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DorfStadt 04-2018

Wir sind Elbvororte. Hochwertige lokale Berichte und Reportagen aus und über Rissen, Sülldorf, Iserbrook, Blankenese, Osdorf, Groß Flottbek, Nienstedten, Othmarschen, Bahrenfeld und Schenefeld.

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12 • <strong>DorfStadt</strong>-Zeitung <strong>04</strong>/<strong>2018</strong> • 15.03.<strong>2018</strong><br />

„Es ist wie Urlaub“, sagt<br />

Oliver Kunz. Wenn er an<br />

seinem Goldschmiede-Ar -<br />

beitsplatz sitzt, kann er aus<br />

einem kleinen Fenster nach<br />

draußen in den Garten<br />

gucken. „Die Eigentümer<br />

be pflanzen den Teil hier extra<br />

für mich mit schönsten Som -<br />

mer blumen“. Das genießt er.<br />

Außergewöhnliche Schmuck -<br />

stücke stellt er gar nicht mehr<br />

so viele her. Die Goldschmie -<br />

debank ist aus den 1980er<br />

Jahren. Damals war Kunz noch<br />

in Berlin, fertigte individuelle<br />

Schmuckstücke für Kunden, die<br />

nicht so sehr auf’s Geld achten<br />

mussten. „Das war eine schöne<br />

Zeit“, erinnert er sich. Trau -<br />

ringe, in die die Geschichte der<br />

Liebenden eingearbeitet wurde,<br />

entstanden im Laufe eines halben<br />

Jahres. Künstlerisches und<br />

Kunsthandwerkliches Können<br />

waren gefragt.<br />

Einige ehemalige Kunden kommen<br />

noch immer auf ihn zu.<br />

Aber sein Auskommen verdienen<br />

lässt sich damit nicht.<br />

Auch nicht mit den Aquarellen,<br />

die Kunz ab 21. April bei<br />

Sekwenz im Hinterhof der<br />

Blankeneser Bahnhofstraße 11<br />

ausstellen wird. „Deutsche mö -<br />

gen Ölbilder. In Skandinavien<br />

haben Aquarelle einen viel<br />

höheren Stellenwert“, erklärt<br />

der Künstler, der in Schweden<br />

bei Arne Isacsson und Per<br />

Lilienberg an der Gerlesborg -<br />

skolan Kunst studiert hat.<br />

Oliver Kunz gehört zu einer<br />

kleinen Gruppe von Kunst -<br />

hand werkern und Künstlern,<br />

die in den Ateliers Docken -<br />

huden in der Avenariusstraße<br />

eine Heimat gefunden haben.<br />

Nicht nur wegen der Adresse,<br />

sondern auch wegen der Ge -<br />

meinschaft. Hier hilft mal der<br />

eine mit Wachs aus, dann der<br />

andere mit einem Hobel. Kaffee<br />

wird in der gemeinsamen Kü -<br />

che für alle gekocht. Und seit<br />

neuestem gibt es hin- und wieder<br />

auch mal einen guten<br />

Schluck Rotwein, den Eric<br />

Olivier Malatraît aus Frank -<br />

reich importiert und verkauft.<br />

Die Ateliers Dockenhuden be -<br />

finden sich in einem kleinen<br />

mit Weinlaub berankten Hin -<br />

terhaus in der Avenariusstraße<br />

18. Erkennbar ist der Eingang<br />

durch einen Stuhl mit den beiden<br />

Initialen A und D. Man<br />

muss sich schon hinter die Villa<br />

von 19<strong>04</strong> im Vorgarten trauen,<br />

um dieses Kleinod zu entdecken.<br />

Wer die Tür öffnet,<br />

kommt in eine andere Welt: Der<br />

Besucher wird von frischem<br />

Holzduft empfangen. Irgendwo<br />

erklingt Klassische Musik. Ein<br />

Cellokonzert. Hier im Eingang<br />

arbeitet Alex Eggers, der<br />

Möbelrestaurator, gerade an<br />

einem Apothekerschrank, der<br />

aufgearbeitet werden soll.<br />

Rechts führt eine Holztreppe in<br />

den ersten Stock. An den<br />

Wänden hängen Bilder von der<br />

früheren Tischlerei, in der sechs<br />

Tischler arbeiteten. Ein Archi -<br />

tekturmodell gegenüber weist<br />

auf Architekt Bastian Bechtloff<br />

hin, der im Obergeschoss sein<br />

Atelier hat. Hier arbeitet er seit<br />

einigen Jahren an einem<br />

Traum: Eine eigene Kunst aus -<br />

stellung mit unterschiedlichen<br />

Objekten, die eine Geschichte<br />

erzählen: Die Geschichte von<br />

der Explosion. „Gar nicht traumatisch,<br />

sondern der Beginn<br />

BLANKENESE<br />

von etwas Neuem“. Seine Aus -<br />

stellung erforscht Explosionen<br />

auf einem abstrakten Level;<br />

stellt Parallelen zu anderen<br />

Phänomenen wie Sonnen strah -<br />

len, dem Fluchtpunkt, der Vir -<br />

tualität oder unserer Wahrneh -<br />

mung her; untersucht Ideen<br />

und Vergleichbarkeiten, die es<br />

uns ermöglichen die zugrundeliegende<br />

Wahrheit der Explo -<br />

sion zu verstehen. Ein physikalischer<br />

Vorgang, den wir zu<br />

erkennen glauben, ihn aber in<br />

seiner Komplexität und Uni ver -<br />

salität dennoch nicht verstehen.<br />

Explosionen sind extrem flüchtige<br />

Momente, enorm in ihrer<br />

Kraftentfaltung. Ein kleiner<br />

Punkt (Singularität), der von<br />

einer Millisekunde auf die<br />

andere aufbricht, sein Potential<br />

entfaltet, mehr wird, an Volu -<br />

men zunimmt und mit dem<br />

Voranschreiten der Zeit sich<br />

ausbreitet. Die Ausbreitung von<br />

Raum im Bezug zum Verlauf<br />

der Zeit ist das grundlegende<br />

Prinzip der Explosion und das<br />

ist gleichzeitig auch das grundlegende<br />

Prinzip des Lebens…<br />

während Bechtloff sich wieder<br />

über seine Installation beugt,<br />

sinniert er über die Unend lich -<br />

keit, das Göttliche… was mit<br />

den schrecklichen Nachrichten<br />

über Explosionen im Irakkrieg<br />

2011 begann, findet in „drei,<br />

vier Monaten“ seinen Höhe -<br />

punkt in einer Ausstellung in<br />

einer Galerie, in der die Foto -<br />

grafien, Zeichnungen und<br />

Objekte dann viele Fragen<br />

beantworten, aber auch neue<br />

Diskussionen über Anfang und<br />

Ende anregen soll.<br />

Unendlichkeit...<br />

Einen Galeristen hat Bechtloff<br />

allerdings noch nicht gefunden,<br />

und eigentlich beschäftigt ihn<br />

sein Hauptberuf als Architekt<br />

im Augenblick auch noch mehr<br />

als ihm lieb ist, denn dann<br />

muss er sein zeitaufwändiges<br />

Hobby, dem er hier nachgeht,<br />

zurück stellen. Doch das Thema<br />

liegt ihm am Herzen. Dafür<br />

spricht sein Enthusiasmus, mit<br />

dem er die Geschichte der Aus -<br />

I m G e s p r ä c h<br />

Ateliers Dockenhuden: Kunst voll erleben<br />

Eine Entdeckung: Die Künstler-Oase in der Avenariusstraße 18 | Markus Krohn<br />

Foto: Krohn<br />

einandersetzung mit dem The ma<br />

Explosion erzählt und den<br />

Zuhörer in seinen Bann zieht.<br />

Dahinter hat Anna Lucke ihr<br />

Atelier. „Eigentlich ist sie<br />

Schuh designerin“, erklärt Oli -<br />

ver Kunz, der mich durch die<br />

Ateliers führt. Aber hier entstehen<br />

aus alten Kites Jacken,<br />

Taschen und Accessoires.<br />

„Schuhe kann man nur zu ganz<br />

bestimmten Zeiten kreieren“,<br />

erklärt Lucke. Davor und<br />

danach macht es einfach keinen<br />

Sinn. Mode hat eben ihre<br />

eigenen Gesetze. Nicht aber bei<br />

einem Nischenprodukt wie<br />

Kleidung aus ausrangierten<br />

Kites. Auf die Idee, den besonders<br />

leichten Kite-Stoff zu<br />

recyclen, kam Lucke 2008, als<br />

sie selbst zum erstmal mit<br />

einem Kite surfte. Lenk dra -<br />

chen segeln ist ein verhältnismäßig<br />

junger Trendsport. Beim<br />

Kitesurfen steht der Sportler<br />

auf einem Board, das einem<br />

Surfbrett sehr ähnlich ist, aber<br />

von einem Lenkdrachen über<br />

das Wasser gezogen wird. Der<br />

Schirm ist zwischen 9 und 12<br />

Quadratmetern groß und mit<br />

unterschiedlichen Motiven be -<br />

druckt. Das nutzt die Mode -<br />

designerin für ihre Kollek tio -<br />

nen. Manche Motive eignen<br />

sich besonders für die Kapuze,<br />

andere für die Rückenteile oder<br />

eher für Taschen. Meistens<br />

ergibt ein Kite eine Jacke und<br />

eine Tasche. Manchmal sind<br />

auch noch Reste für kleine<br />

Extra-Taschen übrig. Je nach<br />

Motiv eben. Außerdem besteht<br />

ein Kite aus unterschiedlichen<br />

Stoffarten, festeren und feineren<br />

Stoffen, die unterschiedliche<br />

Eigenschaften haben. Allen<br />

Eric Olivier Malatraît<br />

gemeinsam ist, dass sie<br />

außergewöhnlich leicht und<br />

windundurchlässig sowie wasserdicht<br />

sind. „Lediglich die<br />

Nähte sind nicht wasserdicht“,<br />

erklärt Lucke. Mit dem Verschweißen<br />

von Nähten hat sie<br />

noch keine Erfahrung gesammelt.<br />

Das ist aber gar nicht der<br />

wesentliche Grund, warum ihre<br />

Kunden 300 bis 400 Euro für<br />

eine Jacke ausgeben. „Sie lieben<br />

das Besondere, die Indivi -<br />

dualität meiner Westen und<br />

Taschen“. Viele Kitesurfer liefern<br />

ihr ausgedientes Kite an<br />

und lassen sich daraus ihre<br />

eigene Kollektion entwerfen.<br />

Nicht nur aus Deutschland,<br />

auch aus den USA und gerade<br />

aus Hongkong erreichte sie ein<br />

Kite. „Irgendwie spricht es sich<br />

herum“, wundert sich Lucke,<br />

die allerdings auf ihrer Website<br />

luckyloops.de ihre Künste sehr<br />

professionell präsentiert. Ein<br />

Geheimtipp für diejenigen, die<br />

etwas Besonderes suchen.<br />

Kreatives chaos<br />

Die einzelnen Atelierflächen<br />

sind auf den ersten Blick kaum<br />

erkennbar. Hier geht ein Ar -<br />

beitsbereich in den anderen<br />

über. Chaos ist Konzept. Und<br />

bringt die Künstler zusammen.<br />

Mehrmals im Jahr veranstalten<br />

sie einen Tag des offenen<br />

Ateliers. Die Fangemeinde<br />

wächst. Die Besucher lassen<br />

sich von der Empathie der<br />

Künstler anstecken. Die haben<br />

vor allem eines gemeinsam: Sie<br />

lieben das, was sie machen.<br />

Auch wenn sie davon nicht<br />

allein leben können.<br />

Beispiel Alexander Eggers: Der<br />

Möbelrestaurator, der sich sein<br />

Anna Lucke<br />

Handwerk selbst<br />

beigebracht hat, arbeitet<br />

nebenher noch als Bautischler<br />

in der Hafencity. Aber noch viel<br />

lieber taucht er in die<br />

Geschichte eines jeden seiner<br />

liebevoll restaurierten<br />

Möbelstücke ein. Oder erkundet<br />

handwerklich-traditionelle<br />

Herstellungs tech niken anhand<br />

der vorliegenden Arbeiten. Es<br />

gibt nicht mehr viele, die<br />

Antiquitäten schätzen, aber<br />

diejenigen, die sie lieben, teilen<br />

die Leidenschaft mit Alex.<br />

Dann ist es auch gar nicht mehr<br />

wichtig, wie viele Stunden in<br />

die Restauration traditioneller<br />

Werte fließen. „Ich schätze den<br />

Aufwand aufgrund meiner<br />

Erfahrung“. Aber manchmal ist<br />

ihm Detailarbeit wichtiger als<br />

der schnöde Mam mon, der für<br />

ihn dabei herausspringt.<br />

Zwischen der Möbelwerkstatt<br />

und dem Aquarellatelier ist seit<br />

neuestem Eric Olivier Malatraît<br />

eingezogen und hat mehrere<br />

hundert Sorten Wein mitgebracht.<br />

Auch er sieht sich ein<br />

wenig als Künstler. Immerhin<br />

hat der Weinhändler zu jedem<br />

seiner Weinsorten eine Ge -<br />

schichte zu erzählen. Besonders<br />

stolz ist er auf seine Auswahl<br />

von Beaujolais-Weinen. „Viele<br />

meinen, Beaujolais seien billige<br />

Weine, die kaum schmecken“,<br />

bemerkt er verschmitzt. Er<br />

kann mit seiner Auswahl das<br />

Gegenteil beweisen. Auch das<br />

Vorurteil, französische Weine<br />

seien teuer und ausschließlich<br />

rot, kann er ausräumen. Bei<br />

„Les Vins de France“ ist natürlich<br />

auch Weißwein erhältlich.<br />

Die Weine sind zwischen 5 und<br />

15 Euro je Flasche zu haben.<br />

Ateliers Dockenhuden<br />

Avenariusstraße 18<br />

Tel.: 84 05 86 88<br />

Beste Zeit: Sbd. 11–15 Uhr<br />

Michael-Gerrit Günther und Karin Günther<br />

Experten für Villen, Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen<br />

Tel.: <strong>04</strong>0/320 330 90<br />

Alexander Eggers<br />

Bastian Bechtloff<br />

Oliver Kunz<br />

Verkauf - Vermietung - Bewertung<br />

www.guenther-immobilien.de

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