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BLICKWECHSEL 2018

Journal für deutsche Kultur und Geschichte im östlichen Europa. Schwerpunkthema: »Zwischen Trauer und Triumph. Das Jahr 1918 und seine Folgen im östlichen Europa«

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ALEXANDER CAMARO UND BRESLAU – EINE HOMMAGE<br />

Eine Ausstellung widmet sich den nostalgischen Erinnerungen des Künstlers an seine Heimatstadt<br />

Ergänzend zur Berliner Schau Sehnsucht<br />

und Freiheit. Otto Mueller und<br />

die Malerei der Moderne zwischen<br />

Berlin und Breslau würdigt das Schlesische<br />

Museum zu Görlitz mit einer<br />

Sonderausstellung Otto Muellers<br />

wohl bekanntesten Schüler Alexander<br />

Camaro (* 1901 Breslau; † 1992 Berlin). Es<br />

ist erstaunlich, wie nachdrücklich sich<br />

Camaros Erinnerungen sowohl an seine<br />

schlesische Heimat als auch an seine<br />

Lehrjahre beim Expressionisten Otto<br />

Mueller an der Breslauer Akademie in<br />

seinem Werk der Nachkriegsmoderne<br />

offenbaren.<br />

Von Nostalgie getragene Schriftzeugnisse<br />

thematisieren die Jugend<br />

im Breslauer Vorort Morgenau: Camaro<br />

beschreibt seine Liebe zur Natur, die<br />

außerdem in vielen geheimnisvoll<br />

verschlüsselten Bildmotiven wiederkehrt.<br />

Mit sechzehn Jahren erlernt er<br />

das Geigenspiel und zieht mit einer<br />

wandernden Artistentruppe umher.<br />

Die Erlebnisse in dieser Welt spiegeln<br />

seine ersten Bilder. »Diese Bilder […]<br />

blieb[en] die Quelle, aus der für Camaro<br />

alles entstand. Oft in den letzten Jahren<br />

stand er frühmorgens auf […] und<br />

betrachtete die Bilder auf Papier; auf<br />

denen er das entdeckte, was in seinen<br />

großen Leinwandbildern auch war:<br />

Und die Zeit war damit aufgehoben:<br />

Zeit und Ewigkeit [meint] dasselbe«,<br />

erzählte Camaros Schülerin und spätere<br />

Frau, Renata Camaro.<br />

Camaro war zeitlebens stolz darauf,<br />

Schüler Otto Muellers zu sein. »Es war<br />

nicht leicht, in seine Klasse aufgenommen<br />

zu werden«, schrieb der Künstler<br />

im Rückblick auf die Studienjahre von<br />

1920 bis 1925, »und ich erinnere mich,<br />

wenn dies glückte, eine gewisse Ausnahmestellung<br />

bei den übrigen Studenten<br />

der Akademie zu genießen.<br />

Eben darum, weil er als Mensch und<br />

Schaffender eine Einheit bildete, was<br />

so selten der Fall [ist].«<br />

Muellers exzentrische Persönlichkeit<br />

und seine unbedingte Hingabe an die<br />

Kunst hinterließen bei Camaro einen<br />

bleibenden Eindruck. Mueller wurde<br />

Alexander Camaro: Polnische Hochzeit, 1947, Tempera auf Leinwand, 110 x 140 cm,<br />

Alexander und Renata Camaro Stiftung, © Camaro Stiftung/VG Bild-Kunst, Bonn 2017<br />

für ihn zur Identifikationsfigur, die mit<br />

autoreflexiven Bekenntnissen zur schlesischen<br />

Herkunft, insbesondere zu Breslau,<br />

verschmolz. Bezüge auf Mueller<br />

finden sich in späteren Selbstinszenierungen<br />

bis hin zu einer mit Hommage<br />

à Otto Mueller betitelten Filmsequenz,<br />

die Motive aus Muellers berühmter<br />

»Zigeunermappe« aufgreift.<br />

Vor allem die Welt der Bühne, der<br />

Musik und der Schaustellung sollte<br />

Camaro nicht nur als Bildmotiv, sondern<br />

auch in anderen Kunstformen<br />

nie wieder loslassen – sei es als Tänzer<br />

der Dresdener Wigman-Schule, als<br />

Hauptbegründer des 1949 legendär<br />

gewordenen surrealistischen Berliner<br />

Künstlerkabaretts Die Badewanne<br />

oder aber bei Filmexperimenten, die<br />

sein bildkünstlerisches Werk ergänzten.<br />

Wenig bekannt ist, dass Camaro sogar<br />

umfangreich schriftstellerisch tätig war<br />

und auch hier Motive aus der Breslauer<br />

Zeit aufgriff. Letztlich realisierte Camaro<br />

damit ein bemerkenswert vielseitiges,<br />

von hoher Vitalität bestimmtes Gesamtwerk.<br />

Es folgte in erweiterter Form und<br />

unter den Vorzeichen der Nachkriegsmoderne<br />

über Jahrzehnte hinweg dem<br />

Ideal eines von Kunst durchdrungenen<br />

Lebens, wie es ihm sein großes Vorbild<br />

Otto Mueller vorgelebt hatte.<br />

Johanna Brade<br />

Dr. Johanna Brade ist wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

im Schlesischen Museum zu Görlitz<br />

( S. 56/57).<br />

Die Sonderausstellung Alexander Camaro<br />

und Breslau – eine Hommage ist vom<br />

13. Oktober <strong>2018</strong> bis zum 10. März 2019 im<br />

Schlesischen Museum zu Görlitz zu sehen,<br />

anschließend vom 5. April bis 29. Juni 2019<br />

im Camaro Haus, Berlin.

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