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1 - Eulenfisch - Bistum Limburg

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Es wird deutlich, dass wir hier ein<br />

sehr kompliziertes Autoritätsgefüge<br />

vor Augen haben. Zwar ist sichtbar<br />

der Abt die höchste Autorität,<br />

neben dem Abt steht jedoch die<br />

Regel, über dem Abt und der Regel<br />

das Wort Gottes. Wie immer dieses<br />

„Wort Gottes“ näher bestimmt werden<br />

kann – es stellt eine Größe dar,<br />

auf die insbesondere in Konfliktfällen<br />

verwiesen werden kann.<br />

Dies relativiert in gewissem<br />

Sinne auch die Autorität der Tradition<br />

in Gestalt der Benedikt-Regel<br />

selbst, die im dritten Kapitel neben<br />

dem Abt ausdrücklich als zweite<br />

Autoritätsinstanz für den klösterlichen<br />

Lernweg eingeführt wird.<br />

Die Begründung der Autorität der<br />

Regel geschieht über einen Umweg.<br />

Denn in wichtigen Angelegenheiten<br />

solle der Abt die Gesamtheit<br />

der Mönche zu Rate ziehen. Betont<br />

wird zwar, dass die Entscheidung<br />

vom Abt abhänge, dieser jedoch sei<br />

einer höheren Instanz untergeordnet.<br />

„Wie es jedoch dem Schüler zukommt,<br />

dem Meister zu gehorchen,<br />

so ist es auch geziemend, dass<br />

dieser alles nach Klugheit und Billigkeit<br />

anordnet.“ (Benedikt 1914,<br />

23) Durch wen werden Klugheit<br />

und Billigkeit vorbestimmt? Worin<br />

kommen Klugheit und Billigkeit<br />

zum Ausdruck? Zum einen liegt der<br />

Gedanke nahe, auch hier wieder an<br />

die Autorität des „Wortes Gottes“<br />

zu denken. Dies spielt im Hintergrund<br />

als Korrektiv auch eine zentrale<br />

Rolle. Eine andere Verhältnisbestimmung<br />

macht jedoch deutlich,<br />

dass hier auch die Regel selbst als<br />

Ausdruck von Klugheit und Billigkeit<br />

gemeint sein kann, da dieser<br />

ebenfalls eine leitende Autorität<br />

zugeschrieben wird. So wird im<br />

Verhältnis der Mönche zum Abt<br />

die Autorität des Abtes durch die<br />

nebengeordnete Autorität der Regel<br />

relativiert. Denn auch der Abt<br />

habe sich den Grundsätzen der Regel<br />

unterzuordnen, weil die Regel<br />

als „Meisterin“ verstanden werden<br />

muss: „Alle sollen demnach durchweg<br />

der Regel als Meisterin folgen.“<br />

(Benedikt 1914, 23) Insofern sind<br />

hier dem Verhalten und dem Handeln<br />

des Abtes Grenzen gesetzt und<br />

das Spannungsverhältnis zwischen<br />

den Autoritäten als Berufungsinstanz<br />

für die Gestaltung des Klosterlebens<br />

ist offensichtlich.<br />

Der Abt und die Regel stellen in<br />

ihrem Wechselverhältnis die sichtbare<br />

Autoritätsinstanz im klösterlichen<br />

Leben dar. Es gibt auf dem<br />

klösterlichen Lernweg eine Art<br />

doppelte Autoritätsinstanz. Denn<br />

der Abt ist auf die Regel als Autoritätsmaßstab<br />

verwiesen, kann<br />

sich nicht – zumindest nicht ohne<br />

Konfliktrisiko – in Gegensatz zur<br />

überlieferten Tradition setzen. Umgekehrt<br />

ist die Regel darauf angewiesen,<br />

vom Abt unter den Maßstäben<br />

der „Klugheit und Billigkeit“<br />

umgesetzt zu werden.<br />

Diesen beiden Autoritäten ist<br />

eine dritte, unsichtbare und letztlich<br />

entscheidende Instanz übergeordnet:<br />

Gottes Wort bzw. Gott<br />

selbst. Die Überordnung wird auch<br />

daran deutlich, dass der Abt erinnert<br />

bzw. ermahnt wird, dass er<br />

sich am letzten Ende vor Gott selbst<br />

verantworten müsse. Die die Tradition<br />

verkörpernde Regel ist das<br />

innerweltlich sichtbare Korrektiv,<br />

die Instanz des Wortes Gottes ist<br />

jedoch allem anderen übergeordnet.<br />

Der Abt solle nicht vergessen,<br />

„dass er ohne allen Zweifel über<br />

alle seine Entscheidungen vor Gott,<br />

dem gerechtesten Richter, Rechenschaft<br />

ablegen muss“. (Benedikt<br />

1914, 24) Über der sichtbaren Autoritätskombination<br />

von Abt und Regel<br />

steht also eine letztlich unsichtbare<br />

Autoritätsinstanz, vor der der<br />

Abt sich selbst noch zu verantworten<br />

hat.<br />

Interpretiert werden kann dies<br />

so, dass auch der Abt in seinem verantwortlichen<br />

Handeln sich immer<br />

auf einem Lernweg befindet. Auf<br />

diesem Lernweg soll er Verantwortung<br />

wahrnehmen, die Maßgaben<br />

der Regel angemessen auslegen<br />

und die von der Regel vorgezeichneten<br />

Strukturen pflegen. Aber er<br />

hat sich selber an einer sowohl<br />

seiner Autorität als auch der Autorität<br />

der Regel übergeordneten Autoritätsinstanz<br />

zu orientieren. Der<br />

Abt wird also auf der einen Seite<br />

„erzogen“ durch die Weisungen der<br />

Regel, auf der anderen Seite durch<br />

die eschatologische Rechenschaft,<br />

die er einst vor Gott ablegen muss.<br />

Der Abt spiegelt in seinem Lernweg<br />

somit auf einer höheren Ebene den<br />

Lernweg, den die Mönche unter der<br />

sichtbaren Autoritätsinstanz des<br />

Abtes und der Regel durchschreiten<br />

müssen.<br />

Der Abt als Lehrer<br />

Wodurch tritt der Abt als Lehrer<br />

in Erscheinung? Die Benedikt-Regel<br />

antwortet darauf: durch seine<br />

mündliche Lehre auf der einen Seite<br />

und durch seinen gesamten Lebenswandel,<br />

seinen sichtbaren Habitus<br />

auf der anderen Seite. In der<br />

Regel heißt es: „mehr noch durch<br />

Beispiel als durch Worte über alles<br />

Gute und Heilige“ (Benedikt 1914,<br />

20) solle der Abt seine Schüler belehren.<br />

Im Anschluss an diese grundsätzliche<br />

Rollenzuschreibung an<br />

den Abt formuliert Benedikt dann<br />

eine Art Klosterdidaktik: Bei aller<br />

Orientierung an der Regel und an<br />

dem Wort Gottes soll sich der Abt<br />

in seinem Lehren nämlich immer an<br />

» Adressatenorientierung bzw.<br />

Aneignungsperspektive beim Lehren<br />

und Lernen findet sich an vielen<br />

Stellen der Benedikt-Regel. «<br />

der Eigenheit der Adressaten orientieren.<br />

Die Aufnahmefähigkeit und<br />

der Entwicklungsstand der Lernenden<br />

sind Orientierungspunkte<br />

für das Handeln des Abtes. Dies ist<br />

eine bemerkenswerte anthropologische<br />

Komponente der impliziten<br />

Lerntheorie der Benedikt-Regel.<br />

Aufgrund der Orientierungspunkte<br />

„Aufnahmefähigkeit“ und „Entwicklungsstand“<br />

sind methodische<br />

Jan Polack (um 1435-1519) „Der hl. Benedikt als Vater des abendsländischen Mönchtums und Lehrmeister der Kirche“ Alte Pinacothek München © Blauel/Gnamm Artothek<br />

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