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GAB Juli 2018

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30 BÜHNE<br />

INTERVIEW<br />

DAS ENDE DES<br />

SCHWEIGENS<br />

FOTO: DENNIS DUDDA<br />

Ronny Rolls bei den Dreharbeiten<br />

Dazu muss man wissen: Viele der Akten<br />

wurden damals einfach vernichtet, weil die<br />

Vergehen nach Paragraf 175 wie Diebstähle<br />

behandelt wurden. Meistens behielt man<br />

Beispielfälle. Das hat mich motiviert, den<br />

Film zu machen.<br />

Spannend ist, dass du für deinen<br />

Film nicht nur Geschichtsexperten<br />

interviewt hast, sondern auch<br />

Zeitzeugen ...<br />

Ja, vor allem Wolfgang Launinger, der<br />

Jahrgang 1918 ist und leider im Dezember<br />

vergangen Jahres verstarb, konnte mir viel<br />

aus der damaligen Zeit erzählen. Auch<br />

der Wiesbadener Bernd Lottermann, der<br />

als Travestiekünstler Ronny Rolls in ganz<br />

Europa unterwegs war, ist dabei. Er spielt<br />

„die Gräfin“, einen KZ-Inhaftierten, der<br />

überlebt hat und in den 50ern aufgrund<br />

des Paragrafen 175 wieder Ärger mit der<br />

Polizei bekam. Das ist eine von vielen<br />

Geschichten des Films, die alle auf wahren<br />

Begebenheiten beruhen. Als Experten<br />

sind unter anderem Christian Setzepfandt<br />

dabei, der als Frankfurter Stadthistoriker<br />

ja besonders viel über die Homosexuellenszene<br />

gesammelt hat, der Historiker<br />

Markus Velke (Anm.d.Red.: unter anderem<br />

Vorstandsmitglied im Centrum Schwule<br />

Geschichte Köln), sowie Horst Riethausen,<br />

der den Roman „Judasengel“ geschrieben<br />

hat, der auf den Frankfurter Prozessen<br />

beruht. Er war auch derjenige, dessen<br />

Facebook-Post über den Goetheturm ich<br />

gelesen hatte. Der Aktivist und Historiker<br />

Gottfried Lorenz konnte mir darüber hinaus<br />

viel über die damalige Szene erzählen.<br />

Der Filmemacher van-Tien<br />

Hoang aus dem nordrheinwestfälischen<br />

Ratingen arbeitet in<br />

seinem Film „Das Ende des Schweigens“<br />

ein Kapitel bisher wenig<br />

beachteter Schwulen-Geschichte<br />

auf: Die Frankfurter Homosexuellen-<br />

Prozesse der Jahre 1950/51, zu<br />

denen die Polizei auf außerordentlich<br />

brutale Art und Weise Razzien<br />

durchführte und eine regelrechte<br />

Hetzjagd gegen Schwule eröffnete.<br />

In einer Mischung aus Spielszenen<br />

und Interviews mit Zeitzeugen und<br />

Geschichtsexperten dokumentiert<br />

der zu einem erheblichen Teil selbstfinanzierte<br />

Film ein Stück Frankfurter<br />

Stadt- und Szene-Geschichte,<br />

das sonst womöglich in Vergessenheit<br />

geraten wäre. Der Film entstand<br />

an Frankfurter Schauplätzen und<br />

mit vielen bekannten Gesichtern als<br />

Darsteller und Interviewpartner. Das<br />

<strong>GAB</strong> Magazin hat van-Tien Hoang<br />

zum Interview getroffen.<br />

Wie bist du auf das Thema der<br />

Frankfurter Strafprozesse<br />

gekommen?<br />

Im Sommer 2015 habe ich auf Facebook<br />

einen Post eines Bekannten entdeckt: Die<br />

Geschichte eines jungen Mannes, der sich<br />

in den 50ern vom Goetheturm in den Tod<br />

gestürzt hat. Mich hat das berührt und<br />

ich habe begonnen, ein bisschen nachzuforschen<br />

und bin dann auf die Frankfurter<br />

Homosexuellenprozesse gestoßen.<br />

Erstaunlicherweise gibt es kaum Aufzeichnungen<br />

oder Dokumentationen zu diesem<br />

Thema. Selbst als ich im Hessischen<br />

Staatsarchiv nachgefragt habe, musste der<br />

dortige Archivar erst einmal recherchieren.<br />

REGISSEUR VAN-TIEN HOANG<br />

Regisseur van-Tien Hoang<br />

Wie kann man sich die damalige<br />

Szene vorstellen?<br />

Es gab zwar Bars und Treffpunkte, aber<br />

alles war sehr versteckt und geheim. Wenn<br />

damals Schwule sich mit weiblichen Namen<br />

angeredet haben, war das keine Koseform,<br />

sondern eher ein Deckname – niemand hat<br />

damals seinen echten Namen benutzt. Ob<br />

das Leben als Schwuler damals lebenswert<br />

war? Lorenz sagt, man hätte sich arrangiert<br />

mit den Gegebenheiten. Und schon damals<br />

wurde differenziert: Es gab die bürgerlichen<br />

Schwulen, die sich als ‚ganz normale Männer’<br />

begriffen, die eben Männer lieben, und<br />

es gab die Tunten, die sich nicht verstecken<br />

konnten. Die waren aber eher die Außenseiter.<br />

Daran hat sich, meiner Meinung nach,<br />

bis heute nicht viel geändert.<br />

Otto Blankenstein ist eine zentrale<br />

Figur in deinem Film – was hat es mit<br />

ihm auf sich?<br />

Otto Blankenstein übernahm bei den<br />

Prozessen die Rolle des Kronzeugen.<br />

Er war ein Edelstricher, eine gepflegte<br />

Erscheinung, elegant gekleidet und mit<br />

guten Umgangsformen. Wie die berühmte<br />

Rosemarie Nitribit hatte auch er ein Büch-

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