E_1949_Zeitung_Nr.016
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Nr. 16 — D. BLATT AUTOMOBIL<br />
REVUE BERN,<br />
30. März <strong>1949</strong><br />
Achtmal Sonderklasse<br />
Salon-Kurzteste mit neuen und interessanten Modellen<br />
Es gibt zwei Methoden, sich eine Meinung<br />
über ein neues Fahrzeug zu bilden. Die eine, die<br />
in unseren Langstreckenprüfungen ihren Niederschlag<br />
findet, besteht aus ausgedehnten Erprobungen<br />
und Messfahrten, die so lange fortgesetzt<br />
werden, bis womöglich etwas « lässt». Die zweite<br />
Art kommt jeweils während den Salon-Perioden<br />
zur Geltung: ihr Name « Kurzteste » sagt schon,<br />
dass es sich bei ihr um zeitlich knapp bemessene<br />
Kostproben handelt; man « nippt» gleichsam an<br />
den neuen Wagen und ihren Möglichkeiten und<br />
nimmt dabei das Risiko auf sich, dass dieser<br />
erste Eindruck nicht immer der richtige ist<br />
Sinn und Grenzen der Kurzteste.<br />
Es kann sich nicht darum handeln, bei solchen<br />
Fahrten, die sich meist nur über Strecken<br />
von 10 bis 30 km ausdehnen, irgendwelche Zahlenwerte<br />
zu veröffentlichen; dazu sind genauere<br />
Methoden, zum mindesten aber ein sorgfältiges<br />
Eichen der Geschwindigkeitsmesser, notwendig,<br />
weil sonst allzu leicht Vergleiche zwischen zwei<br />
Fahrzeugen gezogen werden könnten, die auf unrichtigen<br />
Voraussetzungen basieren. Immerhin<br />
rundet der Kurztest die Eindrücke, die man von<br />
einem Salon mitbringt, recht gut ab, weshalb die<br />
«AR» seit dem ersten Nachkriegssalon im<br />
Herbst 1946 in Paris solche Berichte nach jeder<br />
Ausstellung veröffentlichte.<br />
Die dieses Jahr am Salon <strong>1949</strong> in Genf gewählten<br />
Fahrzeuge sind solche, die dank ihrer<br />
Eigenschaften auf ein gewisses Interesse von seiten<br />
der Leser stossen werden, dabei aber aus<br />
irgendeinem Grund für einen Langstreckentest<br />
nicht in Frage kommen (z. B. wegen Zeitmangels).<br />
Isotta-Fraschini-Heck.<br />
Seit 2 J4 Jahren freuten wir uns auf den Augenblick,<br />
da uns die Herren, von Isotta Fraschini<br />
und insbesondere Jng. Rapi, der den Wagen betreut,<br />
einmal den Wagen für einen Versuch zur<br />
Verfügung stellen würden: Diese Hoffnung ist<br />
nun vor einigen Tagen erfüllt worden, und die<br />
Bekanntschaft mit der schwarzen Touring-<br />
Limousine Isotta Fraschini « Monterosa » war in<br />
vieler Beziehung aufschlussreich. Wie bei anderen<br />
der dieses Jahr geprüften Fahrzeuge fuhren<br />
wir einen Prototyp, der ein hartes Leben hinter<br />
sich hat und deshalb viele Mängel aufweist, die<br />
der Serienausführung ex officio erspart bleiben<br />
werden. Beobachtet wurden bei unserer Prüfung<br />
vor allem zwei Dinge, nämlich die Fahreigenschaften<br />
und die Kraftreserve, da diese<br />
auch die beiden «Hauptthemen » der Grundkonstruktion<br />
bildeten. Ein Heckmotorfahrzeug<br />
ist, wie man weiss, immer der Gefahr ausgesetzt,<br />
schwanzlastig und dadurch schwer lenkbar zu<br />
sein. Beim Isotta hat man diese Gefahr nicht nur<br />
anscheinend ganz zu vermeiden gewusst (obwohl<br />
man beim Betrachten des Fahrgestelles mit dem<br />
Lagonda 2'/ 2 Liter mit Fabrikcabriolet.<br />
Von « Tester »»<br />
weit nach hinten überhängenden Motor doch<br />
eine gewisse Schwanzlast erwartet), sondern dazu<br />
noch ein stabiles Fahrzeug entwickelt Die<br />
Lenkung geht sehr, aber nicht übertrieben leicht,<br />
und auf der Geraden lässt sich der Isotta auch<br />
bei höchsten Tempi auf genauen Kurs halten,<br />
ohne dass man dauernd korrigiert. Man fühlt<br />
sich tief zwischen den beiden Achsen (lies Einzelradaufhängungen)<br />
eingebettet und gleitet fast<br />
ohne es zu spüren über die Bodenunebenheiten<br />
hinweg. In den Kurven bleibt die Karosserie fast<br />
ganz senkrecht; nimmt man enge Krümmungen<br />
etwas temperamentvoll, so spürt man die von<br />
nicht ganz gut geratenen Heckmotorwagen her<br />
bekannte Kraft, die das Hinterteil herumzuziehen<br />
scheint, fast überhaupt nicht und bleibt mit<br />
wenigen Korrekturen auf der gewünschten<br />
Fahrbahn. Die Kinetik der Aufhängung und<br />
Lenkung sowie die Verteilung der Massen scheint<br />
nach der ersten Bekanntschaft hohen Ansprüchen<br />
entsprechen zu können. Die Gummifederung<br />
dagegen könnte, obwohl sie in den meisten<br />
Belangen als « fertig • erscheint, gewisse hochfrequente<br />
Vibrationen noch etwas besser absorbieren.<br />
Mit einem Hubvolumen von nunmehr 3 Liter<br />
erscheint der Motor für den grossen, sechsplätzigen<br />
Wagen nicht überaus gross dimensioniert.<br />
Abgesehen davon, dass der Prototyp etwas ungeeignete<br />
UebersetzungsVerhältnisse zeigte (das<br />
Getriebe war überdies eine provisorische Konstruktion),<br />
muss an zugeben, dass die Motorleistung<br />
mit den grossen Ambitionen der Erbauer<br />
dieses Wagens voll im Einklang steht. Sowohl<br />
punktö Beschleunigung in den beiden oberen<br />
Gängen wie auch betreffs Reisegeschwindigkeit<br />
(die letztere dürfte nach Zähler über 135 km/h<br />
betragen; die Höchstgeschwindigkeit liegt noch<br />
wesentlich darüber) wird der Isotta Fraschini,<br />
wenn er in Serie gebaut wird und die wertvollen<br />
Erfahrungeny die man mit<br />
f den Prototypen<br />
machte, verwertet, tätsächlich zu den Spitzenerzeugnissen<br />
des internationalen Automobilbaues<br />
gehören.<br />
Simca • 8 »Sport mit Kompressor.<br />
So ganz"'unversehens und ohne grossen Tamtam'hat<br />
Simca seinem Modell « 8 » eine sportliche<br />
Ausführung angegliedert, die soeben in Serienfabrikation<br />
gekommen ist Am Salon war<br />
dieses Modell mit einem normalen Tourenmotor<br />
plus Italmeccanica-Kompressörchen ausgestellt<br />
und wurde auch in dieser Ausführung kurzgetestet;<br />
für die Serie wird allerdings auch eine<br />
Ausführung mit einem Motor von 1,2 statt 1,1<br />
Liter geliefert, der durch die Zauberhände Gordinis<br />
gehen wird und dessen Bremsleistung die<br />
Zahl von 45 PS überschreiten dürfte.<br />
Technisch gesehen, unterscheidet sich der<br />
Simca-Sport vom Modell *8» eigentlich nur durch<br />
die höhere Motorleistung und die allerdings völlig<br />
geänderte Karosserie, einem zweisitzigen Cabriolet<br />
mit versenkbaren Notsitzen unter Dach. Für<br />
die Linienführung haben die Stabilimenti Farina<br />
in Turin Pate gestanden, dagegen wurden<br />
Kühlermaul und andere Details von Simca entwickelt.<br />
Was ist nun aus diesem Wägelchen, das ja zu<br />
einem unerhört anziehenden Preis geliefert wird,<br />
entstanden? Schon nach einem kurzen Probegalopp<br />
waren wir der Ansicht, dass der Simca-<br />
Sport, in seiner Art weitaus das preiswürdigste<br />
Fahrzeug auf dem Markte, zweifellos einem Bedürfnis<br />
entspricht; dieses lebendige, wendige,<br />
stabile und zierliche Wägelchen kann man ebenso<br />
für kurze Spritzfahrten wie für seriöse Langstreckenarbeit<br />
bei hohen Durchschnitten verwenden.<br />
Kein Bergrennen, sondern die Haarnadelkurve in der Prüfstrecke am Salon, die mindestens so »ehr die Eigenschaften<br />
der Fahrer wie diejenigen der Wagen hervortreten liess.<br />
Der geprüfte Wagen besass den Roots-Lader<br />
Italmeccanica, der nur einen geringen Ladedruck<br />
erzeugt, nämlich gerade soviel, um die Beschleunigung<br />
spürbar und die Höchstgeschwindigkeit<br />
um ein geringes zu erhöhen. Ein Reisetempo von<br />
dauernd 110 bis 120 km/h scheint nunmehr<br />
durchaus im Bereich dieses Fahrzeugs zu liegen.<br />
Die Fahreigenschaften haben sich vielleicht<br />
durch den etwas tieferen Schwerpunkt noch<br />
etwas verbessert; sie gleichen im übrigen denjenigen<br />
des bekannten Simca « 8 ». Zum Einsteigen<br />
in die elegante, zweisitzige Cabriolet-Karosserie<br />
folgt man den italienischen Rezepten: Zuerst<br />
der Kopf, dann der Rest des Körpers.<br />
Cadillac <strong>1949</strong> — eine Meisterleistung.<br />
Kettering-Motor und Hydramatic mussten auf<br />
dem grössten Wagen von General Motors schon<br />
rein nach der « Papierspezifikation » ein hervorragendes<br />
Resultat ergeben. Die kurze Probefahrt<br />
versetzte den Tester in Begeisterung. Was diese<br />
Donners-Amerikaner fertigbringen, wenn sie es<br />
versuchen! Trotz der kaum zu bändigenden Leistung<br />
der Maschine arbeitet der Motor mit einer<br />
kaum glaublichen Sanftheit und einer Laufruhe,<br />
:die man mit der Beschleunigung kaum in Ein-,<br />
klang zu bringen vermag. Es ist wirklich so, dass<br />
ein richtig ausbalancierter, völlig weich und rund<br />
drehender Motor auch eine gute Leistung erfzielt<br />
Zusammen mit dem selbstschaltenden Hydramatic-Getriebe<br />
erzielt man mit dem neuen Cadillac,<br />
auch nüchtern betrachtet, unerhört hohe<br />
Fahrleistungen. Die rund 160 PS, für die 2 Tonnen<br />
Wagengewicht wirklich mehr als ausreichend,<br />
stehen eben dank den vier Gängen des<br />
Getriebes, von denen der dritte, für einen Amerikaner<br />
ungewohnterweise, bis auf über 120<br />
km/h reicht, auch wirklich zur Verfügung. Wenn<br />
der Cadillac voll aufdreht, können es punkto Beschleunigung<br />
nur noch ganz wenige Wagen mit<br />
ihm aufnfehmen; ein Zählerstand von 130 km/h<br />
ist nach rund einer halben Minute tatsächlich erreicht,<br />
und der Wagen beschleunigt kräftig weiter,<br />
bis er bei einer Zähleranzeige von 155 bis<br />
160 km'h sein Vorwärtsstürmen verlangsamt Der<br />
Cadillac ist also wirklich schnell. Schnell aber<br />
erfolgt auch die Gewöhnung an das Hydramatic-<br />
Getriebe (an schöne Dinge gewöhnt man sich ja<br />
bekanntlich rasch), das normalerweise nur zwischen<br />
dem dritten und vierten Gang schaltet; der<br />
zweite tritt hin und wieder einmal am Berg, der<br />
erste praktisch nur beim Anfahren in Erscheinung.<br />
Trotz der ausgesprochen weichen Federung<br />
konnte man die Motorleistung weitgehend ausnützen.<br />
Der Schwerpunkt des breiten und niedrigen<br />
Wagens liegt tief, und gerade in schnellen<br />
Kurven kann man ohne grosse Kunststücke<br />
respektable Geschwindigkeiten innehalten. Die<br />
Hauptqualitäten des Cadillac liegen aber nicht in<br />
den Spitzenleistungen, sondern vielmehr darin,<br />
dass das normale Fahren sich mit derjenigen<br />
vollkommenen Ruhe und Schwingungsfreiheit<br />
Vollzieht, die man heute von einem Spitzenprodukt<br />
erwartet. Die Breite des Fahrzeugs ist unter 1<br />
normalen Voraussetzungen nicht hinderlich; die<br />
automatische Kraftübertragung erleichtert das<br />
Manöverieren mindestens so sehr als es die<br />
Breite und Länge erschwert. Ein feiner Wagen,<br />
der Cadillac <strong>1949</strong>.<br />
Ferrari.<br />
Wer glaubt, die Romantik des Automobilsports<br />
sei heute ausgestorben, setze sich an das<br />
Steuer eines Ferrari-Sportcoupes, und er ist<br />
eines besseren belehrt. Schon wenn dies sein<br />
einziges Verdienst wäre, gehörte Enzo Ferrari<br />
ein eigener Platz in der Geschichte des Automobilismus:<br />
er hat den « heroischen • Geist in<br />
die Nachkriegszeit hinübergerettet. Sein Zweiliter-Modell<br />
« 166 », den wir als orangefarbiges<br />
Coup6 kennenlernten, stlaft gleichzeitig die Behauptung<br />
Lügen, dass ein geschlossenes Fahrzeug<br />
kein Sportwagen sein könne. Fünf Gänge,<br />
eine sehr direkte Lenkung, ein drehfreudiger,<br />
nicht besonders leiser Zwölfzylindermotor (bis<br />
65Ö0 i Touren pro Minute gehört auch mit normalem<br />
Treibstoff zum täglichen Brot), eine: harte<br />
Kupplung, die « rennmässige » Fahfpositioii, dies<br />
sind die Voraussetzungen. Und nun geht es los:<br />
Mächtige, harte Beschleunigung, dass es Fahrer<br />
und Mitfahrer in die Kissen drückt, viermal<br />
Schalten, und wir sind im fünften Gang bei...<br />
schon sind 150, 160, 165 km/h, und die Prüfstrecke<br />
ist zu Ende. Starke, zuverlässige Bremsen,<br />
mit denen man auch bei Tempi von weit<br />
über 120 km/h bedenkenlos draufdrücken kann,<br />
ein Lenkrad, das ziemlich weit vorn liegt, damit<br />
man, nach der neuen Art, die Arme eher gestreckt<br />
halte, eine eher harte, aber nicht unkomfortable<br />
Federung, und schliesslich die präzise<br />
Lenkung und hervorragende Kurvenlage,<br />
dies waren die sich überstürzenden Eindrücke<br />
beim ersten raschen Versuch mit der « mildesten<br />
» Ausführung des Ferrari.<br />
SIMCA 8 SPORT ALS CABRIOLET. Hinter dem niedrigen Wagen<br />
big. Michel Goulhier von den Simca-Werken.<br />
Ferrari 1« Sport mit Farina-Covp*. Cadillac 62 Sedan. Isotta Fraschini Monterosa. Links neben dem Wagen Ing. Rapi.<br />
•vkfc SKMT 51 Stdan mit Dynaflow. Cemsa-Caproni als viertürige Limousine. Viertüriger Lincoln Sedan.