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Jahrbuch 2017 der FernUniversität in Hagen

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DIGITAL FORSCHEN<br />

MIT MIKROFON<br />

UND KAMERA<br />

Die Bedeutung audiovisueller Medien nimmt durch den aktuellen<br />

digitalen Transformationsprozess („Digital Turn“) weiter zu –<br />

beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> den Kultur-, Sozial- und Geisteswissenschaften. Sie<br />

setzen schon lange Mikrofon und Kamera <strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschung e<strong>in</strong>.<br />

E<strong>in</strong> Vorreiter hierbei ist das Institut für Geschichte und Biographie<br />

(IGB) <strong>der</strong> <strong>FernUniversität</strong> <strong>in</strong> <strong>Hagen</strong>. Se<strong>in</strong>e Kompetenzen br<strong>in</strong>gt es<br />

jetzt <strong>in</strong> e<strong>in</strong> vom Bundesm<strong>in</strong>isterium für Bildung und Forschung<br />

geför<strong>der</strong>tes Verbundprojekt e<strong>in</strong>. Gerade Forschende werden häufig<br />

mit audiovisuellen Daten konfrontiert, die e<strong>in</strong>e automatisierte<br />

Auswertung erschweren, ohne die die Fluten digitaler Informationen<br />

aber nicht zu bewältigen ist. Nun sollen Werkzeuge und<br />

Verfahren für die Auswertung von Sprachaufnahmen weiterentwickelt<br />

werden, die zum Beispiel <strong>in</strong> Rundfunkarchiven schon mit<br />

Erfolg e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />

Zurzeit s<strong>in</strong>d Transkripte – die wortgetreue Verschriftlichung des gesprochenen<br />

Wortes zum Beispiel <strong>in</strong> Interviews – noch die primäre<br />

Grundlage wissenschaftlicher Arbeit. „Früher haben wir argumentiert,<br />

dass die Audio-Aufzeichnung die eigentliche Quelle <strong>der</strong> Forschung<br />

sei. In <strong>der</strong> Praxis haben wir uns <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel aber mit dem<br />

Transkript zufrieden gegeben, denn die manuelle Interviewauswertung<br />

ist sehr aufwändig“, erläutert Dr. Almut Leh, die<br />

das Archiv „Deutsches Gedächtnis“ des IGB leitet. „Gerade <strong>der</strong><br />

Vergleich von Text und Film zeigt jedoch, wie viel dem Transkript<br />

fehlt.“ Beson<strong>der</strong>s aussagekräftig ist es, Texte als Untertitel <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

entsprechenden Videosequenz ersche<strong>in</strong>en zu lassen, denn erst<br />

die Bil<strong>der</strong> machen nicht-sprachliche Aspekte <strong>der</strong> Kommunikation<br />

differenziert erfassbar. Leh: „Man analysiert den Inhalt und die<br />

Art, wie gesprochen wird, im Zusammenhang.“<br />

DAS IGB<br />

In den Arbeiten des Instituts für Geschichte<br />

und Biographie (IGB) geht es darum, wie<br />

Menschen Geschichte erfahren und erlebt<br />

haben, wie historische Erfahrungen verarbeitet<br />

wurden und welche Bedeutung frühere<br />

Erfahrungen für spätere Phasen <strong>der</strong><br />

Geschichte hatten und haben. Im Rahmen<br />

se<strong>in</strong>er lebensgeschichtlichen Forschungsarbeit<br />

produziert es u. a. wissenschaftliche<br />

Filme, betreibt das Archiv für subjektive Er<strong>in</strong>nerungszeugnisse<br />

„Deutsches Gedächtnis“<br />

und veranstaltet die Reihe „Lüdenschei<strong>der</strong><br />

Gespräche“. Im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Nutzung<br />

erfahrungsgeschichtlicher Quellen steht<br />

<strong>der</strong> Transfer <strong>der</strong> damit verbundenen methodischen<br />

Fragen <strong>in</strong> die Fernlehre. Am Institut wird<br />

„BIOS. Zeitschrift für Biographieforschung,<br />

Oral History und Lebensverlaufsanalysen“<br />

herausgegeben und das Sekretariat <strong>der</strong> International<br />

Oral History Association betrieben.<br />

Das Gesprochene kann durch die digitale Analyse- und Auswertungsmethode<br />

des sogenannten „Audio M<strong>in</strong><strong>in</strong>g“ automatisiert<br />

und schneller aufbereitet und <strong>in</strong> Textdateien umgewandelt wer-<br />

FORSCHUNG<br />

18<br />

Dr. Almut Leh mit Kolleg<strong>in</strong> Dr. Eva Ochs (li.)<br />

den. Damit wird die digitale Datenflut beherrschbar: Direkte Zugriffe<br />

auf e<strong>in</strong>zelne Begriffe, Abschnitte und Ereignisse werden<br />

möglich, denn Aufnahmen können unterteilt, kopiert, abgespeichert<br />

und wie<strong>der</strong>verwendet werden. „Ich arbeite mit dem vollständigen<br />

Interview. Dass das e<strong>in</strong> höheres Erkenntnispotenzial<br />

hat, liegt auf <strong>der</strong> Hand“, unterstreicht Leh. So ergeben sich auch<br />

neue Dokumentations-, Publikations- und Archivierungsmöglichkeiten,<br />

z.B. im Internet.<br />

E<strong>in</strong> zentrales Problem liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Auswertung von Aufnahmen, die<br />

– im Gegensatz zu Aufnahmen etwa im Nachrichtenbereich – oft<br />

unter Rauschen, Übersteuerung o<strong>der</strong> schlechter Platzierung des Mikrofons<br />

leiden. Da digitale Geräte e<strong>in</strong>fach zu bedienen s<strong>in</strong>d, kommt<br />

heute oft ke<strong>in</strong> Team von Fachleuten für die Technik zum E<strong>in</strong>satz,<br />

son<strong>der</strong>n nur e<strong>in</strong>e Handycam, die von <strong>der</strong> <strong>in</strong>terviewenden Person<br />

„mitbedient“ wird. Nicht zu vergessen s<strong>in</strong>d undeutliches Sprechen<br />

o<strong>der</strong> Dialekt <strong>der</strong> Interviewten, die Alterung archivierter Magnetbän<strong>der</strong><br />

o<strong>der</strong> heute ungebräuchliche Audio- und Videoformate.<br />

Das IGB stellt für das Projekt archivierte Interviews als Datenmaterial<br />

zur Verfügung und evaluiert die entwickelten Werkzeuge <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er wissenschaftlichen Pilotstudie. Weitere Partner neben dem<br />

Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme<br />

s<strong>in</strong>d das Max-Planck-Institut für Psychol<strong>in</strong>guistik und das<br />

Data Center for the Humanities, Universität zu Köln. Das Institut<br />

für L<strong>in</strong>guistik <strong>der</strong> Uni Köln koord<strong>in</strong>iert das Gesamtprojekt.

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