1 - Eulenfisch - Bistum Limburg
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Urlaubsprogramm einer solchen Seinsverbesserung.<br />
Dass die entsprechende Klostergemeinschaft diesbezüglich<br />
als Sinnbild und nicht wie bei den religiösen<br />
Neigungsgruppen als Vorbild genutzt wird, liegt an<br />
den unterschiedlichen Zielen und Motiven, mit denen<br />
die einen wie die anderen ihren Weg ins Kloster finden.<br />
Es liegt aber auch daran, dass die Sendesignale des<br />
Klosters erfreulich doppeldeutig sind. Sie können nicht<br />
nur binnenreligiös empfangen und verwertet werden,<br />
sondern auch von denen, die als Individualreisende<br />
nach Strategien ihrer Selbstermächtigung suchen und<br />
in der monastischen Lebenskunst danach Ausschau<br />
halten. Für sie gerinnt die Askese zur wachen Bereitschaft,<br />
ihr Leben zu führen, anstatt es einfach vergehen<br />
zu lassen. Das macht sie nicht zu Kostverächtern,<br />
sondern zu Solidargenossen (aber nicht wie bei den<br />
religiösen Neigungsgruppen zu Geistesverwandten)<br />
der Mönche und Nonnen vor Ort. Wie bei diesen bezieht<br />
sich ihr Fasten auf die Welt, aber so, wie sie sie kennen<br />
» Das Kloster ist der naheliegende Ort, die Askese die<br />
verheißungsvolle Technik für das Urlaubsprogramm einer<br />
solchen Seinsverbesserung. «<br />
und lieben (wollen). Das mehr oder weniger versteckte<br />
Lernziel ist keine Gotteserfahrung – zumindest nicht<br />
unmittelbar. Ihre Begrenzung bis hin zur Entsagung<br />
von der angestammten Welt ist ihnen ein Zeichen der<br />
Selbstmächtigkeit; die ersehnte Schlüsselerfahrung:<br />
es hängt vom Selbst ab, die Grenzen aufrechtzuhalten,<br />
sie durchlässig zu gestalten, aufzulösen oder anders<br />
zu ziehen. Auf einmal kann selbst „der ganz Andere“<br />
wieder eine Chance bekommen.<br />
Das ist mehr als missionarische Pastoral oder individuelle<br />
Seelsorge, die es nie nur um den Preis der<br />
Kirchenmitgliedschaft gibt. Die Chancen reichen ins<br />
Grundsätzliche. In einer nachchristentümlichen Gesellschaft<br />
bietet das Kloster eine identitätsbewusste<br />
und zugleich offene Gelegenheit an, miteinander (wieder)<br />
ins Gespräch und in Berührung zu kommen. Ohne<br />
den kirchlichen Ausverkauf zu betreiben einerseits<br />
und ohne die Sympathisanten dabei zu vereinnahmen<br />
andererseits. Es signalisiert, dass mit dem Christentum<br />
ein attraktiver Lebensstil verbunden ist, dessen<br />
Vielfarbigkeit die moderne Freiheit des Selbst nicht<br />
nur herausfordert, sondern im Sinne der Lebenskunst<br />
krönt.<br />
„Sag mir, wen Du fürchtest und ich sage Dir, wer Du<br />
bist“ 2<br />
Die katholische Welt mag früher oder später wirklich<br />
untergehen, die Klöster wird das nicht unmittelbar<br />
mit in den Abgrund reißen. Sie sind eben echte Klas-<br />
siker: mal mehr, mal weniger gefragt, aber eigentlich<br />
unsterblich. Denn ob sie leben oder sterben, wohin sie<br />
auch gehen, die Himmelsstürmer, am Ende kommen sie<br />
immer nach Hause – zu Gott. Klöster sind Klassiker des<br />
Gottesoptimismus. Deshalb überleben sie einstweilen<br />
auch die Kirchenkrise. Schwieriger wird es für sie in<br />
der Gotteskrise.<br />
ANMERKUNGEN<br />
1<br />
Vgl. Hochschild, M., Neuzeit der Orden?, Kursbuch für Himmelsstürmer,<br />
Münster 2005.<br />
2<br />
Siehe Balzac, H.de, La comédie humaine, hg. v. Fortassier, R. et al.,<br />
Paris 1977, XII, 942.<br />
Prof. DDr. Michael Hochschild ist seit 2003 Professor<br />
für Zeitdiagnostik in Sciences Po Paris. Zum Thema<br />
erschien 2005 sein viel beachtetes Buch „NeuZeit der<br />
Orden?“ (Tyrolia). Seine neuste Publikation trägt den<br />
Titel „Re-Dressuren des Denkens. Freiheit für Bildungsstürmer“<br />
(Lit Verlag).<br />
Kloster Marienstatt © Foto: Yvon Meyer<br />
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