E_1931_Zeitung_Nr.064
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WO 64 — <strong>1931</strong> ÄÜTÜM'ÜBTL-PEVÖ» 15<br />
s»<br />
Intern. Alpenfahrt.<br />
(Von unserm b.-Berichterstatter.)<br />
3. Etappe.<br />
Turin, Sonntag abend 2. August.<br />
Mit 55 Konkurrenten, worunter fünf Teams,<br />
ging es heute morgen von St. Moritz weg auf<br />
die zweitlängste Etappe der Fahrt. Wenn sie<br />
mit 467,7 km mehr in die Länge ging, so<br />
fehlte entschieden die Höhe, denn weder der<br />
Ceneri noch der Anstieg nach S. Maria Maggiore<br />
oder Mosso S. Maria brachten nennenswerte<br />
Höhendifferenzen, vom «Pass»<br />
della Serra, dessen Scheitel auf 573 m liegt,<br />
gar nicht zu reden. Dafür mangelte es aber<br />
keineswegs an Abwechslung im Strassenbild,<br />
denn der Weg führte nicht nur über Wege<br />
aller Schattierungen und Güte, sondern es<br />
häuften sich auf gewissen Teilstücken auch<br />
die Kurven geradezu im Ueberfluss.<br />
Nachdem wir es gestern mit der Spitze<br />
hielten, entschlossen wir uns, zur Abwechslung<br />
der Gruppe der kleinsten Wagen zu folgen<br />
und pendelten so immer zwischen dem<br />
letzten halben Dutzend Konkurrenten hin und<br />
her. Wir hatten uns allerdings getäuscht,<br />
wenn wir glaubten, zu einer Spazierfahrt gestartet<br />
zu sein, weil den kleineren Kalibern ein<br />
geringerer Durchschnitt zugedacht ist. Es<br />
braucht immer noch gutes Tempo, um eine<br />
Minimalgeschwindigkeit von 33 km bei über<br />
12 Stunden Fahrtdauer herauszuwirtschaften.<br />
Erst wer die Probe aufs Exempel gemacht<br />
hat, wird sich durch diese scheinbar sehr<br />
bescheidene Zahl nicht mehr täuschen lassen.<br />
Es ist damit nicht gesagt, dass wir etwa Mühe<br />
gehabt hätten bei der Kolonne zu bleiben,<br />
aber man spüre des Abends doch die 450 km<br />
in seinen Knochen.<br />
Die morgendliche Fahrt durch das Bergell<br />
war ein Genuss und frischte die Lebensgeister<br />
wieder auf, dieweil in den verschiedenen<br />
Kurorten die sesshaftesten Eidgenossen<br />
gerade mit übernächtigten Gesichtern,<br />
ihren Penaten zuzogen, um den 1. August<br />
endgültig zu beschliessen, resp. zu beschlafen.<br />
Die Uferstrasse dem Comersee entlang<br />
ist äusserst gewunden und erheischte andauernde<br />
Aufmerksamkeit der Fahrer. Dies um<br />
so mehr, als auf dieser Route der entgegengesetzte<br />
Verkehr nicht eingeschränkt worden<br />
war und die sonntäglichen Ausflügler und<br />
hauptsächlich im Renntempo davonziehende<br />
Radfahrerkolonnen liessen nur wenig Raum<br />
für die Passage. Wo der Weg auch durchführte,<br />
immer war er von zahlreichen Neugierigen<br />
gesäumt, die es sich nicht verdflessen<br />
liessen, so lange auszuharren, bis auch<br />
der Schlusswagen sie passiert hatte. Mit<br />
<strong>Zeitung</strong>sausschnitten bewaffnet, welche wohl<br />
über die Konkurrenten und die Aufgabe<br />
orientierten, oder eifrig die Nummern der<br />
Wagen notierend, liessen sie die Kolonne<br />
an sich vorüberziehen. Freilich ging es auf<br />
BERN<br />
Belpstrasse 24<br />
italienischem Boden immer lebhafter zu.<br />
Ganze Dorfschaften hatten sich an Kurven<br />
oder längs der Dorfstrasse aufgestellt, um<br />
diese einzigartige Prozession zu beobachten.<br />
An lebhaften Zurufen, freundlichen Qrüssen<br />
und lauten Beifallsbezeugungen fehlte es nirgends<br />
und man fühlte es während der ganzen<br />
Zeit, dass jedermann mit Herz und Seele<br />
dabei war und nur allzugerne die Dinge noch<br />
über den eigenen Gesichtskreis hinaus verfolgt<br />
hätte.<br />
Die Kopfgruppe, welche wiederum von<br />
Delmar und dem Engländer Healey geführt<br />
war, legte ziemlich geschlossen ordentlich<br />
Tempo vor und überall, wo wir uns erkundigten<br />
erhielten wir den nämlichen Bescheid,<br />
dass die Ersten schon vor mehr als einer<br />
Stunde den Ort passiert hätten.<br />
Auf der ganzen Fahrt hielten wir Ausschau<br />
nach Wagen, die wegen Panne etwa im Rückstand<br />
geblieben wären. Während gestern verschiedentlich<br />
Konkurrenten anhalten mussten<br />
und manches Fahrzeug .zeitweise den Wegrand<br />
säumte, so gab es heute kaum einen unprogrammässigen<br />
Aufenthalt. Einzig der von<br />
A. Faure geführte Hotchkiss blieb auf der<br />
Strecke und holte sich durch die Verspätung<br />
bei einer Reparatur ein ganzes Schock Strafpunkte,<br />
so dass sein Konto nach dieser Etappe<br />
am schwersten belastet ist. Dagegen sammelten<br />
sich kurz vor der Stadt Turin wieder grössere<br />
Gruppen von Konkurrenten, welche<br />
wiederum, wie in der ersten Etappe, einen beträchtlichen<br />
Zeitüberschuss herausgefahren<br />
hatten und nun eine Ruhepause einschalten<br />
mussten, um doch fahrplanmässig am Ziel einzulaufen.<br />
Das Wetter, dem wir absichtlich in unseren<br />
bisherigen Berichten keine besonderen Reverenzen<br />
erwiesen, um nicht dessen Launen heraufzubeschwören,<br />
hat sich nun doch gewendet<br />
und den Sonntag gründlich verregnet. Nach<br />
etwa drei Stunden Fahrt setzte langsam Regen<br />
ein, der bis zum Wolkenbruch anschwoll und<br />
endlich am frühen Nachmittag, zur Einfahrt<br />
in Turin, wieder schwächer wurde. Die Strasse<br />
von Gozzano an gegen Mosso S. Maria hinauf<br />
und darüber hinaus bis Ivrea Hess ganz bedeutend<br />
zu wünschen übrig und wurde durch<br />
den Regen natürlich in einen noch lamentableren<br />
Zustand versetzt. Es bedurfte grösster<br />
Vorsicht beim Befahren der Kurven, um<br />
nicht auf dem lehmigen, aufgeweichten Boden<br />
ins gefährliche Schleudern zu geraten. Dann<br />
setzten auch Schlaglöcher ohne Zahl den<br />
Fahrzeugen ziemlich hart zu. Es wurde geradezu<br />
als Erlösung empfunden, als endlich<br />
etwa 50 km vor dem Etappenort breite, mit<br />
modernen Belägen versehene Routen die vorherigen<br />
Wege ablösten. Kilometerweise zieht<br />
sich dann eine vorzügliche Strasse gleich einer<br />
Rennstrecke gegen Turin, deren Benützung<br />
für die vorherige Schüttelkur tüchtig entschädigte<br />
und einen angenehmen Auslauf ermöglichte.<br />
Der erste Empfang durch den hiesigen A. C.<br />
war sehr herzlich und überall begegnete man<br />
grösster Hilfsbereitschaft und Liebenswürdigkeit.<br />
Dem Aperitif, der nach der langen Fahrt<br />
die Lebensgeister wieder aufmunterte, folgte<br />
ein besonderer Presseempfang, sowie ein vom<br />
Club offeriertes Bankett, das einen glänzenden<br />
Verlauf nahm.<br />
Was die Wertung der Etappe für die noch<br />
verbleibenden 55 Konkurrenten anbetrifft, so<br />
wird sie gegenüber gestern kaum nennenswerte<br />
Aenderungen gebracht haben. Wir<br />
müssen uns in dieser Beziehung immer etwas<br />
in Prophezeiungen äussern, da die getfauen<br />
Angaben zufolge der notwendigen, ziemlich<br />
zeitraubenden Ausrechnung immer erst in späterer<br />
Abendstunde bekannt gemacht werden<br />
können, wenn unsere Fahrberichte bereits der<br />
Post übergeben worden sind.<br />
Zu den nachfolgenden Etappenresultaten<br />
ist noch folgendes beizufügen: Wie zu erwarten<br />
war, konnten die Kontrollorgane<br />
heute sehr haushälterisch mit Strafpunkten<br />
umgehen. Nur vier Fahrer mussten sich Penalisationen<br />
gefallen lassen, worunter allerdings<br />
ein Konkurrent, der gestern noch strafpunktfrei<br />
war, so dass sich die Zahl der Teilnehmer<br />
mit keiner Punkteinbusse auf 14 reduziert.<br />
Bemerkenswert ist, dass drei Hanomag-Fahrer,<br />
die aber nicht als Team gestartet<br />
sind, sich durch drei Etappen strafpunktfrei<br />
halten konnten. Was die fünf verbleibenden<br />
Teams anbetrifft, so ist die Wanderer-<br />
Mannschaft mit 9 Punkten immer noch an<br />
erster Stelle, gefolgt von Praga-Alfa mit<br />
28 Punkten. b.<br />
Liste der Strafpunkte<br />
nach der dritten Etappe.<br />
Start-Nr. ' Die 3 Etappen<br />
I. Gruppe<br />
5 Healey 0<br />
9 Delmar 0<br />
10 Dr. Kunheim 11<br />
Auto-Electric-Servke<br />
c.<br />
Gutenbergstrass«<br />
Reparatur- ^GIHL*^ Accumulatoren-<br />
Werkstätten te&m^ Ladestation<br />
11 von Bitzy 0<br />
12 Sintenis 11'<br />
13 Sprenger-van Eyk 7<br />
14 Faure-Durif %<br />
II. Gruppe<br />
15 Graumüller i<br />