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BLICKWECHSEL 2018

Journal für deutsche Kultur und Geschichte im östlichen Europa. Schwerpunkthema: »Zwischen Trauer und Triumph. Das Jahr 1918 und seine Folgen im östlichen Europa«

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Ausgabe 6<br />

<strong>2018</strong><br />

<strong>BLICKWECHSEL</strong><br />

ORTE<br />

11<br />

Bulgarien und Türkei war es nun ein vordringliches Ziel,<br />

die Gründung einer transkaukasischen Republik durchzusetzen.<br />

Das Augenmerk lag hierbei auf den Bodenschätzen<br />

sowie auf der Kontrolle des Eisenbahnnetzes und des<br />

Nachrichtenwesens.<br />

Türkische Truppen besetzten im April die Gebiete um Kars,<br />

Ardahan und Batumi, um ihre territorialen Ansprüche über<br />

die Vereinbarung des Brester Vertrags hinaus zu artikulieren.<br />

Der georgische Menschewik Nikolos Tschcheïdse rief am<br />

22. April 1918 die Unabhängigkeit Transkaukasiens und die<br />

Gründung der Transkaukasischen Föderation mit der Hauptstadt<br />

Tiflis aus. Am 11. Mai begann die Batumer Friedenskonferenz<br />

mit Vertretern Deutschlands,<br />

der Türkei und aus dem Kaukasusgebiet.<br />

Als deutscher Gesprächsführer strebte<br />

Generalmajor von Lossow scheinbar<br />

eine auch für die Türkei akzeptable<br />

Lösung an, doch verfolgte die Oberste<br />

Heeresleitung (OHL) mit General<br />

Ludendorff an der Spitze bereits ab<br />

April das Ziel, dass Georgien ein selbständiger<br />

Staat unter deutschem Einfluss<br />

werden sollte. Deutschland und<br />

die Türkei strebten eine Ausdehnung<br />

ihrer Macht im Südkaukasus an, was<br />

sich belastend auf ihr Verhältnis auswirken<br />

sollte.<br />

Am 22. Mai 1918 fiel die noch junge Transkaukasische Föderation<br />

auseinander und schon am 26. Mai 1918 wurde durch<br />

die georgische Nationalversammlung die Demokratische<br />

Republik Georgien proklamiert; zwei Tage später folgten ihr<br />

Armenien und Aserbaidschan. Das Deutsche Reich erkannte<br />

in einem vorläufigen Abkommen Georgien de facto als<br />

unabhängigen Staat an.<br />

Zwischen den Vertretern des Auswärtigen Amtes und<br />

der OHL gab es Differenzen über die deutsche Vorgehensweise<br />

im Kaukasus. Dabei spielte das Verhältnis zur Türkei<br />

und zu Russland eine wichtige Rolle. Die Türken verfolgten<br />

das Ziel, Teile des Kaukasusgebietes auch militärisch unter<br />

ihre Kontrolle zu bringen und dabei bis zu den Ölfeldern in<br />

Baku vorzustoßen. Ludendorff fasste den Entschluss, deutsche<br />

Truppen in den Kaukasus zu entsenden, die Friedrich<br />

Freiherr Kreß von Kressenstein (1870–1948) unterstanden.<br />

Im Juni landete das 3 000 Mann starke Expeditionskorps<br />

in Poti und erreichte Tiflis am 24. Juni 1918. Das vorrangige<br />

Ziel der Expedition war es, die neugegründete prodeutsche<br />

Demokratische Republik Georgien zu stabilisieren, sie beim<br />

Aufbau des Militärs zu unterstützen, die Eisenbahn und<br />

Versorgungswege für Rohstoffe zu sichern. Dabei kam es<br />

ab Juni 1918 zwischen deutschen und türkischen Truppen<br />

immer wieder zu Spannungen und Auseinandersetzungen.<br />

Eine Schlüsselrolle spielte Baku, das auch nach 1917 zu<br />

Russland gehörte. Für die Bolschewiki waren die Ölfelder von<br />

höchster Bedeutung, eine Aufgabe Bakus kam für sie unter<br />

keinen Umständen in Frage. Durch das massive Drängen des<br />

türkischen Militärs im Juli 1918 spitzte sich die Situation<br />

zu. Das Deutsche Reich suchte eine ausgleichende<br />

Rolle einzunehmen, verfolgte aber auch eigene<br />

Interessen. Die Niederlage der Türken vor Baku<br />

entschärfte die Lage zunächst.<br />

Durch den Sturz des Bakuer Sowjets am<br />

31. Juli 1918 wendete sich das Blatt erneut,<br />

englische Truppen übernahmen die Kontrolle<br />

über die Stadt. Dies war ein schwerer<br />

Schlag für die deutschen Interessen. Auf Weisung<br />

der OHL sollte Kreß von Kressenstein<br />

nach Absprache mit den Russen Truppen in<br />

Richtung Baku in Bewegung setzen. Es gelang<br />

jedoch den Türken, in die Stadt vorzudringen. In<br />

einem Geheimabkommen vom 23. September wurde<br />

Deutschland eine Verwendung der Ölfelder und -leitungen<br />

und der Eisenbahnlinie Baku–Tiflis zugesichert. Auch<br />

dies währte nicht lange. Durch den Zusammenbruch Bulgariens<br />

sah sich die Türkei gezwungen, den Kaukasus vollständig<br />

zu räumen. Auch das deutsche Militär zog sich seit<br />

Oktober 1918 als Verlierer des Ersten Weltkriegs aus dem Kaukasus<br />

zurück. Der Waffenstillstand von Compiègne und die<br />

Kapitulation Deutschlands waren das Ende der deutschen<br />

Ambitionen im Kaukasus.<br />

Manfred Nawroth<br />

Dr. Manfred Nawroth ist Oberkustos und Koordinator für wissenschaftliche<br />

Projekte mit Russland und Osteuropa am Museum für Vor- und Frühgeschichte,<br />

Staatliche Museen zu Berlin.<br />

▴ Friedrich Freiherr Kreß von Kressenstein, Leiter der deutschen<br />

Militärmission im Kaukasus, © Wikimedia Commons

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