ECO Business_No.6
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KUNST<br />
1910 heiratet Reinhardt die erfolgreiche Schauspielerin<br />
Else Heims (1878-1958). Sie ist seit 1896 ebenfalls Ensemblemitglied<br />
im Deutschen Theater. Er hat bereits aus<br />
einer anderen Beziehung eine uneheliche Tochter, als seine<br />
Söhne Wolfgang und Gottfried geboren werden. Am<br />
1. Dezember 1911 inszeniert Reinhardt das erste Mal den<br />
„Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal, mit welchem<br />
er seit 1903 befreundet ist. Im Berliner Zirkus Schumann<br />
uraufgeführt, hinterlässt das Stück jedoch keinen bleibenden<br />
Eindruck. 1915 übernimmt Reinhardt zusätzlich<br />
die Leitung der Berliner Volksbühne. Am Zenit seines<br />
Erfolges angelangt, kauft er 1918 Schloss Leopoldskron<br />
und verlässt ein Jahr später seine Familie für die sechzehn<br />
Jahre jüngere Helene Thimig, die er 1913 kennengelernt<br />
hatte. Es folgt ein mehr als 16 Jahre langer zermürbender<br />
Scheidungskrieg mit seiner<br />
Frau.<br />
Gegen Ende des ersten Weltkrieges<br />
war die Idee entstanden,<br />
durch Friedensfestspiele<br />
Österreich, zumindest auf dem<br />
Gebiet der Kunst, wieder zu<br />
Europas Zentrum zu machen.<br />
Zusammen mit Hugo von<br />
Hofmannsthal, dem Komponisten<br />
Richard Strauss, dem<br />
Bühnenbildner Alfred Roller<br />
und dem Wiener Hofoperndirektor<br />
Franz Schalk gründet<br />
er 1920 die Salzburger Festspiele.<br />
Leopoldskron wird zum<br />
Treffpunkt der bedeutendsten<br />
Schauspieler, Schriftsteller,<br />
Komponisten und Theaterproduzenten<br />
aus ganz Europa<br />
mit Aristokraten, Geschäftspartnern<br />
und Mäzenen. Reinhardts<br />
private Theaterproduktionen<br />
finden im Park, im Gartentheater, am Weiher aber<br />
auch im Schloss statt. Schauspieler und Publikum wandern<br />
dabei von einem Raum in den nächsten, die prachtvollen<br />
Zimmer werden zur Bühne.<br />
In Wien erwirbt er 1923 das Theater in der Josephstadt<br />
und eröffnet 1928 eine Schauspiel- und Regieschule, das<br />
bis heute bestehende Max Reinhardt - Seminar. 1932<br />
zieht sich Reinhardt aus seinem Theaterimperium in<br />
Deutschland zurück. Die von den Nationalsozialisten<br />
angebotene „Ehren-Arierschaft“ lehnt er ab und bereitet<br />
sich auf seine Emigration vor. Nach der Scheidung<br />
von seiner ersten Frau heiratet er Helene Thimig 1935<br />
während eines Gastspiels in den USA. Ein letztes Mal auf<br />
deutschem Boden inszeniert er 1937 bevor er in die USA<br />
ins Exil geht. Helene Thimig folgt ihm nach. Sofort nach<br />
dem Anschluss Österreichs an Deutschland 1938 wird<br />
das Schloss von der nationalsozialistischen Regierung<br />
als „jüdischer Besitz“ konfisziert. Stéphanie Prinzessin<br />
zu Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst (geb. Richter)<br />
soll im Auftrag von Adolf Hitler und Hermann Göring<br />
Leopoldskron zum Gästehaus des Regimes ausbauen.<br />
Währenddessen gründet Reinhardt in den USA die<br />
Theater-und Filmakademie „Max Reinhardt Workshop“,<br />
1940 erhalten er und seine Frau die amerikanische Staatsbürgerschaft.<br />
An seine Erfolge kann Reinhardt jedoch<br />
nicht mehr anknüpfen. Es<br />
fehlt auch an Kapital: Zitat:<br />
„Jetzt bin ich seit fünfviertel<br />
Jahren hier und suche Geld<br />
für schöne Sachen. Aber die<br />
Leute stecken es lieber in die<br />
„Lustige Witwe“. Dabei kann<br />
einem schon das Lachen vergehen<br />
... der Rest ist Kreide.“<br />
Am 9. Oktober 1943, dem<br />
Tag des Jom Kippur-Festes,<br />
verbringt er, der dem Katholizismus<br />
mit seiner barocken<br />
Pracht immer zugetan war,<br />
einige Stunden in der Synagoge.<br />
Zitat: „... ich bin ein gottgläubiger<br />
und im eigentlichen<br />
Sinn frommer Mensch. Seit<br />
meiner Kindheit finde ich im<br />
Auf und Nieder des Lebens<br />
mein inneres Gleichgewicht<br />
immer wieder im Gebet.“<br />
Verarmt und enttäuscht stirbt er am 31. Oktober 1943 in<br />
einem Hotelzimmer in New York an den Folgen mehrerer<br />
Schlaganfälle. Schloss Leopoldskron dient zwischen 1938<br />
und 1945 als Wohnsitz lokaler Nationalsozialisten, zu<br />
Festspielzeiten finden offizielle Empfänge und Einladungen<br />
statt. Nach Kriegsende wird das Schloss vom US Militär<br />
umgehend beschlagnahmt und militärisches Personal<br />
untergebracht. Helene Thimig-Reinhardt kehrt 1946<br />
nach Österreich zurück und überlässt Leopoldskron dem<br />
1947 gegründeten „Salzburg Seminar in American Studies“,<br />
1969 verkauft sie es an die Nachfolgeorganisation,<br />
dem heutigen Salzburg Global Seminar. Eva von Schilgen<br />
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