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1 - Eulenfisch - Bistum Limburg

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hin der Weg führt und welche vielgestaltige<br />

Welt einen erwartet, aber<br />

man bekommt schon erste Richtungsimpulse:<br />

die Stimme spricht<br />

von so ungeheuerlichen Verbrechen<br />

in einer Abtei, dass man am besten<br />

ihren Namen verschweigen sollte.<br />

Die verwendeten Worte verweisen<br />

auf Biographisches (am Ende<br />

meines Lebens angekommen), auf<br />

Religiöses (ich armer Sünder), auf<br />

die Welt des Mittelalters (im Jahre<br />

1327 unseres Herrn), das Genre des<br />

Kriminalromans (schreckliche Ereignisse).<br />

Das erste Bild des Films<br />

zeigt dann die Titelhelden auf ihrem<br />

einsamen Weg durchs unwirtliche<br />

Gebirge hin zur erwähnten<br />

Abtei. Der Film zeichnet, darin<br />

dem Roman folgend, Wege nach:<br />

von historisch belegten und von<br />

fiktionalen Personen, von exemplarischen<br />

Existenzen und Randfiguren.<br />

Film wie Roman stellen paradigmatisch<br />

verwickelte Wegnetze vor:<br />

ein trotz aller Logik unübersichtliches<br />

Kloster und mittendrin eine<br />

– verwirrend mörderische – Bibliothek<br />

als Labyrinth. Am Ende des<br />

Films trennen sich die Pfade der beteiligten<br />

Helden. Das abschließende<br />

Bild zeigt sie wieder auf ihrem Weg<br />

durch das unwirtliche Gebirge weg<br />

von der Abtei des Verbrechens und<br />

mehr oder weniger ratlos über die<br />

Beurteilung des Geschehenen. Die<br />

nachfolgende schwarze Leinwand<br />

ist nun nicht mehr leer, sondern<br />

trägt in roten Lettern den Schriftzug:<br />

Stat rosa pristina nomine, nomina<br />

nuda tenemus (Die Rose von<br />

einst steht nur noch als Name, uns<br />

bleiben nur nackte Namen.)<br />

Denken heißt, nach dem Weg zu<br />

tasten<br />

Zwischen diesen beiden schwarzen<br />

Leinwänden liegen filmisch wie<br />

erzählerisch sieben Tage, die Auskunft<br />

geben über verschiedene Arten,<br />

mit der Welt umzugehen. „Denken<br />

heißt, nach dem Weg zu tasten“<br />

schreibt Eco 1985 in „Semio-<br />

tik und Philosophie der Sprache“<br />

und verweist auf Überlegungen<br />

des Enzyklopädisten D’Alembert:<br />

„Das allgemeine System der Wissenschaften<br />

und Künste ist wie<br />

ein Labyrinth, wie ein Weg mit<br />

vielen Windungen, den der Verstand<br />

beschreitet, ohne zu wissen,<br />

in welcher Richtung er sich halten<br />

muss.“ Einige dieser überlieferten<br />

Wege abendländischen Denkens<br />

stellt Eco im Roman vor.<br />

Da ist zum einen die Figur des<br />

Ubertin Casale, der den mystischen<br />

Weg repräsentiert. „Ziel menschlicher<br />

Aktivitäten ist die unmittelbare<br />

Verbindung mit Gott, an dem<br />

zu zweifeln der Mystiker keinen<br />

Anlass hat, wenn er auch die tradierten<br />

Formen der Vermittlung<br />

göttlichen Heilswirkens glaubt<br />

hinter sich lassen zu können.“ (Georg<br />

Wieland) Wenn auch in gewandelter<br />

Erscheinungsform, so dürfte<br />

dieser Weg – Ablehnung der Institution<br />

Kirche, aber Anerkennung<br />

und Pflege von Spiritualität und<br />

Mystik – weiterhin überaus aktuell<br />

sein.<br />

Einen weiteren Denkweg repräsentiert<br />

im Roman natürlich der<br />

fanatische Bibliothekar Jorge von<br />

Burgos. Für ihn gilt: „Der Wahrheitsanspruch<br />

wird festgehalten<br />

und in eindeutig fragloser Weise<br />

der jeweiligen Gegenwart fordernd<br />

entgegengestellt (...) Jede<br />

Frage nach der Sinndimension der<br />

tradierten Wahrheit bleibt ebenso<br />

ausgeklammert wie der Versuch,<br />

sie mit der jeweiligen Gegenwart<br />

angemessen zu vermitteln.“ (Georg<br />

Wieland) In den Augen nicht Weniger<br />

lässt sich so kritisch die Position<br />

der Kirchen und ihrer institutionellen<br />

Vertreter beschreiben.<br />

Die dritte und im Roman am positivsten<br />

dargestellte Position ist<br />

die des William von Baskerville.<br />

Nach ihm kommt es darauf an, „die<br />

Menschen über die Verhältnisse<br />

zum Lachen zu bringen, um sie aus<br />

diesen Verhältnissen zu befreien,<br />

also das alte sophistische Mittel,<br />

mit dem Ernst des Gegners fertig<br />

zu werden. Der Gegner ist klar<br />

bezeichnet: eine machthungrige<br />

Institution mit fanatischem Wahrheitsanspruch,<br />

die ihre Ziele ohne<br />

Rücksicht auf das, was Menschen<br />

denken, fühlen und hoffen mögen,<br />

durchzusetzen sucht (...) (Lachen)<br />

ist so etwas wie das letzte Mittel<br />

humaner Selbstbehauptung gegenüber<br />

menschenverachtenden<br />

Institutionen.“ (Georg Wieland)<br />

Dies gibt ebenfalls eine verbreitete<br />

Einstellung wieder, auch wenn der<br />

Übergang zum Zynismus naheliegt.<br />

Daneben gibt es im Roman natürlich<br />

noch andere Wege, wenn<br />

auch nicht so detailliert ausgeführt.<br />

Es fällt jedoch auf, dass<br />

wirklich veritable theologische<br />

Wege nicht skizziert werden. Jede<br />

der skizzierten Denktraditionen<br />

lässt sich – mehr oder weniger genau<br />

– einem bestimmten Bild des<br />

Labyrinths zuordnen, wie Eco in<br />

der „Nachschrift“ des Romans darstellt:<br />

das klassisch-griechische,<br />

das barock-manieristische und das<br />

Labyrinth als rhizomatisches Netz-<br />

werk. Insofern sind Film wie Roman<br />

auch heute immer noch eine<br />

Herausforderung für die Beschreibung<br />

der Denkbewegungen der Gegenwart<br />

und nicht nur Beispiele einer<br />

im Historischen schwelgenden<br />

Unterhaltungsindustrie.<br />

Literatur<br />

Umberto Eco: Nachschrift zum „Namen der<br />

Rose“. München 1987.<br />

Alfred Heit: Die ungestillte Sehnsucht – Geschichte<br />

als Roman. In: Alfred Haverkamp/<br />

Alfred Heit (Hg.): Ecos Rosenroman.<br />

Ein Kolloquium. München 1987, 152-184.<br />

Georg Wieland: Gottes Schweigen und das<br />

Lachen der Menschen. In: Haverkamp / Heit<br />

(Hg.). 97-122.<br />

Dr. h.c. Andreas Mertin ist Publizist<br />

und Medienpädagoge und leitet die<br />

internetbasierte Kunstsammlung<br />

„Eule der Minerva“.<br />

Umberto Eco<br />

Umberto Eco war in der wissenschaftlichen Welt kein Unbekannter,<br />

als er sich entschloss, sein wissenschaftliches Werk literarisch zu<br />

ergänzen. Am 5. Januar 1932 in Allessandria geboren schloss er sein<br />

Studium mit einer Dissertation über die Ästhetik bei Thomas von<br />

Aquin ab.<br />

Der wissenschaftlichen Welt wurde er bekannt mit seinem 1962<br />

in Italien und 1973 in Deutschland erschienen Buch „Opera aperta“<br />

bzw. „Das offene Kunstwerk“. 1968 erschien seine Einführung<br />

in die Semiotik, die weiterhin als Standardwerk der Disziplin gilt.<br />

1971 wurde Eco Professor für Semiotik an der Universität Bologna.<br />

Wissenschaftliche bedeutsame Werke außerdem „Lector in fabula“<br />

(1979/87), „Die Grenzen der Interpretation“ (1990/92) und „Woran<br />

glaubt, wer nicht glaubt?“ (zus. mit Carlo Maria Martini 1996/98).<br />

Von Anfang an hat er immer eine Kombination von wissenschaftlicher<br />

und literarischer Tätigkeit gepflegt. Seine literarischen Hauptwerke<br />

sind neben „Der Name der Rose“ die Romane „Das Foucaultsche Pendel“<br />

(1988/89), „Die Insel des vorigen Tages“ (1994/95), „Baudolino“<br />

(2000/01) und „Der Friedhof von Prag“ (2010/11).<br />

Der Name der Rose.<br />

Deutschland/Italien/Frankreich 1986.<br />

Regie Jean-Jaques Annaud.<br />

Produktion: Bernd Eichinger/Bernd Schaefers.<br />

Neue Constantin Film.<br />

Der Film ist von der FSK freigegeben ab einem Alter von 16 Jahren.<br />

Der Film liegt als Blu-Ray und DVD vor.<br />

88 EULENFISCH _ Medien<br />

EULENFISCH _ Medien 89

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