E_1938_Zeitung_Nr.066
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66 — DIENSTAG, W. Xngnsi <strong>1938</strong> AUTOMOBIL-REVUE 21<br />
schnellen Boliden zeigen, dass er eohon recht viel<br />
kann. Mit dem Engländer Seaman, dem jetzt mit<br />
dem Grossen Preis von Deutschland <strong>1938</strong> der groase<br />
Wurf gelang, ist er der schnellste Nachwuchsfahrer<br />
des erfolgreichen deutschen Rennstalles. Sechs<br />
Rennen fährt er unter dem Dreizackstern, sichert<br />
sich den 4. Platz im Grossen Preis von Belgien,<br />
den der Auto-Union-Mann Hasse ge\rinnt, wird<br />
sechster im Grossen Preis von Deutschland, wird<br />
dritter im Grand Prix von Monaco, diesem schwersten<br />
Rennen der Welt, plaziert sich ehrenvoll im<br />
Grossen Preis der Schweiz. Und als das Jahr<br />
herum ist, sieht sich der junge Christian Kautz<br />
auf dem dritten Platz der Europa-Meisterschaft<br />
Aber wie kommt man weiter? Da eind die drei<br />
jrossen Asse, die unverändert an erster Stelle<br />
eingesetzt werden: Caracciola, v. Brauchitsch, Hermann<br />
Lang. Da sind, ausser ihm selbst, noch Seaman,<br />
Bäumer, Brendel, Bauer, sie alle ehrgeizige<br />
Nachwuchsfahrer, die sich um die wenigen Wagen<br />
drängen, die «die Grossen> frei lassen. Die Aufmerksamkeit<br />
des tatendurstigen Oxfordere richtet<br />
sich auf das Rennlager Zwickau, in dem die Auto-<br />
Union Mannschaftssorgen hat. Der geniale Rosemeyer<br />
ist nicht mehr, — nach dem Tod von<br />
v. Delius ein doppelt schwerer Verlust und an<br />
Stucks «come back» denkt damals noch niemand.<br />
Das Fehlen dieser Könner zwingt den sächsischen<br />
Rennstall, eine Mannschaft ganz aus Nachwuchsfahrern<br />
zusammenzustellen. Sind da die Chancen<br />
nicht viel gröseer als in dem mit so vielen erprobten<br />
Favoriten besetzten Untertürkheimer Team?<br />
Kautz geht zur Auto-Union. Trainiert, lernt, trainiert.<br />
Die Wagen sind noch nicht ganz fertig. Motorisch<br />
sind die 12-Zylinder-Kompressor-Boliden<br />
reif, aber mit der Strassen- und Kurvenlage scheint<br />
man noch nicht ganz zu Rande gekommen zu sein.<br />
Im ersten von der Auto-Union beschickten Rennen<br />
Aufmerksame Leser der «Automobil-Revue»<br />
(wir hoffen, es gibt deren recht viele) werden<br />
sich wohl noch unserer Artikel erinnern, die<br />
wir vor genau einem Jahr (siehe Nr. 66 vom<br />
17, VIII 37) der neuen Rennformel widmeten.<br />
Wir erörterten damals die Formel selbst und<br />
die Möglichkeiten, die sie dem Konstrukteur<br />
öffnen sollte, und stellten dabei den kommenden<br />
Rennen eine ausserordentlich günstige<br />
Prognose, wobei wir die Zahl der Marken,<br />
die, durch die neue Rennformel angeregt, sich<br />
wieder dem Rennsport zuwenden würden, auf<br />
fast ein Dutzend schätzten — eine Vorhersage,<br />
die, wie heute feststeht, vorbeigeglückt war.<br />
Anscheinend hatten es seinerzeit in Paris die<br />
Vertreter einzelner Länder in der Internationalen<br />
Sportkommission doch mehr darauf<br />
abgesehen,, die deutsche Ueberlegenheit zu<br />
dieser Saison, Oem französischen Grand Prix, zeigt<br />
sich das evident Müller, der Meister des Motorrades,<br />
zukunftsreicher Nachwuchs, fliegt im Training<br />
aus der Bahn und verletzt eich empfindlich.<br />
Hasse, der im Vorjahr schon einen Grand Prix gewonnen<br />
hat, rutscht und knallt den kostbaren<br />
Wagen an einen Stein, bleibt aber selbst fahrfähig.<br />
So kann die Auto-Union nur mit rwei Wagen in<br />
das Rennen gehen. Ein bitterechwerer Start. Hasse,<br />
vom Training her noch angeknockt, steuert den<br />
einen Sachsenwagen, den anderen — Christian<br />
Kautz. Er allein ist frisch; siegeshungrif? fährt er<br />
los. Und kommt schon aus der ersten Runde nicht<br />
mehr zurück. Ihn, wie seinen Stallgefährten Hasse<br />
hat es gleich zu Beginn erwischt. Die Wagen<br />
schleuderten, rutschten, kamen von der Bahn ab,<br />
gegen Hindernisse. Mit angeschlagenem Rad steuert<br />
Kautz langsam die Ersatzteilbox seines Stalles an,<br />
steigt mit todtraurigem Gesicht aus —, der Traum<br />
dieses Rennens ist zu Ende.<br />
Und ein Unglück kommt selten allein. Die Auto-<br />
Union will ihre noch nicht ausreichenden Chancen<br />
mit allen Mitteln sichern, holt grosse Fahrer von<br />
früher wieder heran. Chiron dreht Trainingsrunden,<br />
Nuvolari setzt sich in den Heckmotorwagen,<br />
Hans Stuck jst wieder gross da..., der noch nicht<br />
genügend erprobte Nachwuchs muss vorläufig zusehen.<br />
So steht Kautz mit melancholischer Miene<br />
daneben, und in seinen Ohren schmerzt das Kompressorenreheul<br />
der Maschinen, die er nicht selbst<br />
fahren darf.<br />
Aber Christian Kautz ist jung. Einmal kommt<br />
auch seine Zeit, die Zeit der Generation, der er<br />
angehört Und er wird dabei sein, denn sein vorsichtig<br />
urteilender Rennleiter sagt von ihm: «.. hat,<br />
wenn er fleissig trainiert, durchaus das Zeug dazu,<br />
in den «rossen Rennen eine Rolle zu spielen».<br />
h. to.<br />
Halb so gross und ebenso schnell<br />
Von St. v. Szenasy.<br />
«torpedieren», als eine brauchbare Rennformel<br />
zu schaffen. Aus dieser neuen Rennformel hat<br />
bisher nämlich nur eine einzige Fabrik einen<br />
allerdings sehr platonischen Nutzen ziehen<br />
können: Delahaye. Die Firma verfügte über<br />
einen Sportwagen, auf den die neue Rennformel<br />
wie «angegossen» passte, andere dagegen<br />
hatten weder eine Konstruktion, die<br />
der neuen Formel entsprach, noch dachten sie<br />
nach deren Schaffung daran, neue Wagen zu<br />
bauen und im Sport in Erscheinung zu treten,<br />
mit Ausnahme von Talbot, das wenigstens<br />
einen kurzen Probegalopp zum besten gab.<br />
In dieser Beziehung sieht es jedenfalls nicht<br />
eben vielverheissend aus, das Wollen wir uns<br />
ruhig eingestehen.<br />
Zwei Monate später beschäftigten wir uns<br />
in der «Automobil-Revue» nicht nur mit der<br />
Formel selbst, sondern auch mit ihren Auswirkungen.<br />
«Wird das Tempo der Rennwagen<br />
sinken», lautete damals unsere Frage. Klipp<br />
und klar beantworteten wir sie mit dem Satz:<br />
«Sportlich verheissen die Rennen nach der<br />
kommenden Formel kein geringeres, sondern<br />
eher ein höheres Interesse, Wohl mag am Anfang<br />
der Saison das Tempo etwas hinter dem<br />
zurückbleiben, was wir heute .gewohnt sind.»<br />
Und mit dieser Prophezeiung haben wir<br />
recht behalten. Die neuen Rennwagen sind<br />
nicht langsamer als ihre Vorgänger, das haben<br />
sie bei mehr als einer Gelegenheit bewiesen.<br />
Man denke doch nur, dass Brauchitsch im<br />
Training auf dem Nürburgring dem phantastischen<br />
Rekord, den Rosemeyer mit dem vorjährigen<br />
6-Liter-Wagen aufgestellt hatte, sehr<br />
nahe kam.<br />
Wir wollen nicht darum streiten: die alten<br />
Rennwagen waren natürlich schneller. Schneller<br />
nämlich in der Spitzengeschwindigkeit. Die<br />
Boliden, wie sie Mercedes-Benz und die Auto-<br />
Union gegen Ende des vorigen Jahres auf die<br />
Rennstrecken losliessen, besassen Motoren,<br />
welche annähernd 600 PS hergaben und damit<br />
dem 750 kg schweren Wagen einfach ein Affentempo<br />
verliehen. In der Spitzengeschwindigkeit<br />
kannten diese Wagen kaum eine praktische<br />
Grenze, man konnte sie, je nach der<br />
Uebersetzung, fast bis an die 400 - km/St.-<br />
Grenze treiben. Die hohe Motorleistung hatte<br />
aber auch ihre Nachteile. Diese so wunderbaren<br />
Maschinen, mit denen noch ein Jahr<br />
vorher die Fahrer machen konnten, was sie<br />
wollten, hatten sich im Laufe des Jahres 1937<br />
zu richtigen «Böcken» ausgewachsen. Das ist<br />
ja schliesslich auch kein Wunder. Man braucht<br />
sich ja nur einmal zu überlegen, welches Drehmoment<br />
bei einer Leistung von 600 PS des<br />
Motors an den Hinterrädern auftreten muss,<br />
um sich klar zu sein, dass diese Wagen bei<br />
ihrem geringen Gewicht und dem geringen<br />
Bodendruck ihrer Räder überhaupt nicht mehr<br />
zu fahren waren. Das, worum der Automobilist<br />
den Rennfahrer wohl am wenigsten beneidet,<br />
ist der Zwang zu ständigem Schalten<br />
vor jeder Kurve. Und welche Rennstrecke<br />
gilt als die kurvenreichste? Doch fraglos<br />
Monte Carlo. Es klingt fast unglaublich, ist<br />
aber trotzdem wahr, dass manche Fahrer dieses<br />
Rennen ohne ein einziges Mal zu schalten<br />
(ausgenommen natürlich die Augenblicke des<br />
Kurvennehmen in den kleineren Gängen nicht<br />
mehr beschleunigt werden konnte, da sich die<br />
Antriebsräder infolge des enorm hohen Drehmomentes<br />
durchdrehten und dadurch Schleudertendenzen<br />
entstehen Hessen.<br />
Man konnte sich an den Fingern abzählen,<br />
dass die nach der Rennformel <strong>1938</strong> gebauten<br />
Wagen wohl langsamer in der Spitze sein<br />
würden, aber trotz allem liess sich eine grosse<br />
Chance für diese Wagen ausrechnen, bestehend<br />
im günstigeren Beschleunigungsvermögen dank<br />
der Möglichkeit, die Gänge auszunützen, und<br />
in der besseren Strassenlage. Ja, auch die<br />
Strassenlage der vorjährigen Wagen war nicht<br />
mehr berühmt. Da sass an der gleichen Stelle,<br />
für die vier Jahre vorher noch ein bescheidenes<br />
Motorchen vorgesehen war, ein Riesending<br />
von einem 6-Liter-Motor, der trotz raffiniertester<br />
Konstruktionskunststücke eben doch<br />
schwerer war. Um nicht über das zulässige<br />
Höchstgewicht von 750 kg hinauszugehen,<br />
mussten natürlich Gewichtseinsparungen an<br />
anderer Stelle vorgenommen werden. Durch<br />
diese Massnahmen verschlechterte sich die<br />
Gewichtsverteilung der Rennwagen immer<br />
mehr und es bedeutete für die Fahrer im vergangenen<br />
Jahr bestimmt kein Vergnügen mehr,<br />
diese Ungeheuer zu fahren.<br />
Wieso erreichen die heutigen Rennwagen<br />
mit Hilfe so kleiner Motoren so ungeahnte<br />
Leistungen? Vor allem möchten wir vorausschicken,<br />
dass die neue Formel nicht mehr<br />
wie früher nur eine bestimmte konstruktive<br />
Anweisung gibt, dass sie sich vielmehr als<br />
«gleitende» Formel charakterisiert, die für<br />
jeden Fall eine gerechte Gleichsetzung ermöglichen<br />
soll. Das bedeutet, dass mit steigendem<br />
Hubraum auch ein höheres Mindestgewicht<br />
vorgeschrieben wird, wobei der Wagen<br />
mit Kompressormotor im Verhältnis 3:4,5<br />
gegenüber dem Wagen mit kompressorlosem<br />
Motor im Gewicht benachteiligt wurde. Mit<br />
andern Worten gesagt, während ein Wagen<br />
mit 3-Liter-Kompressormotor 850 kg Mindestgewicht<br />
haben muss, kann der gleichschwere<br />
Wagen eine kompressorlose Maschine von<br />
4,5 Liter Hubraum erhalten. Man glaubte, mit<br />
dieser Formel sämtliche Wagen einander<br />
gleichzusetzen und liess sich von der Annahme<br />
leiten, dass also auch die schon vorhandenen<br />
1,5 Liter erfolgreich oder zumindest mit Aussicht<br />
auf Erfolg in den Kampf mit eingreifen<br />
Anfahrens) absolvierten. Ebenso ist es Tatsache,<br />
könnten. Darin liegt der grosse Trugschluss,<br />
dass Caracciola, der bis zu seinem Aus-<br />
fall beim Vanderbilt-Pokal auf der Roosevelt-<br />
Rennbahn in New York den Tanz führte, ständig<br />
im grossen Gang fuhr. Warum das? Aus<br />
dem einzigen Grunde, weil der Wagen beim<br />
der zu der neuen Formel führte. Die Beispiele<br />
(Auto - Union, Mercedes - Benz, Alfa Romeo<br />
und Maserati) zeigen, dass der Konstrukteur<br />
von vorherein keine andere Möglichkeit ins<br />
Auge fasste, als bis zur 3-Liter-Grenze zu<br />
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