VSAO JOURNAL Nr. 2 - April 2018
Gleichgewicht - Gastroenterologie/Nephrologie Streit um Fallzahlen
Gleichgewicht -
Gastroenterologie/Nephrologie
Streit um Fallzahlen
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PERSPEKTIVEN<br />
Reine PGP-Hemmer<br />
• Cyclosporin<br />
Starke CYP3A4/PGP-Hemmer<br />
• Cyclosporin<br />
• Makrolide: Erythromycin, Clarithromycin (aber nicht<br />
Azithromycin)<br />
• Azol-Antimykotika: Ketoconazol, Fluconazol,<br />
Itraconazol, Voriconazol, Posaconazol<br />
• Proteaseinhibitoren: Nelfinavir, Ritonavir, Saquinavir<br />
Schwache CYP3A4/PGP-Hemmer<br />
• Amiodaron<br />
• Calciumantagonisten: Verapamil, Diltiazem<br />
Tabelle 2. Arzneimittel-Interaktionen mit Colchizin<br />
zur Unterstützung des raschen Abklingens<br />
des Schubes und zur Analgesie begonnen<br />
werden (s. Tab. 2), je schneller der Start,<br />
umso besser die Wirkung.<br />
Die Behandlung von akuten Schüben beinhaltet<br />
NSAR, Glucocorticoide, Colchizin<br />
und Interleukin-1 Antagonisten [8 – 11].<br />
Monoartikuläre Arthritiden können auch<br />
mit intraartikulären Steroiden kupiert<br />
werden [12]. Die Wahl des Schubtherapeutikums<br />
erfolgt aufgrund des Alters und der<br />
Komorbiditäten des Patienten sowie des<br />
Schweregrades der Attacke. Dosis und<br />
Dauer der Medikation sollte gemäss Klinik<br />
angepasst werden, auf jeden Fall sollte die<br />
akute Synovitis behandelt sein, bevor die<br />
Schubtherapie abgesetzt wird. Die klinische<br />
Erfahrung zeigt beste Resultate mit<br />
5–7-tägiger Schubbehandlung [13]. Wichtig<br />
ist der sofortige Therapiebeginn bei<br />
Beginn der Symptomatik. Falls bereits<br />
eine harnsäuresenkende Therapie besteht,<br />
sollte diese während des Schubes nicht<br />
pausiert, sondern in unveränderter Dosierung<br />
weitergeführt werden.<br />
Colchizin<br />
Colchizin als Schubtherapeutikum <strong>Nr</strong>. 1<br />
wird seit langem angewendet. Es hemmt<br />
als Spindelgift die Zellteilung und auch<br />
die Chemotaxis von Granulozyten, in denen<br />
es hohe Konzentrationen erreicht [14].<br />
Zudem hemmt Colchizin das Inflammasom.<br />
Aufgrund des engen therapeutischen<br />
Bereichs müssen gewisse Vorsichtsmassnahmen<br />
beachtet werden. Colchizin ist<br />
eine lipophile Substanz, welche im Jejunum<br />
und Ileum absorbiert wird [15]. Die<br />
mittlere Bioverfügbarkeit beträgt 45%.<br />
Colchizin ist ein Substrat von P-Glykoprotein<br />
(PGP) und Cytochrom P450 (CYP)<br />
3A4, welche beide im Darm exprimiert<br />
werden und die intestinale Absorption von<br />
Colchizin beschränken. Das Verteilungsvolumen<br />
beträgt ca. 5 L/kg, was eine relevante<br />
Elimination via Hämodialyse verunmöglicht.<br />
Colchizin wird in der Leber<br />
durch CYP3A4 metabolisiert (O-Demethylierung)<br />
und vorwiegend via Galle (PGP)<br />
eliminiert. Ca. 20% der verabreichten<br />
Dosis wird unverändert renal eliminiert.<br />
Die terminale Halbwertszeit beträgt ca. 30<br />
Stunden [16].<br />
Die Dosis soll möglichst tief gehalten und<br />
individuell angepasst werden, um eine<br />
Intoxikation zu vermeiden. Zu den häufigsten<br />
unerwünschten Wirkungen gehören<br />
Durchfall, Übelkeit und Erbrechen;<br />
die intestinale Toxizität ist die Folge der<br />
gehemmten Zellteilung der Dünndarmepithelien.<br />
Intravenöse Gaben sind obsolet<br />
[1,17], die perorale Gabe ist unter Beachtung<br />
der Vorsichtsmassnahmen und korrekter<br />
Dosierung sicher und meist gut<br />
verträglich.<br />
Eine Studie, die niedrigdosiertes Colchizin<br />
(1.8 mg innerhalb der ersten Stunde) mit<br />
hochdosiertem (4.8 mg über 6 Stunden)<br />
verglich, konnte ein vergleichbares Ansprechen<br />
bei weniger Nebenwirkungen in<br />
der Niedrigdosis-Gruppe zeigen 18 . Mit der<br />
tiefen Dosierung werden Serumspiegel<br />
erreicht, welche ungefähr den Spiegeln im<br />
steady state bei einer Dosierung von<br />
0.5 mg/24 h entsprechen, mit der hohen<br />
Dosierung entsprechen sie ungefähr den<br />
Spiegeln im steady state bei einer Dosierung<br />
von 1 mg alle 12 h. In den meisten<br />
Fällen wird dieses Therapeutikum bei<br />
Patienten mit akutem Gichtanfall in der<br />
niedrigen Dosierung verabreicht und wird<br />
gut vertragen.<br />
Da Colchizin ein Substrat von CYP3A4<br />
und PGP ist, müssen Interaktionen mit<br />
Hemmern von CYP3A4 und PGP beachtet<br />
werden. In einer kürzlich publizierten<br />
Studie wurde der Effekt von PGP- und<br />
CYP3A4-Hemmern auf die Kinetik einer<br />
Einzeldosis von Colchizin untersucht [19].<br />
Der PGP-Inhibitor Cyclosporin erhöhte die<br />
maximale Plasmakonzentration (C max )<br />
von Colchizin um einen Faktor von 3 und<br />
verminderte die Clearance um einen Faktor<br />
3, entsprechend der Expression von<br />
PGP im Darm (Absorption) und Leber<br />
und Niere (Elimination). Der Effekt von<br />
starken CYP3A4-Hemmern (Clarithromycin,<br />
Ketoconazol, Ritonavir; hemmen<br />
gleichzeitig auch PGP) auf C max und<br />
Clearance von Colchizin war ähnlich wie<br />
für Cyclosporin, währendem schwächere<br />
CYP3A4-Hemmer (Verapamil und Diltiazem)<br />
deutlich weniger starke Effekte auslösten.<br />
Die wichtigsten Hemmer von PGP<br />
und CYP3A4 sind in der Tabelle 2 aufgelistet<br />
und die Dosierung von Colchizin in<br />
Anwesenheit von CYP3A4/PGP-Hemmern<br />
in Tabelle 3.<br />
Bezüglich Niereninsuffizienz gibt es gute<br />
Daten aus einer kürzlich erschienen Studie<br />
[16]. Bis zu einer GFR ≥ 60 mL/min ist die<br />
Exposition nach einer Einzeldosis Colchizin<br />
im Vergleich zu Nierengesunden unverändert,<br />
währendem Patienten mit einer<br />
GFR von 15 – 60 mL/min eine Verdoppelung<br />
der Exposition aufweisen. Durch<br />
Hämodialyse wird wie erwartet nur ca. 5%<br />
des im Körper befindlichen Colchizins eliminiert<br />
und die Exposition nach einer<br />
Einzeldosis ist ähnlich wie bei Nierengesunden.<br />
Da nur ca. 20% einer Einzeldosis<br />
unverändert renal eliminiert werden,<br />
kann die Verdoppelung der Exposition bei<br />
Niereninsuffizienz am besten durch Kompetition<br />
mit der biliären Ausscheidung von<br />
bei Niereninsuffizienz akkumulierenden<br />
Metaboliten erklärt werden, welche durch<br />
Hämodialyse entfernt werden.<br />
Bei Patienten mit chronischer Hepatopathie<br />
sind die Daten weniger detailliert als<br />
bei Niereninsuffizienz. Bei Patientinnen<br />
mit primär biliärer Zirrhose wurden im<br />
Vergleich zu Lebergesunden keine wesentliche<br />
Veränderung der Kinetik von Colchizin<br />
gefunden [20]. Bei Patienten mit alkoholischer<br />
Leberzirrhose Child A/B war<br />
demgegenüber die Clearance von Colchizin<br />
im Vergleich zu Lebergesunden um ca.<br />
50% reduziert [21].<br />
Die empfohlenen Dosisangleichungen bei<br />
Organdysfunktion sind in Tabelle 3 aufgelistet.<br />
Steroide<br />
Steroide bewirken eine unspezifische Entzündungshemmung,<br />
sie können eingesetzt<br />
werden, falls NSAR oder Colchizin<br />
kontraindiziert sind. Bei Patienten mit<br />
schwergradiger Niereninsuffizienz sind<br />
die Steroide neben den Interleukin-1 Blockern<br />
oft die einzige Therapiealternative.<br />
Sie können sowohl peroral, intraartikulär<br />
oder parenteral verabreicht werden. Die<br />
Dosis peroral wird mit 0.5 mg/kg Prednison<br />
für 3 – 5 Tage angegeben, andere<br />
Therapieschemata empfehlen 0.5 mg/kg<br />
für 3 Tage, dann Tapering und Stopp nach<br />
10 Tagen.<br />
38 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 2 <strong>April</strong> <strong>2018</strong>