E_1931_Zeitung_Nr.052
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N°52 - <strong>1931</strong> AUTOMOBIL-REVUE<br />
Sportnachrieht3sa<br />
Das Gurnigel-Rennen<br />
Trotz der Ungunst der Witterung bietet das Rennen hervorragenden Sport. — Hans<br />
Staber, Bugatti, neuerdings Tagessieger und beste Zeit der Rennwagen. — Dr. J. Karrer,<br />
Bugattl, fährt beste SportwagenzeJt. — Scheibler, Chrysler, und Keller, Alfa Romeo, teilen<br />
sich fn den Sieg bei den Tourenwagen. — Bei tadelloser Organisation und einem Besuch<br />
von 8000 Zuschauern erlebt der Gurnigel einen neuen, grossen Erfolg.<br />
Vom Training.<br />
Gurnigel, den 20. Juni <strong>1931</strong>.<br />
Das Gurnigel-iHotel hat wieder einmal<br />
Rennbesuch! Wer es nicht sehen sollte, der<br />
hört es auf alle Fälle, wenn die Motoren bei<br />
der letzten Kontrolle in der Boxe oder auf<br />
der Strecke ihre vielfach widerhallende<br />
Symphonie durch die nahen Wälder, den<br />
Felswänden empor ertönen lassen. Früher<br />
als sonst stellen sich die ersten Fahrergäste<br />
samt Gefolge ein. Den Organisatoren ist es<br />
gelungen, sechs ausländische Fahrer von<br />
Ruf, die* drei Nachbarnationen vertreten, für<br />
das Rennen zu interessieren, zu denen sich<br />
noch, der heimattreue Schweizer Caf lisch aus<br />
Neapel gesellt. Ihnen allen ist der Gurnigel<br />
neu und sie gedenken mit Recht, möglichst<br />
frühzeitig freundschaftliche Bekanntschaft<br />
mit der Strecke zu schliessen, die sich mit<br />
Ihren zahlreichen und heiklen Kurven in eine<br />
mehr als spröde, beinahe gefährliche Reserve<br />
hüllt Zu ihnen gesellt sich bald ein Trupp<br />
schweizerischer Fahrer und so liegt über<br />
dem Gurnigelgebiet wieder einmal die erwartungsvolle<br />
Atmosphäre der Renntage.<br />
Mit 43 Namen,» einer Rekordzahl, schliesst<br />
die Nennliste ab, wobei alle drei Kategorien<br />
stattlich beschickt sind. Nationale und internationale,<br />
Zivil- und Militärfahrer, haben in<br />
erfreulicher Zahl der Einladung des A. C. S.<br />
Bern Folge geleistet, dessen Sportkommission<br />
unter der zielbewussten Leitung ihres<br />
Präsidenten, Herr Huber, auf die eifrige<br />
Mitarbeit von über 50 Mitgliedern bauen<br />
kann, damit die Veranstaltung nicht nur guter<br />
Tradition treu bleibe, sondern sie wenn<br />
möglich noch übertreffe.<br />
Gleich der erste Trainingstag zeitigt Resultate,<br />
die alle Erwartungen übersteigen<br />
•und wenn sich auch in- und ausländische<br />
Fahrer im Urteil einig sind, dass der Gurnigel<br />
wegen seiner Eigenheiten nur mit Vorsicht<br />
zu geniessen sei, so werden doch alsbald<br />
die bestehenden Bestzeiten samt und<br />
sonders überratmt. Freilich, das Rennen 1929<br />
hatte unter bedenklichen Witterungsbedingungen<br />
stattgefunden, weshalb man füglich<br />
bei schönem Wetter sportliche Fortschritte<br />
erwarten darf, aber die Strecke lässt sich<br />
auch Sekunden nur schwer abringen. Für<br />
neue Tagesrekorde stehen Stuck und Stuber<br />
im Vordergrund des Interesses. Ihre Zeiten<br />
werden gewissenhaft und für alle Streckenabschnitte<br />
von eifrigen Aamateurchronometrenren<br />
dutzendfach festgehalten und verständnisvoll<br />
tauscht man sein Zahlenmaterial<br />
ans. Aber auch im übrigen Lager hat man<br />
sich mit Verve, der die ausländische Beteiligung<br />
einen tüchtigen Schuss Pfeffer mitgibt,<br />
auf das Training verlegt. Es gilt als abgemacht,<br />
dass die Chronisten über nichts anderes<br />
als über neue Rekorde aller Schattierungen<br />
zu berichten hätten. Bei strahlendem<br />
Himmel und fast ungemütlicher Hitze<br />
gehen die beiden Vortage dahin. Die Strasse<br />
ist so ausgedörrt, dass jeder Fahrer eine<br />
lange Staubfahne hinter sich her zieht und<br />
eine kleine Abkühlung samt staubbindendem<br />
Himmelsguss scheint recht begehrenswert.<br />
Dem Barometer wird ursprünglich wenig<br />
Ehre ansretan: es kommt nur schönes Wetter<br />
in Frage! Als aber am Samstag abend der<br />
Wind abdreht und die Temperatur stetig<br />
sinkt, da häufen sich die Besuche vor dem<br />
Wetterglas, das vorsichtig beklopft wird und<br />
die Hoffnungen für den Sonntag bestätigen<br />
soll. So verdichten sich am Vorabend die<br />
Wettersorgen, zu denen sich noch der Stimmungsdämpfer<br />
eines Trainingsunfalles gesellt,<br />
der dem sympathischen P. Kessler zugestossen<br />
ist. Infolge Pneudefekt in einer<br />
Kurve wurde der Wagen aus der Bahn über<br />
ein Bord hinausgeschleudert, wo er nach<br />
mehrmaligem Ueberschlag, die Räder nach<br />
oben, an einer Tanne hängen blieb und in<br />
Brand geriet. Mit grosser Geistesgegenwart<br />
und doch mit knapper Not konnte sich der<br />
Fahrer aus dem Sitz herausarbeiten und kam<br />
glücklicherweise mit erstaunlich unbedeutenden<br />
Schürfungen davon, während die Maschine<br />
ein hoffnungsloser Raub der Flammen<br />
wurde, trotzdem sich insbesondere die<br />
Polizeimannschaft mit grösster Tapferkeit<br />
für die Löscharbeiten einsetzte.<br />
Der gesellige Abend, unter der geschickten<br />
Regie des akkreditierten Maitre de PlaisiT,<br />
Herr Dr. Perlet, vermochte dann glücklicherweise<br />
die Wolken grösstenteils zu verscheuchen.<br />
Wir nehmen an, dass die fröhliche<br />
Gesellschaft es besonders deshalb in der<br />
Bar solange aushielt, um die sehnlichst erwartete<br />
Witterungsstabilisation noch erleben<br />
und als bestes Schlafmittel für die wenigen<br />
verbleibenden<br />
können !<br />
Ruhestunden mitnehmen zu<br />
Das Rennen.<br />
nisation, die man hier gewohnt ist und ebenfalls<br />
wieder erwarten durfte; auch der<br />
Telephondienst war wieder gewohnt gut eingerichtet.<br />
So vergingen die ersten Morgenstunden,<br />
man suchte sich ein trockenes Plätzchen, ergab<br />
sich ins unvermeidliche Schicksal des<br />
tropfenden Unglücks und erwachte erst aus<br />
dumpfen Träumereien, als weit im Tale unten<br />
geheimnisvoll ein Boschhorn aufheulte.<br />
* • •<br />
Wer irgendwie an der Organisation beteiligt<br />
gewesen war und seit Wochen auf den<br />
grossen Tag hin redlich mitgearbeitet hatte,<br />
der konnte auch als guter Christ kaum einen<br />
Fluch verwinden, als der Sonntag mit so trüben<br />
Aussichten anhub. Dass damit die berechtigten<br />
Hoffnungen auf neue sportliche<br />
Spitzenleistungen gleichzeitig ins Wasser<br />
fielen, war jedem klar, der sich mit seinem<br />
Wagen abmühte, in vorsichtigem Tempo<br />
irgendeinen besonders interessanten Abschnitt<br />
der Strecke oder gar das Ziel zu erreichen.<br />
Die Strasse glich einer schmutzigen<br />
Teigpaste, und es war fast ein Rätsel,<br />
wie sich die Fahrer aus der Affäre ziehen<br />
könnten.<br />
Von den zur Abnahme am Samstag erschienenen<br />
42 Wagen entfielen laut Nennliste<br />
22 auf die Tourenwagenkategorie. Nach<br />
einigen durch die technische Kommission<br />
veranlassten «Versetzungen», wovon aber<br />
diejenige von Scheibler auf Chrysler und<br />
erzielte, hat es auch, seitdem er c unter die<br />
Experten ging >, an nichts fehlen lassen und<br />
wartete auch diesmal wieder mit einer neuen<br />
Bestzeit auf. Mit 10.40.8 unterbot er den<br />
bestehenden Tourenwagenrekord um mehr<br />
als 7 Sekunden, was am Sonntag allerhand<br />
heissen wollte. Das «ungeteilte Glück»<br />
wurde ihm aber nicht zuteil, denn Scheibler,<br />
der erstmals den Chrysler führte, den<br />
Zwimpfer vergangenes Jahr erfolgreich für<br />
die Meisterschaft fuhr, stellte sich mit der<br />
nämlichen Zeit ein und beanspruchte damit<br />
seinen redlichen Teil an den Lorbeeren.<br />
JDer Lausanraer Hirt hatte derart mit Vergaserstörungen<br />
zu kämpfen, dass er auf halber<br />
Strecke zum Anhalten gezwungen war<br />
und schon ans Aufgeben dachte. Er Hess sich<br />
aber erfreulicherweise nicht unterkriegen<br />
und ertrotzte sich das Ziel, wenn auch unter<br />
beträchtlichen Schwierigkeiten. Zu seinem<br />
eigenen Leidwesen behinderte er gleichzeitig<br />
Lt. Kleiner, der auf seinem Alfa rasch<br />
nachrückte und nur der kritischen Strassenverhältnisse<br />
wegen ein Vorfahren keinesfalls<br />
wagen durfte. Er musste sich so dem<br />
verlangsamten Tempo seines Vormannes auf<br />
längere Strecke sehr wider seinen Willen<br />
anschliessen. Im übrigen wurde sein Programm<br />
nochmals durchkreuzt, als er aus der<br />
Tourenwagenkategorie zu den Sportwagen<br />
zurückversetzt wurde und zu allem Pech<br />
trotzdem mit Ballast gefahren war. «Netlochs»,<br />
der sein Inkognito nicht gelüftet zu<br />
. •.,;. ^•MBjMK'JWIP •. * •<br />
Es ist wohl eine unverzeihliche und leicht- , *„ - • - • • •; - \., ~^PP^^/,\. •„-<br />
sinnige journalistische Haltung, einen Renn- " •- . •;* \.^ '^^iM^SW^^^^^M^- j<br />
bericht mit dem traditionellen Wetter zu be- , - -";,>•• l- T??. .-f^^k' : -'V-^*Sfe 1<br />
ginnen... ' " „ "*-'.- .,"*•'- "\ -„ " * "" '* ' ^W* 1<br />
Zeichen mangelnder Ideen? Vielleicht? .. " "**" ***-*-•-—- -' —'• i ~ : ^a—'<br />
Trotzdem — die Erinnerung an den-feucht,,,., Stuher auf Bugatti. der Tagesaiegex. fahrt im Nebel äaroh die oberste Kurve vor dem Ziel,<br />
kühlen Morgen über der Stadt Bern, das<br />
(Photo Auto-Revue.)<br />
fuf d?cken N i\t\r S^? n e Min wSirSHSf<br />
KWner wI AIfa Romeo * eder **8«iigl* ^aben wünscht, obwohl es für äc ««ästen<br />
Tnk&e^^th^ZZf^<br />
gemacht wurden, erschienen 19 Mann am Start, ein offenes Geheimnis ist, setzte sich auf<br />
strerkf rf.n S^enschmutz auf der * enn - f Bei den Sportwagen stellten sich 12 Konkur- Lancia in rassiger Fahrt an die Spitze sei-<br />
Ä Ä rr^^Slw/ renten d€m Starter und neun R^nmaschinen ner Klasse, dicht gefolgt von der einen der<br />
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S bildeten d€n Sdlluss der Serie - « Nennun - **iden Amazonen, Frau Dold. Sie steuerte<br />
EJrTlr!!tn n , A gen, 40 Konkurrenten am Start und 40 Fah- mit erstaunlicher Forschheit ihren Bugatti<br />
rer am Ziel und dazu bei<br />
Zechen unter £ m TwilifSS l 2"<br />
vorerwähnten über die Strecke und begoss dann die müh-<br />
Rennstrecke eiiÄte V^. I £ der sich , a ^ ^ hinein al/ ebenso<br />
begann seine üurmgelfahrt. offnetf die dieses Attribut weniger durch ihTe gewiegter Motorradrennfahrer auszeichnet.<br />
Des Wetters ungeachtet drängte sich über- äusseren Masse, als durch die Kleinheit ihres Die übrigen Wagen folgten sich in kurzen<br />
all, unter Bäumen, in Tüchern verpackt, Pu- Kraftantriebes verdienen. Die dabei von bei- Zeitabständen und legten durchwegs Ehre<br />
blikum, an den Kurven wuchs es dick an den den Fahrern erzielten Zeiten stellen diesen für ihre Marken ein, besonders, wenn sie<br />
r-elsblocken und Halden empor und in den englischen Neuankömmlingen am Gurnigel noch, wie der Hurriber von Schmid oder der<br />
Autos drängten sich fröstelnde Gestalten, ein flottes Zeugnis aus. A. Keller, der letztes Willys von Plattner, als Limousine karos-<br />
Boschhorne erinnerten an die tadellose Orga- Mal die beste Katesroriezeit eines Amateurs siert waren.