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syndicom magazin Nr. 4 - Holen wir unsere Zeit zurück!

Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.

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«Wir müssen uns entscheiden: Wollen <strong>wir</strong> eine Post, die allen<br />

dient, oder einen Konzern, der die Bundeskasse füllt?» Daniel Münger<br />

21<br />

«Die ganze Wahrheit über die<br />

Post muss nun auf den Tisch!»<br />

<strong>syndicom</strong>-Präsident Daniel Münger über die PostAuto-Affäre,<br />

fette Gewinne und die Heuchelei des Parlaments.<br />

Die Bundespolizei ermittelt, und<br />

Politiker fordern den Rücktritt von<br />

Postchefin Susanne Ruoff. <strong>syndicom</strong><br />

tut dies nicht. Daniel Münger, sind<br />

Sie zu sehr in der Sozialpartnerschaft<br />

gefangen?<br />

Unsinn! Im Moment* ist Frau Ruoff<br />

einfach nicht unser dringendstes<br />

Problem. Die Personaldebatte lenkt<br />

nur von sehr viel wichtigeren Themen<br />

für die Zukunft der Post und des Service<br />

public ab. Jetzt muss erst einmal<br />

die Wahrheit über PostAuto und die<br />

Post auf den Tisch, die ganze Wahrheit.<br />

Lückenlos. Die öffentliche Hand<br />

darf nicht beschissen werden. Subventionen<br />

erschleichen, das geht gar<br />

nicht.<br />

Offenbar hat sich die PostAuto AG so<br />

verhalten wie gewöhnliche Konzerne<br />

das tun: Sie hat Gewinne mit Buchhaltungstricks<br />

versteckt.<br />

Da kommen <strong>wir</strong> dem Kern des Problems<br />

schon näher. Bei PostAuto hat<br />

sich, soviel <strong>wir</strong> heute wissen, niemand<br />

persönlich bereichert. Es ging offenbar<br />

darum, Vorteile für den Konzern<br />

zu ertricksen. Das enthüllt einen<br />

grundlegenden Widerspruch. Einerseits<br />

soll die Post eine umfassende<br />

öffentliche Dienstleistung erbringen,<br />

bis in die hintersten Ecken des Landes.<br />

Das ist richtig, weil es für die Kunden,<br />

die Schweiz und ihren Zusammenhalt<br />

von elementarer Bedeutung<br />

ist. Andererseits soll der Postkonzern<br />

dem Aktionär, also dem Bund, hohe<br />

Gewinne abliefern. Dass auch ein Service<br />

public <strong>wir</strong>tschaftlich arbeitet, ist<br />

vernünftig. Aber muss er auch noch<br />

die Staatskasse füllen und sich dafür<br />

wie ein Konzern verhalten, der Leistungen<br />

abbaut, die Löhne drückt, die<br />

Arbeitsbedingungen verschlechtert,<br />

Betriebsteile auslagert, um sie dem<br />

GAV zu entziehen, und die Zahlen frisiert?<br />

Das ist der falsche Weg.<br />

Der Chef des Bundesamtes für Ver -<br />

kehr sagt, er sei «erschüttert über das<br />

falsche Gewinndenken» bei PostAuto.<br />

Derselbe Mann will durchfahrende<br />

Chauffeure vom Schweizer Lohnschutz<br />

ausnehmen, damit die Löhne<br />

Daniel Münger redet Klartext. (© Res Keller)<br />

gedrückt werden können. Er ist wie<br />

jene Parlamentarier, die jetzt Erstaunen<br />

heucheln, aber die Gewinnvorgaben<br />

mitbeschlossen haben.<br />

Das tönt fast so, als wollten Sie das<br />

Postmanagement in Schutz nehmen?<br />

Im Gegenteil. Wir kämpfen gegen den<br />

Poststellenkahlschlag und Entlassungen.<br />

Wir kritisieren die verschlechterten<br />

Arbeitsbedingungen, die Auslagerungen<br />

und vieles mehr. Und über die<br />

Führung von PostAuto hätten <strong>unsere</strong><br />

Mitglieder eine Menge zu erzählen.<br />

Und über die exorbitanten Löhne von<br />

Frau Ruoff und der Postspitze und die<br />

wachsenden Boni ...<br />

Auch darüber. Dass <strong>wir</strong> bei der Post<br />

solche Managerinnen und Manager<br />

haben, ist das Resultat der gleichen<br />

Logik: Es ist absurd und fatal, einen so<br />

wichtigen öffentlichen Dienst wie einen<br />

Konzern mit Gewinnmaximierung<br />

zu führen. Dafür aber liegt die<br />

Verantwortung beim Besitzer. Also<br />

beim Bund.<br />

Hat nur PostAuto die Zahlen frisiert?<br />

Können Sie heute den Zahlen über<br />

die fehlende Rentabilität der Poststellen<br />

noch glauben?<br />

Lassen Sie es mich so sagen: Seit die<br />

Post ihre Rechnung der Poststellen<br />

auf eine neue Grundlage gestellt hat,<br />

schneiden viele schlechter ab als<br />

zuvor. Da <strong>wir</strong>d man schon nachdenklich.<br />

Wir brauchen heute Kostenwahrheit.<br />

Für die Poststellen genauso wie<br />

für PostAuto: Wir wollen wissen, wie<br />

viel ein Kilometer PostAuto <strong>wir</strong>klich<br />

kostet. Und welche Kosten bei den<br />

Poststellen <strong>wir</strong>klich entstehen.<br />

Riskieren Sie dabei nicht, den<br />

Privatisierungsturbos Argumente zu<br />

liefern? Es gibt doch immer ein<br />

privates Unternehmen, das dann<br />

sagt: Wir machen das billiger.<br />

Zu Dumpinglöhnen, mit gefährlich<br />

langen Arbeitszeiten und weniger<br />

Sicherheit für Chauffeure und Passagiere.<br />

Schauen Sie, was in der Logistik<br />

geschieht. Dort herrschen teilweise<br />

Wildwestverhältnisse. Man muss<br />

schon wissen, was man will. Will man<br />

eine Post, die der Gemeinschaft dient,<br />

und dieses Land gut versorgt, oder<br />

wollen <strong>wir</strong> eine Milliarde Gewinn?<br />

Wollen <strong>wir</strong> ein gutes öffentliches Verkehrsnetz,<br />

die Verlagerung des Verkehrs<br />

und korrekte Arbeitsbedingungen,<br />

oder wollen <strong>wir</strong> Lohndumping,<br />

Arbeitslose und verheerte Landschaften?<br />

Zivilisation gibt es nicht zum<br />

Nulltarif. Es ist höchste <strong>Zeit</strong> für eine<br />

klare Gesamtstrategie.<br />

Eine Gesamtstrategie für PostAuto?<br />

Für PostAuto, aber auch ein Konzept<br />

für das Poststellennetz und eine<br />

Strategie für die gesamte Post. Sie ist<br />

ein phantastisches Unternehmen mit<br />

Mitarbeitenden, die Enormes leisten,<br />

zuverlässig, und pünktlich. Der Raubbau<br />

an diesem Bijou muss heute<br />

gestoppt werden. Schluss mit Päcklisekunden<br />

und Pausenstreichungen<br />

und heimlichen Arbeitszeitverlängerungen,<br />

mit <strong>Zeit</strong>druck, Frust und<br />

Lohnklemmerei. Und wo bleibt<br />

eigentlich eine glaubhafte Digitalisierungsstrategie?<br />

Manchmal male ich<br />

mir die Post der Zukunft aus. Eine<br />

Post, die ein mächtiges Bildungsprogramm<br />

auflegt, statt Arbeitsbedingungen<br />

zu verschlechtern. Eine<br />

moderne, ganz auf Dienstleistung für<br />

die Allgemeinheit getrimmte Post. Sie<br />

wäre ein starkes Atout für die Schweiz.<br />

* Das Interview wurde am 26. Februar<br />

geführt.<br />

goo.gl/xmtqJd

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