 Uhr 30 an wird in St. Leonard der Dienst<br />

an Sonntagen — der Unglückstag war ein Sonntag<br />

— durch einen von Sitten kommenden Stationsgehilfen<br />

stellvertretungsweise besorgt. Es verkehren<br />

an Sonntagen nur 20 Züge, wovon 10 durchfahrende<br />

und 10 mit Halt in St. Leonard.<br />

Die Diensteinteilüng der Station St. Leonard ist<br />

im Bureau des Stationsvorstandes angeschlagen.<br />

Unter derselben ist die Diensteinteilung notiert, die<br />

sich auf die Bedienung der Barrieren Seite Sion<br />

bezieht, soweit sie der Station obliegt. Ueberdies<br />

ist auf dem Stellwerka-pparat eine rote Tafel angebracht,<br />

auf der in grossen Buchstaben das Wort<br />

«Barrieren» steht, das den diensttuenden Beamten<br />

an diese Dienstobliegenheit erinnert. Ein mehreres<br />

hätte nicht wohl getan werden können. Es ist ganz<br />

unrichtig, das Gericht habe arilässlich seines Augenscheins<br />

auf der Station St. Leonard keine die Barrierenbedienung<br />

betreffenden Anschläge vorgefunden..<br />

Diese Anschläge sind ihm im Gegenteil gezeigt<br />

worden.<br />

Dienstleistungen, die von der gewöhnlichen<br />

Dienstordnung abweichen, sind im Eisenbahnbetrieb<br />

nichts Aussergewöhnliches; sie kommen z. B. vor<br />

bei Zügen, die nur an bestimmten Tagen in der<br />

Woche verkehren. Diese von der Regel abweichende<br />

Tätigkeit gehört mit zu den Schwierigkeiten, die den<br />

Beruf des Eisenbahners kennzeichnen; das Personal<br />

hat gerade diesen Ausnahmen seine besondere Aufmerksamkeit<br />

zu schenken. Es gibt, abgesehen von<br />

der Unterlassung der Schliessung der Barrieren,<br />

noch sehr viele Vergesslichkeiten, die viel schwerere<br />

Folgen haben können.<br />

Hervorzuheben ist, dass sich der Stationsgehiöe<br />

Gaillard die folgenschwere Vergesslichkeit in einem<br />

Zeitpunkt zuschulden kommen Hess, als er wenig<br />

beschäftigt war und ihn nichts ablenken konnte, da<br />

sich zu jener Zeit kein einziger Reisender auf der<br />

Station befand. Er konnte daher seine Aufmerksamkeit<br />

voll und ganz den wenigen zu besorgenden<br />

Verrichtungen zuwenden.<br />

Die Bedürfnisse des Dienstes bringen es mit sich,<br />

dass die ambulanten Stationsgehilfen Vertretungen<br />

auf verschiedenen Stationen zu besorgen haben. Sie<br />

müssen daher die Einzelheiten und Besonderheiten<br />

derselben genau kennen. Es bringt diese Alt Dienst<br />

aber keine grösseren Schwierigkeiten mit sich, als<br />

sie sich z. B. dem Lokomotivführer bieten, der ja<br />

auch die Strecken und Stationen, die er befahrt, in<br />

allen Einzelheiten kennen muss. Jeder Dienst hat<br />

eben seine Schwierigkeiten, deren sich der Beamte<br />

fortwährend bewusst sein muss. Dieses vollständige<br />

Vertrautsein mit alten Dienstobliegenheiten ist aber<br />

leider nicht jedem gegeben. Der Umstand, dass der<br />

Gehilfe Gaillard seit einem Monat auf der Station<br />

St. Leonard keine Stellvertretung mehr besorgt hatte,<br />

verpflichtete ihn um so mehr, sich die Einzelheiten<br />

dieser Station vor Augen zu halten. Die Bedienung<br />

im besondern der Barrieren musste ihm die bereits<br />

erwähnte rote Tafel mit der Aufschrift «BaTrieren»<br />

in Erinnerung rufen. Gaillard hat denn auch nicht<br />

bestritten, dass er wusste, was er zu tun hatte ;und<br />

er das Opfer seiner Vergesslichkeit war.<br />

Vor dem Gericht in Sierre ist auch die Tatsache<br />

kritisiert worden, dass die 4 Barrierenpaare in St.<br />

Leonard durch 4 verschiedene Kurbeln bedient werden,<br />

statt durch eine einzige. Hiezu ist zu bemerken,<br />

dass die Bedienung durch eine einzige Kurbel<br />

sehr mühsam und überdies mit Gefahren verbunden<br />

wäre. Der jetzige Zustand entspricht auch den jeweiligen<br />

Bedürfnissen des Dienstes besser.<br />

Es ist zu betonen, dass die Schweizerischen<br />

Bundesbahnen seit dem Jahre 1913 nicht weniger<br />

als 553 NiveauübeTgänge beseitigt und hiefür im<br />

ganzen etwa 90 Millionen Franken aufgewendet haben.<br />

Von einer sofortigen gleichzeitigen Beseitigung<br />

kann dagegen im Hinblick auf die grossen Kosten,<br />

die der gesamten für den Rückkauf der Bahnen<br />

bezahlten Entschädigung gleichkommen, nicht die<br />

Rede sein.

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