1 - Eulenfisch - Bistum Limburg
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Ein berührendes<br />
Gravitationszentrum<br />
Das Zisterzienserkloster Arnsburg<br />
Von Iris Gniosdorsch<br />
Es gibt wenige Orte im Umkreis von Frankfurt, die eine solche<br />
Dichte an intellektuellen und emotionalen Erfahrungen ermöglichen<br />
wie das seit 1803 aufgegebene Zisterzienserkloster<br />
Arnsburg. Die Ausführungen stellen einen didaktischen Zugang<br />
vor, sich den Anforderungen dieses Ortes in einer Tagesexkursion<br />
angemessen zu nähern.<br />
Nahe der A5 Richtung Kassel, Ausfahrt Lich, liegt<br />
das ehemalige Zisterzienserkloster Arnsburg. Wie bei<br />
den Zisterziensern üblich, liegt es am Ende eines zum<br />
Teil noch heute waldigen Tals einsam an einem Bach.<br />
Eine lauschige Klosterschänke mit einem großen Garten<br />
lockt im Sommer an den Wochenenden Hochzeitsgesellschaften<br />
und Touristen an.<br />
Führt eine Tagesexkursion mit Oberstufenschülern<br />
mit den Fächern Katholische Religion, Ethik, Powi,<br />
Deutsch oder Geschichte dorthin, sollten zur Vorbereitung<br />
mindestens zwei Referate vergeben werden.<br />
Das eine behandelt die religiösen Grundlagen des Zisterzienserordens<br />
sowie die sozialen und kulturellen<br />
Auswirkungen seiner Ausbreitung im 12. und 13. Jahrhundert<br />
in Europa. Das andere sollte mindestens zwei<br />
engagierten Schülern zugewiesen werden, mit dem<br />
Hinweis, über den Inhalt bis zum Tag der Exkursion<br />
Stillschweigen zu bewahren. Der Grund wird später<br />
erklärt.<br />
Die Klosterkirche<br />
Vor Ort besucht man zunächst die Klosterkirche. Durch<br />
ein enges Drehkreuz geht es über ein kurzes Rasenstück<br />
durch das südliche Seitenschiff zum hinteren Ende des<br />
ehemaligen Gotteshauses. Dort sollte sich die Gruppe<br />
zunächst sammeln und die Anlage auf sich wirken lassen.<br />
Meist steht an dieser Stelle ein Holzpodium, da in<br />
der Ruine im Sommer Chorfeste stattfinden.<br />
Die Zisterzienser waren unter anderem dafür<br />
berühmt, dass ihre Kirchenbauten auf jeden ornamentalen<br />
und figürlichen Schmuck verzichteten. Ihr Gründer,<br />
Bernhard von Clairvaux, setzte sich damit von<br />
den Bilder und Prunk liebenden Klöstern der Cluniazenser<br />
ab, die damals den größten religiösen Einfluss<br />
in Europa hatten. Bernhards Klöster sollten durch die<br />
makellose Klarheit ihrer Steinbearbeitung und durch<br />
ihre besonderen mathematischen Maßverhältnisse in<br />
der Gesamtarchitektur des Baus die sie betrachtenden<br />
Menschen in ihrem Gottes- und Lebensverständnis beeindrucken.<br />
Bestimmte mathematisch ausdrückbare<br />
Größenverhältnisse galten als Spiegel einer sinnvoll<br />
von Gott geordneten Welt. Kloster Arnsburg ist in dieser<br />
Hinsicht ein Juwel, das durch seine äußerst stimmungsvolle<br />
Aura unvergesslich wird.<br />
Um diese Bauintention zu erleben, sollte die Gruppe<br />
langsam und vor allen Dingen schweigend bis zum<br />
großen, am Boden liegenden Schlussstein durch das<br />
Hauptschiff nach vorne gehen. Jeder sollte darauf achten,<br />
wie sich das eigene Befinden beim Durchschreiten<br />
der Architektur verändert. Da vor allem das Hauptschiff<br />
kein Dach mehr hat und man auf dem weichen<br />
Rasen den nach oben und nach vorne offenen Raum<br />
erfasst, ist der emotionale Eindruck des stillen Schreitens<br />
sehr tief. Die Betrachter sprechen in der Regel<br />
davon, dass die Mauern sich sukzessive weiten, die<br />
inneren Gefühle deutlich ruhiger und konzentrierter<br />
werden. Wendet man sich am großen Schlussstein um<br />
und schaut zurück, erscheinen die Mauern höher und<br />
Klosterruine Arnsburg © picture alliance<br />
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EULENFISCH _ Kunst & Kultur 63