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XiGuide 2018

Der XiGuide - das Kundenmagazin von XiTrust in der aktuellen Version. Alles rund um das Thema elektronische Signatur und Verschlüsselung, Interviews mit Referenzkunden und Hintergrundinformationen zu XiTrust. Viel Spaß beim Lesen!

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HOMESTORY<br />

EINFACH ECHT<br />

Die Themen Datenintegrität und -authentizität sind keine Erfindungen<br />

des digitalen Zeitalters. Das Handwerk des Stempelerzeugers<br />

zeugt von der langen Tradition originaler Dokumente. Ihnen<br />

verlieh nur der von Hand gefertigte Stempel ihre Echtheit und<br />

die Sicherheit, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Ein Besuch<br />

bei Europas letztem Stampiglienerzeuger Heimo Fließ.<br />

Manchmal beginnt Datenauthentizität<br />

mit einem langen Nagel am<br />

rechten Daumen. Heimo Fließ steht<br />

in seiner alten Werkstatt und zieht<br />

eine der sehr schmalen, sehr breiten<br />

Schubladen auf. In ihnen lagern<br />

Hunderttausende Bleilettern. Geordnet<br />

wie am letzten Tag seiner Handwerksstätigkeit.<br />

1998 ist er als letzter<br />

handarbeitender Stempelmacher Europas<br />

in Pension gegangen. Die Werkstatt<br />

lagert heute im Keller seines<br />

Wohnhauses in Leoben in der Steiermark.<br />

„Mein Handwerk gibt es nicht<br />

mehr in der Form. Heute ist ja alles<br />

digitalisiert“, sagt der heute 80-Jährige.<br />

Während der Letternsatz aus den<br />

Werkstätten verschwunden ist, 40<br />

von ihnen hat es nach 1945 in Österreich<br />

noch gegeben, ist heute der<br />

Lichtsatz an seine Stelle getreten.<br />

Stempel indessen hat es als Beleg der<br />

Echtheit eines Dokuments eigentlich<br />

schon immer gegeben. Die ersten historisch<br />

belegbaren Siegelstempel datieren<br />

um das Jahr 3100 v. Chr. und<br />

werden den Sumerern zugeschrieben.<br />

Gearbeitet wurde mit Edelsteinen<br />

wie Onyx oder Achat. In sie wurden<br />

die Siegel eingraviert. Seit dem<br />

frühen Mittelalter bezeugten in Europa<br />

Wachssiegel Absender und Echtheit<br />

eines Dokuments.<br />

500.000 Bleilettern<br />

Wo welcher Buchstabe in den hölzernen<br />

Setzkästen liegt, weiß Heimo<br />

Fließ immer noch mit traumwandlerischer<br />

Sicherheit. „Hier drin haben<br />

wir ein ‚m' und dies hier ist ein<br />

Querstrich.“ Man muss schon sehr<br />

genau hinsehen, um das zu überprüfen.<br />

Die Buchstaben an den Enden<br />

der hauchdünnen Blei-Zink-Elemente<br />

sind nämlich mikroskopisch klein.<br />

Aber: alles stimmt. „Um die einzelnen<br />

Buchstaben sicher zu fassen zu<br />

kriegen und sie für einen Stempel anzuordnen,<br />

brauchte ich einen langen<br />

Daumennagel. Sonst wären sie mir<br />

entwischt“, sagt Heimo Fließ mit einem<br />

Schmunzeln. Etwa eine halbe<br />

Million einzelner Bleilettern lagern in<br />

den 70 Schubladen der Werkstatt.<br />

Das Handwerk hat Heimo Fließ von<br />

seinem Vater erlernt, der sich nach<br />

dem Krieg als Autodidakt eine Werkstatt<br />

als Stampiglienerzeuger – so die<br />

offizielle Berufsbezeichnung – aufgebaut<br />

hat. Die dazugehörige Urkunde<br />

hängt auch noch im Keller, wo eine<br />

feine Staubschicht über dem Inventar<br />

vom Vergehen der Zeit berichtet.<br />

Mit höchster Sorgfalt und Präzision<br />

hat er pro Monat 200 Stempel angefertigt.<br />

Nur sie bezeugten Echtheit<br />

und Autorität eines Dokuments.<br />

1951 trat er als einziger Stempelerzeugerlehrling<br />

in den väterlichen Betrieb<br />

ein. Weit hatte er es nicht zum<br />

Arbeitsplatz: Die Werkstatt in Leoben<br />

ist immer ein Teil der Wohnung von<br />

Familie Fließ gewesen. Ab 1963 übernahm<br />

Heimo Fließ den Familienbe-<br />

trieb. „Die 60er- und 70er Jahre waren<br />

die Glanzzeiten meines Betriebs“,<br />

erinnert sich der alte Herr mit dem<br />

gepflegten weißen Rauschebart, „ich<br />

hatte immer gut zu tun.“ Wie sein<br />

Handwerk hat auch die Biografie des<br />

pensionierten Stempelmachers Seltenheitswert:<br />

Fließ ist kein einziges<br />

Mal in seinem Leben umgezogen.<br />

Auto vom Überschuss<br />

Die Geschäfte des Stampiglienerzeugers<br />

verliefen über die Jahre<br />

durchaus volatil. An die Glanzzeiten<br />

erinnert er sich ganz gern. „Ich hatte<br />

einige wirklich gute Jahre, da ist sogar<br />

etwas übrig geblieben.“ Zum Beispiel<br />

die 100.000 Schilling, von denen<br />

er sich sein erstes Auto in den 60ern<br />

leisten konnte. „Meine hohe Qualität<br />

war gleichzeitig ein Problem: Die<br />

Stempel, die ich gefertigt habe, hielten<br />

ein Leben lang. Nachbestellungen<br />

waren dann nicht mehr nötig.“<br />

Das Verfahren, mit dem der Stampiglienerzeuger<br />

Fließ in seiner Werkstatt<br />

gearbeitet hat, beherrscht er<br />

noch heute wie am ersten Tag. „Das<br />

ist in Fleisch und Blut übergegangen!“<br />

Nachdem der Satz der Buchstaben<br />

eines Stempels mit langem Daumennagel<br />

komplettiert ist, wird der<br />

in eine halbfeuchte Masse aus Gips<br />

und anderen Zutaten wie Kaolin und<br />

Dextrin gepresst. Das so entstandene<br />

Negativ muss nun bei 50 Grad Celsius<br />

austrocknen. „Dann erst kann ich<br />

es von Hand nachbearbeiten und Ungenauigkeiten<br />

mit Messer und Schere<br />

nachbessern“, doziert Meister Fließ,<br />

den es spürbar in den Fingern juckt.<br />

Der Naturkautschuk, aus dem<br />

schließlich der eigentliche Stempel<br />

gefertigt wird, kann nun in den<br />

Gipsabdruck gelegt werden. Mit der<br />

von Hand betriebenen Schraubstock-Presse<br />

werden beide Elemente<br />

fest aneinander gepresst, eine Zeit<br />

lang erhitzt und dadurch vulkanisiert.<br />

So entsteht das Stempelgummi,<br />

das nun behutsam in seine hölzerne<br />

Stempelform gearbeitet wird. Für filigranere<br />

Arbeiten wie Firmenlogos<br />

oder Unterschriften in Stempelform<br />

wurde ein Graveur hinzugezogen.<br />

„Das waren Leute, die spiegelverkehrte<br />

Unterschriften perfekt gravieren<br />

konnten!“, schwärmt der Meister.<br />

Zeugnis der Wirtschaftsgeschichte<br />

Wer sich alles Stempelunikate von<br />

ihm und vor ihm von seinem Vater<br />

hat anfertigen lassen, kann man<br />

ziemlich genau nachlesen. „Das ist<br />

alles in meinen Heften dokumentiert,<br />

schauen Sie“, sagt Fließ voller Stolz<br />

und schlägt eine Seite auf. Hier drin<br />

ist jede einzelne unserer Arbeiten<br />

verewigt!“ Stempel an Stempel, dicht<br />

gedrängt, lesen sich in ihrer Zahl und<br />

Vielfältigkeit als lebendiges Zeugnis<br />

österreichischer Wirtschafts- und<br />

Kulturgeschichte nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg.<br />

Industrieunternehmen wie die<br />

VOEST, die Gösser „Bierniederlage<br />

Mitterndorf“, aber auch längst versunkene<br />

Dynastien wie die „Modernste<br />

Repassieranstalt Steffi Richter“ haben<br />

bei Heimo Fließ handgefertigte<br />

Stempel bestellt. Auch Ämter und<br />

Behörden zieren die Kundenliste. Ein<br />

Stempel für die Justiz bescheinigt humorlos:<br />

„Haft!“ Dazu der Metzger am<br />

Ort, der „Alpine Volks- und Gebirgstrachten-Erhaltungs-Verein“<br />

und ungezählte<br />

Privatleute: Stempel gal-<br />

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