E_1939_Zeitung_Nr.039
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No 59<br />
II. Blatt<br />
BERN, 12. Mai <strong>1939</strong><br />
Automobil-Revue<br />
No 39<br />
II. Blatt<br />
BERN, 12. Mai <strong>1939</strong><br />
Der Neubau der Ford-Vertretung in Bern<br />
Wiederum ist die 'Bundesstadt um eine Grossgarage reicher geworden? Morgen<br />
Samstag übergibt die Firma Willy & Co., Inhaberin der Ford-Vertretung, ihren Neubau<br />
dem Beirieb. Seit langem schon waren ihr die Lokale am Dammweg zu eng geworden,<br />
die Entwicklung des Unternehmens rief nach mehr Raum. Und'so ist nun an der Laupenstrasse,<br />
einer der Hauptverkehrsadern Berns, ein Werk entstanden, das in der Grosszägigkeit<br />
und Modernität seiner Konzeption dem rührigen Unternehmen neue Möglichkeiten<br />
der Entfaltung bietet. Der Weitblick des Bauherrn, gepaart mit dem Können von<br />
Architekt und Ingenieur, haben hier eine Grossgarage geschaffen,.die als Vorbild ihrer<br />
'Art angesprochen werden darf.<br />
Die Eisenbetonkonstruktionen<br />
Schon bei den Vorstudien war dem Ingenieur<br />
bei diesem Neubau Gelegenheit geboten, beratend<br />
mitzuwirken und Kostenvergleiche über<br />
verschiedenartige Lösungen anzustellen. Das<br />
endgültig gewählte Projekt stellt die Resultante<br />
dar aus den Betriebsanforderungen der Bauherren,<br />
einem dem Statiker günstig erscheinenden<br />
Tragsystem und dem ordnenden Gestaltungswillen<br />
des Architekten.<br />
Vor allem sollten die<br />
Haupträume möglichst ohne betriebsstörende<br />
Zwischenstützen<br />
bleiben. Man hat aus • diesem Grunde als<br />
Haupttragskelett zweistöckige Stockwerkrahmen<br />
gewählt, deren Stiele in der hintern<br />
Gebäudefassqde als Fensterpfeiler ausgebildet<br />
sind, während die vordem in einer Reihe, parallel<br />
zur strassenseitigen Fassadenmauer, in<br />
1,50 m lichtem Abstand von derselben stehen.<br />
Der Längsabstand der Stützen ist so gross,<br />
dass im Untergeschoss je eine Autoboxe dazwischen<br />
placiert werden kann. Die Rahmen<br />
sind dreistöckig (Keller, Erdgeschoss, 1. Stock).<br />
Den zweiten Stock hat man nicht mit einbezogen,<br />
weil für das Dach, das. ursprünglich<br />
auch in Eisenbeton vorgesehen war, eine neuzeitliche<br />
Holzkonstruktion zur Anwendung<br />
kam. Diese Dachbinder, nur ca. 2,60 m hoch,<br />
konnten über die ganze Gebäudetiefe gespannt<br />
werden. Ihre Auflagerkräfte sind durch<br />
die Fensterpfeiler des zweiten Stockes auf das<br />
Rahmensystem übertragen.<br />
Die Spannweite der Rahmenriegel, d. h.<br />
Unterzüge, ist infolge des trapezförmigen<br />
Gebäudegrundrisses variabel und beträgt im<br />
Maximum 13 m, eine im Verhältnis zur gedrückten<br />
Konstruktionshöhe (51 cm in Feldmitte)<br />
und den ziemlich hoch angesetzten Nutzlasten<br />
beachtliche Grosse.<br />
Der Ingenieur war vor<br />
nicht alltagliche<br />
Dimensionierungsaufgaben<br />
gestellt. Erschwerend wirkte einmal der unregelmässige<br />
Grundriss, der auch für die Bearbeitung<br />
der Armierungspläne und Eisenlisten<br />
einen abnorm grossen Zeitaufwand erforderte.<br />
Dann erlitt das Rahmensystem im Hauptpbrtal<br />
und in den Schaufenstern im Parterre unliebsame,<br />
aber praktisch notwendige Unterbrechungen,<br />
indem hier die vordem Rahmenstützen<br />
ausfielen. Sehr hoch sind<br />
die dem Baustoff zugemuteten Beanspruchungen.<br />
Man schenkte deshalb der Zusammensetzung<br />
und der Herstellung eines einwandfreien Betons<br />
besondere Aufmerksamkeit. So wurde der zur<br />
"Verwendung 'gelangte* Betotfkies durch Siebproben<br />
geprüft, dem Beton während der Verarbeitung<br />
periodisch Würfelproben entnommen<br />
und deren Festigkeit bestimmt. Die von uns auf<br />
Grund behördlicher Vorschriften angeforderten<br />
Festigkeiten sind durchwegs erreicht, meistenteils<br />
sogar übertroffen worden, ein neuer<br />
Beweis dafür, wie leistungsfähig der Eisenbeton<br />
bei zuverlässiger Herstellung ist und wie gross<br />
die Entwicklungsmöglichkeiten noch sein können,<br />
wenn auf eine enge Zusammenarbeit zwischen<br />
Bauherr, Architekt, Unternehmung und<br />
Ingenieur gezählt werden kann. Die Wichtig-,<br />
keit richtiger Kiessandzusammensetzung wird<br />
leider noch vielerorts unterschätzt.<br />
Die hintere Gebäudefront grenzt hart an den<br />
Güterbahnhof der SBB, die vordere an die<br />
Laupenstrasse. Dabei beeinträchtigte die Ausführung<br />
der längsseitigen Kellerrnquexn der<br />
Umstand, dass für die Baugrube die Mqrch<br />
nicht überschritten werden durfte. Zweckmässige<br />
Ausbildung und spezielle Vorkehren während<br />
der Bauausführung waren deshalb besonders<br />
für die bahnseitige Mauer nötig, w,eil ein<br />
in minimal zulässigem Abstand vorbeiführendes<br />
Geleise ständig in Betrieb blieb und die aus<br />
Erddruck und Verkehrslast hervorgerufenen<br />
horizontalen Kräfte auf das Tragsystem des<br />
Gebäudes übertragen werden. Die Unterzüge<br />
der Kellerdecke erfahren dadurch eine Zusatzbeanspruchung,<br />
die in der Armierung berücksichtigt<br />
ist.<br />
Ingenieurbüro Ad. Flury-Seiler, Dipl.-Ing.<br />
Berns neueste Grassgarage<br />
An der Laupenstrasse, unweit des Bub'enbergplatzes<br />
in Bern ist ein imposanter Garagebau<br />
aus dem Boden geschossen, der<br />
schon rein architektonisch gut wirkt und unter<br />
seinem Dache eine moderne Grossgarage<br />
birgt, deren Einrichtung direkt eine Sehenswürdigkeit<br />
für jeden Automobilisten darstellt.<br />
Entlang der ganzen Front des Baus zieht sich<br />
ein Vordach aus Glas, unter dessen Schutz<br />
vier Tanksäulen neuester Konstruktion, mit<br />
automatischer Preisangabe in Franken und<br />
Rappen, neben normalem Benzin auch Superbrennstoff<br />
und Dieselöl abzugeben gestatten.<br />
Selbstverständlich fehlt auch die Luft- und<br />
Wasserzapfstelle nicht... Doch da treffen<br />
wir schon den einen Inhaber der Firma,, der<br />
uns liebenswürdigerweise, trotz seiner mo-<br />
tiger Behaglichkeit wittern lassen, obwohl die<br />
mentan durch die Neuorganisation des Be-Einrichtuntriebes besonders starken Inanspruchnahme,<br />
noch nicht komplett ist.<br />
zu einer eingehenden Besichtigung durch den<br />
ganzen Neubau führt.<br />
- Ein wahres Liftwunder.<br />
und allem, was zum Handwerk gehört. Nebenan<br />
ein Duscheabteil — nicht etwa für den<br />
Ganz aussen am rechten Flügel des Gebäudekomplexes<br />
tut sich ein weiter Rachen<br />
Schmied, der dicht dabei vielleicht hie und<br />
auf, in den wir nun hineinspazieren. Er ist<br />
da etwas russgeschwärzt seines Amtes walr<br />
gross genug, um ganze Wagen — sogar Lastwagen<br />
— aufzunehmen und mündet in einen<br />
tet (!)—sondern für schmutzige Wagenteile,<br />
die vor der Reparatur erstmal nach Nöten<br />
fensterlosen, unmöblierten Raum. Nanu? Ein<br />
gestriegelt werden. Dicht daneben bemerken<br />
Druck .auf einen Knopf. Behende gleiten zwei<br />
wir die Petrolwaschanlage zur Reinigung verölter<br />
Maschinenteile und dann folgt der ganze,<br />
Schiebetüren erst auf uns zu, machen rechtsuW<br />
liftksuttC Der Rachen hat sich geschlossen<br />
und beginnt im gleichen Moment langsam<br />
durchwegs mit Einzelantrieb ausgerüstete<br />
unter uns wegzusinken.<br />
Ebenso lautlos wie es abgefahren ist, hält<br />
dieses Liftlokal von der Grosse eines wacker<br />
ren Wohnzimmers wieder an, gleitet die<br />
Stirnwand unter einer Viertelsdrehung zur<br />
Seite. 2. Stock - Endstation - alles aussteigen!<br />
Ein paar genauere Angaben über dieses Liftwunder?<br />
Höchstlast 3000 kg, entsprechend einem<br />
mittleren Männerchor, Fahrgeschwindigkeit<br />
0,7 m, Druckknopfsteuerung mit automatischer<br />
Feinabstellung, gebaut durch die Firma<br />
Schindler & Co. AG. in Luzern.<br />
So, jetzt wären wir also ein paar Meter<br />
weiter vom Mittelpunkt der Erde entfernt,<br />
atmen gleichsam Höhenluft in diesem lichtdurchfluteten<br />
Raum. Hier ist drum die Malerei<br />
und nebenan auch die Spenglerei untergebracht.<br />
Das gehört so quasi zusammen. Im<br />
übrigen ist diese Halle vor allem zum Einstellen<br />
von Occasions- und neuen Wagen,<br />
zum Teil auch zur Garagierung von Kunden-<br />
Wagen gedacht. Der rote Boden aus Redocrete<br />
ist öl-, brennstoff- und wasserabweisend<br />
und dabei gegen Abnützung so widerstandsfähig<br />
wie korsischer Granit. Die rote<br />
Schicht mit diesen interessanten Eigenschaften<br />
wird in einer Stärke von nur 3 mm auf<br />
dem Boden aufgetragen, was vollkommen genügt,<br />
um ihn gegen die erwähnten Einflüsse<br />
unempfindlich zu machen. Das Verfahren hat<br />
sich bereits seit 15 Jahren bewährt und in<br />
verschiedenen Vretretungen von Ford, Citroen<br />
sowie Opel, ferner im Gebäude des<br />
Internationalen Arbeitsamtes in Genf, in Spitälern,<br />
Kasernen und Befestigungsanlagen<br />
Anwendung gefunden. (Dje vorliegende Anlage<br />
stammt von Gebr. Qhielmettj, Bern.)<br />
Dreissig bis vierzig Wagen dürften hier, je<br />
nach Raumansprüchen, Unterkunft finden.<br />
Ganz zu hinterst das Lager für die «schweren<br />
Brocken», eine Sammlung von gewichtigen<br />
Ersatzteilen aller Art, wie Motorblöcke<br />
und dergleichen mehr. Nebenan die Treppe,<br />
durch die wir jetzt tieferen Regionen zustreben.<br />
Vom obersten «Bödeli» noch rasch einen<br />
Blick in das Vertreterbureau, dessen viele<br />
Heizrohre schon jetzt den Charakter zukünf-<br />
Erster Stock. Hier befindet sich die Hauptwerkstätte.<br />
Ganz am Ende zunächst die Schmiede, ejn<br />
eigenes helles Stijbchen mit Esse, Amboss<br />
Maschinenpark, wie er zu einer grossen Reparaturwerkstätte<br />
gehört, «f agheitert Bude»,<br />
meint mein Begleiter, und ich muss ihm recht<br />
geben. Die grossen Fenster beiderseits lassen<br />
eine ganze Fülle von Licht eintreten,<br />
wie dies für genaue Arbeit erwünscht ist. Ein<br />
hydraulischer Viersäulenheber mit nach der<br />
Spurweite verstellbaren Schienen erlaubt, auch<br />
ganze Wagen von unten her in die Kur zu<br />
nehmen. Tm übrigen vereinfachen zwei vom<br />
Wagenlift durch das ganze Lokal führende<br />
Hängeschienen nebst entsprechendem Hebezeug<br />
den Transport schwerer Maschinenteile.<br />
Ein kleiner « Küchenaufzug » stellt die Verbindung<br />
zum Hauptersatzteillager im Parterre<br />
her. Auf grossen Gestellen prangt eine<br />
Sammlung von Präzisionswerkzeugen und<br />
Lehren aller Art. Wer etwas benötigt, hängt<br />
an Stelle des entführten Teils eine Metallmarke<br />
mit einer Nummer an den entsprechenden<br />
Platz. Abends senken sich schwere<br />
Gitter mit Schloss über diese.Herrlichkeit.<br />
Damit sind wir allmählich wieder in die Nähe<br />
des Wagenlifts gelangt. Ein Blick in die «hygienische<br />
Abteilung» überzeugt uns, dass<br />
auch für die leiblichen Bedürfnisse des Personals<br />
gut gesorgt ist. Folgt die «Talfahrt»<br />
im Lift ins Erdgeschoss. Der Rachen öffnet<br />
sich und speit uns aus, wie er uns aufgenommen<br />
hat.<br />
Hier im Parterre gruppieren sich ein Ausstellungsraum<br />
sowie dahinter ein umfang-<br />
Bei der Eisen-Armierung.<br />
Betonierungs-Arbeiten.