Berufspraxis und Berufsbild im Umbruch? Von Muriel Surdez - SAVIR
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Die Feminisierung des Veterinärwesens in der Schweiz Prof. <strong>Muriel</strong> <strong>Surdez</strong><br />
zurückhaltend gewesen waren. Die wichtigsten genannten auslösenden Ereignisse sind die<br />
Folgenden: Der Eintritt eines oder einer neuen Angestellten oder Vorgesetzten, was zu einer<br />
Umgestaltung der bestehenden Beziehungen in einem Team führt; die Weigerung, gewisse<br />
Arten der Pflege oder Tätigkeiten durchzuführen (ein aufgeregtes Tier auf der Stelle zu<br />
behandeln <strong>und</strong> nicht in den Praxisräumlichkeiten); eine Gefahr, die plötzlich<br />
unverhältnismässig erscheint (nächtliche Notfälle <strong>im</strong> Winter oder zu schnelles Fahren).<br />
Der Stellenwert des Familienlebens mit den dazugehörenden einschneidenden Etappen ist<br />
selbstverständlich ein wichtiger Gr<strong>und</strong> für den Berufsausstieg. Stellt demnach die<br />
Mutterschaft ein Hauptgr<strong>und</strong> für den Berufsausstieg der Frauen dar? Zwei Kategorien von<br />
Frauen lassen sich in dieser Hinsicht unterscheiden: Die erste Kategorie gibt an, dass sie<br />
schon seit Studienbeginn der Karriere als Mutter Priorität einräumt. Das heisst nicht, dass die<br />
Frauen ihren Beruf nicht schätzen würden oder dilettantenhaft darin eingestiegen wären. Aber<br />
für sie ist es normal, eine Ausbildung zu machen <strong>und</strong> bei der Geburt eines Kindes die<br />
Berufstätigkeit zu unterbrechen (vgl. dazu die Zukunftsvorstellungen der befragten<br />
Studentinnen in Teil 1). Es stellt sich die Frage, ob diese Frauen bereit sind oder nicht, später<br />
ihre Arbeit wieder aufzunehmen, wenn die Kinderbetreuung abgeschlossen ist.<br />
Die Interviewten der zweiten Kategorie werden sich der Schwierigkeiten, Beruf <strong>und</strong> Familie<br />
in Einklang zu bringen, mit fortschreitender Karriere <strong>und</strong> bei der Geburt des ersten Kindes<br />
bewusst, insbesondere wenn sie durch Abend-, Nacht- <strong>und</strong> Wochenenddienste vereinnahmt<br />
werden. Ob sie diese Situation als problematisch erleben oder akzeptieren, hängt zum Teil<br />
von ihrer Sozialisierung <strong>und</strong> ihren Erfahrungen in der eigenen Kindheit ab: Haben die Eltern<br />
<strong>und</strong> vor allem die Mutter ihnen ein Frauenbild vermittelt, bei dem sich die Frau als Hausfrau<br />
<strong>und</strong>/oder <strong>im</strong> Beruf verwirklicht? Handeln sie in Anpassung oder in Reaktion auf dieses<br />
Modell? Der Berufsausstieg wird umso wahrscheinlicher, je begrenzter die finanziellen <strong>und</strong><br />
persönlichen Möglichkeiten sind, Haushalts- <strong>und</strong> Betreuungsaufgaben an andere<br />
Familienmitglieder oder an Dritte zu übertragen. Die öffentlichen, in der Schweiz wenig<br />
verbreiteten Kinderbetreuungssysteme sind den speziellen Arbeitszeiten von Tierärztinnen<br />
<strong>und</strong> Tierärzten ausgesprochen schlecht angepasst.<br />
Im Laufe der Zeit wird die Anwesenheit von Kindern <strong>im</strong> Beziehungs- <strong>und</strong> Berufsalltag<br />
best<strong>im</strong>mend. Der Berufsausstieg muss nicht unbedingt direkt vor oder nach der Mutterschaft<br />
stattfinden: Einige Interviewte geben an, sie seien während der Schwangerschaft auf grosses<br />
Verständnis seitens der Arbeitgeber oder Klienten gestossen, die sogar erwarteten, dass sie<br />
früher unterbrechen oder vermehrt Vorsichtsmassnahmen ergreifen würden.<br />
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