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30 BÜHNE<br />
INTERVIEW<br />
DAS ENDE DES<br />
SCHWEIGENS<br />
FOTO: DENNIS DUDDA<br />
Ronny Rolls bei den Dreharbeiten<br />
Dazu muss man wissen: Viele der Akten<br />
wurden damals einfach vernichtet, weil die<br />
Vergehen nach Paragraf 175 wie Diebstähle<br />
behandelt wurden. Meistens behielt man<br />
Beispielfälle. Das hat mich motiviert, den<br />
Film zu machen.<br />
Spannend ist, dass du für deinen<br />
Film nicht nur Geschichtsexperten<br />
interviewt hast, sondern auch<br />
Zeitzeugen ...<br />
Ja, vor allem Wolfgang Launinger, der<br />
Jahrgang 1918 ist und leider im Dezember<br />
vergangen Jahres verstarb, konnte mir viel<br />
aus der damaligen Zeit erzählen. Auch<br />
der Wiesbadener Bernd Lottermann, der<br />
als Travestiekünstler Ronny Rolls in ganz<br />
Europa unterwegs war, ist dabei. Er spielt<br />
„die Gräfin“, einen KZ-Inhaftierten, der<br />
überlebt hat und in den 50ern aufgrund<br />
des Paragrafen 175 wieder Ärger mit der<br />
Polizei bekam. Das ist eine von vielen<br />
Geschichten des Films, die alle auf wahren<br />
Begebenheiten beruhen. Als Experten<br />
sind unter anderem Christian Setzepfandt<br />
dabei, der als Frankfurter Stadthistoriker<br />
ja besonders viel über die Homosexuellenszene<br />
gesammelt hat, der Historiker<br />
Markus Velke (Anm.d.Red.: unter anderem<br />
Vorstandsmitglied im Centrum Schwule<br />
Geschichte Köln), sowie Horst Riethausen,<br />
der den Roman „Judasengel“ geschrieben<br />
hat, der auf den Frankfurter Prozessen<br />
beruht. Er war auch derjenige, dessen<br />
Facebook-Post über den Goetheturm ich<br />
gelesen hatte. Der Aktivist und Historiker<br />
Gottfried Lorenz konnte mir darüber hinaus<br />
viel über die damalige Szene erzählen.<br />
Der Filmemacher van-Tien<br />
Hoang aus dem nordrheinwestfälischen<br />
Ratingen arbeitet in<br />
seinem Film „Das Ende des Schweigens“<br />
ein Kapitel bisher wenig<br />
beachteter Schwulen-Geschichte<br />
auf: Die Frankfurter Homosexuellen-<br />
Prozesse der Jahre 1950/51, zu<br />
denen die Polizei auf außerordentlich<br />
brutale Art und Weise Razzien<br />
durchführte und eine regelrechte<br />
Hetzjagd gegen Schwule eröffnete.<br />
In einer Mischung aus Spielszenen<br />
und Interviews mit Zeitzeugen und<br />
Geschichtsexperten dokumentiert<br />
der zu einem erheblichen Teil selbstfinanzierte<br />
Film ein Stück Frankfurter<br />
Stadt- und Szene-Geschichte,<br />
das sonst womöglich in Vergessenheit<br />
geraten wäre. Der Film entstand<br />
an Frankfurter Schauplätzen und<br />
mit vielen bekannten Gesichtern als<br />
Darsteller und Interviewpartner. Das<br />
<strong>GAB</strong> Magazin hat van-Tien Hoang<br />
zum Interview getroffen.<br />
Wie bist du auf das Thema der<br />
Frankfurter Strafprozesse<br />
gekommen?<br />
Im Sommer 2015 habe ich auf Facebook<br />
einen Post eines Bekannten entdeckt: Die<br />
Geschichte eines jungen Mannes, der sich<br />
in den 50ern vom Goetheturm in den Tod<br />
gestürzt hat. Mich hat das berührt und<br />
ich habe begonnen, ein bisschen nachzuforschen<br />
und bin dann auf die Frankfurter<br />
Homosexuellenprozesse gestoßen.<br />
Erstaunlicherweise gibt es kaum Aufzeichnungen<br />
oder Dokumentationen zu diesem<br />
Thema. Selbst als ich im Hessischen<br />
Staatsarchiv nachgefragt habe, musste der<br />
dortige Archivar erst einmal recherchieren.<br />
REGISSEUR VAN-TIEN HOANG<br />
Regisseur van-Tien Hoang<br />
Wie kann man sich die damalige<br />
Szene vorstellen?<br />
Es gab zwar Bars und Treffpunkte, aber<br />
alles war sehr versteckt und geheim. Wenn<br />
damals Schwule sich mit weiblichen Namen<br />
angeredet haben, war das keine Koseform,<br />
sondern eher ein Deckname – niemand hat<br />
damals seinen echten Namen benutzt. Ob<br />
das Leben als Schwuler damals lebenswert<br />
war? Lorenz sagt, man hätte sich arrangiert<br />
mit den Gegebenheiten. Und schon damals<br />
wurde differenziert: Es gab die bürgerlichen<br />
Schwulen, die sich als ‚ganz normale Männer’<br />
begriffen, die eben Männer lieben, und<br />
es gab die Tunten, die sich nicht verstecken<br />
konnten. Die waren aber eher die Außenseiter.<br />
Daran hat sich, meiner Meinung nach,<br />
bis heute nicht viel geändert.<br />
Otto Blankenstein ist eine zentrale<br />
Figur in deinem Film – was hat es mit<br />
ihm auf sich?<br />
Otto Blankenstein übernahm bei den<br />
Prozessen die Rolle des Kronzeugen.<br />
Er war ein Edelstricher, eine gepflegte<br />
Erscheinung, elegant gekleidet und mit<br />
guten Umgangsformen. Wie die berühmte<br />
Rosemarie Nitribit hatte auch er ein Büch-