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1 - Eulenfisch - Bistum Limburg

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Screenshot SL: Mont Saint Michel Screenshot SL: Kloster<br />

Gerade in Explorationszusammenhängen,<br />

und darum handelt<br />

es sich hier, kommt einer<br />

multicodalen und multisensorischen<br />

Lernumgebung größte<br />

Bedeutung zu. In dieser Lernumgebung<br />

kann nicht nur die<br />

Intensität der Interaktion eigenverantwortlich<br />

und selbstbestimmt<br />

gesteuert, sondern auch<br />

die Geschwindigkeit des Lernprozesses<br />

an die individuellen<br />

Vorlieben und Bedingungen angepasst<br />

werden. Durch die Interaktivität<br />

entsteht eine besondere<br />

Form von Wirklichkeit,<br />

die eine Art persönliches Mit-<br />

und Durcherleben ermöglicht,<br />

das kein anderes Medium in solch<br />

dichter Erlebnisqualität zu<br />

bieten vermag. Die so erreichte<br />

Intensität im Nutzungsvorgang<br />

hat messbar positive Folgen für<br />

die Nachhaltigkeit und den Memorierungsgrad.<br />

• Die Kommunikation über Avatare<br />

folgt dem Prinzip des vermittelnden<br />

Verfahrens. Ich selbst rede in<br />

meinem Avatar mit einem Gegenüber.<br />

Diese Tatsache garantiert<br />

jedem Nutzer die Möglichkeit,<br />

Nähe und Distanz in der Interaktion<br />

und Kommunikation selbst<br />

zu bestimmen. Sie gewährleistet<br />

den Grad der Anonymität selbst<br />

zu bestimmen und zu definieren.<br />

Praktisch heißt das, der Nutzer<br />

gibt nur das preis, was er möchte<br />

und kann jederzeit über den Beenden-Button<br />

aus der Kommunikation<br />

aussteigen. Gleichzeitig<br />

kann er in seiner Anonymität ein<br />

Gesprächswagnis eingehen und<br />

sanktionslos Probehandeln. Im<br />

universitären und schulischen<br />

Kontext können so Fragen formuliert<br />

und an ein Gegenüber<br />

herangetragen werden, die in einer<br />

realen Kommunikation vielleicht<br />

nie gestellt worden wären<br />

– das jedenfalls sind erste Erfahrungen<br />

aus der unterrichts-<br />

praktischen Erprobung. In den<br />

Gesprächen selbst und über die<br />

Gespräche hinaus kommt es zu<br />

einer Selbstvergewisserung des<br />

eigenen Standpunktes, zu eigenen<br />

Fragestellungen, Perspektivenwechsel<br />

und Reflexionen. Aspekte,<br />

die gerade für religiöses<br />

Lernen, für religiöse Sprachfähigkeit<br />

und religiöse Identitätsfindung<br />

eine entscheidende<br />

Komponente darstellen.<br />

• Last but not least können auf diese<br />

virtuelle Weise Orte besucht<br />

werden, die unter realen Umständen<br />

nicht/nie erreicht werden<br />

können. Ein Kirchen- und<br />

Klosterbesuch wird mit der Lerngruppe<br />

quasi immer möglich<br />

sein, eine Moschee und eine Synagoge<br />

können mit etwas organisatorischem<br />

Aufwand auch problemlos<br />

besucht werden, doch<br />

öffnen sich in SL ganz andere<br />

Möglichkeiten. Berühmte Gemälde<br />

in Museen können „vor Ort“<br />

angesehen werden, die Lebens-<br />

geschichte des Heiligen Franziskus<br />

an den Bildern in der Kirche<br />

in Assisi erarbeitet und die Stationen<br />

der Hadsch in Mekka nachvollzogen<br />

werden 13 – um nur einige<br />

Beispiele zu nennen.<br />

Konfrontation mit dem realen<br />

Raum<br />

Selbstredend ist das Erfahrungspotenzial,<br />

das die avatarbasierte<br />

Begegnung in virtuellen Welten<br />

birgt, kein Ersatz für die konkrete<br />

Erfahrung in Kirchen, Moscheen,<br />

Synagogen etc. und die Begegnung<br />

im interreligiösen Dialog. Die Erkenntnisse<br />

der Kirchenraumpädagogik<br />

sind Beleg für die Intensität<br />

einer unmittelbaren Raumerfahrung<br />

und die auratische Wirkung<br />

des Raumes auf die Besucher und<br />

Besucherinnen. 14 Begegnung von<br />

Menschen und gemeinsamer Austausch<br />

über religiöse Überzeugungen<br />

und Bekenntnisse muss,<br />

wenn immer möglich, real stattfinden<br />

– davon ist nichts zurückzunehmen.<br />

Trotzdem liegt ein<br />

Lern- und religiöses Erfahrungspotenzial<br />

in den virtuellen Stätten,<br />

das durchaus im schulischen Kontext<br />

sinnvoll erschlossen werden<br />

kann. Auch in der virtuellen Vermitteltheit<br />

durch eine 3D-Animation<br />

kann das erfahren werden, was<br />

Hartmut Rupp als Raumerfahrung<br />

in Kirchen beschreibt: „Außen- und<br />

Innengestalt einer Kirche haben<br />

eine symbolische Qualität. Sie haben<br />

eine Botschaft. Heilige Räume<br />

predigen. Sie sprechen mit Bildern<br />

und Formen, mit Zeichen und Farben,<br />

mit Maßen und Proportionen,<br />

mit Temperaturen und Licht, mit<br />

Gegenständen und Skulpturen. (…)<br />

Kirchen sind deshalb gestimmte<br />

Räume, die eine Resonanz auslösen.“<br />

15 Eine solche Erfahrung ist<br />

m.E. auch an den heiligen Stätten<br />

anderer Religionen und Religions-<br />

gemeinschaften möglich. Vor allem<br />

dann, wenn sie lebensnah rekonstruiert<br />

wurden, wenn „Gläubige“<br />

vor Ort für Gespräche zur Verfügung<br />

stehen und Erklärungen geben<br />

können. Solche Stätten werden<br />

im „Zweitreisebüro“ in Second Life<br />

als virtuelle Lernumgebung angeboten<br />

und können genutzt werden.<br />

Man kann eben nicht jeden Donnerstagvormittag<br />

im realen Mekka<br />

sein.<br />

StD Frank Wenzel ist Fachleiter für<br />

Katholische Religion am Studienseminar<br />

Offenbach für Gymnasien.<br />

Er leitet das Projekt Lehr@mt zur<br />

Implementierung der Neuen Medien<br />

in allen Phasen der hessischen<br />

Lehrerbildung.<br />

ANMERKUNGEN<br />

1<br />

In Second Life (SL) hat man jederzeit die Möglichkeit, einen beliebigen Ort aufzusuchen. Man<br />

benötigt die Koordinaten dieses Ortes und gelangt über die Teleportfunktion direkt dorthin.<br />

(hier: http://maps.secondlife.com/secondlife/Monastery/188/126/99, 25.02.2012)<br />

2<br />

Vgl. u.a. JIM 2011 – Jugend, Information, (Multi-)Media. Basisstudie zum Medienumgang 12bis<br />

19-Jähriger in Deutschland, hrsg. v. Medienpädagogischen Forschungsverband Südwest,<br />

Stuttgart 2011, http://www.mpfs.de/fileadmin/JIM-pdf11/JIM2011.pdf (25.02.2012).<br />

3<br />

http://www.webquests.de/eilige.html (25.02.2012). SL steht für „Second life“, eine Online-<br />

3D-Struktur zur Gestaltung virtueller Welten. Durch die Benutzung von Avataren wird die<br />

Vorstellung eines zweiten Lebens(-körpers) evoziert.<br />

4<br />

Vgl. auch: Michael Lange, Das fliegende Klassenzimmer. Bildungspotenziale in „Second Life“;<br />

in: Jürgen Ertelt/Franz Josef Röll (Hgg.), Web 2.0: Jugend online als pädagogische Herausforderung,<br />

kopaed, München 2008, 249-265.<br />

5<br />

Vgl. den Abschlussbericht zum Projektzeitraum 2009-2011: http://www.erzbistum-freiburg.<br />

de/html/aktuell/aktuell_u.html?t=&&cataktuell=955|957&m=24400&artikel=9629&stichwo<br />

rt_aktuell=&default=true (25.02.2012)<br />

6<br />

http://www.religion-entdecken.de/ (25.02.2012).<br />

7<br />

Zum Projekt Lehr@mt vgl.: Frank Wenzel/Holger Höhl, Projekt Lehr@mt. Teilprojekt Katholische<br />

Theologie, in: Thomas Knaus/Olga Engel (Hgg.), fraMediale. Digitale Medien in Bildungseinrichtungen,<br />

München 2010, S. 117-126.<br />

8<br />

SL-URL: http://maps.secondlife.com/secondlife/Augia/114/137/23 (15.06.11). Die SL-Präsenz<br />

des Reisebüros befindet sich derzeit in einem Relaunch und kann ab Sommer 2012 wieder<br />

besucht werden. Konkrete Informationen vgl. Anm.6<br />

9<br />

Vgl. Anm. 6.<br />

10<br />

Christoph Klimmt, Computerspiele als Bildungswerkzeug, in: Petra Bauer u.a. (Hgg.), Fokus<br />

Medienpädagogik. Aktuelle Forschungs- und Handlungsfelder, München 2010, S. 248-261,<br />

hier: S. 254.<br />

11<br />

Zur Computerspielsucht vgl. Klaus Wölfling, Computerspielsucht, in: Ullrich Dittler / Michael<br />

Hoyer (Hgg.), Zwischen Kompetenzerwerb und Mediensucht. Chancen und Gefahren des Aufwachsens<br />

in digitalen Erlebniswelten aus medienpsychologischer und medienpädagogischer<br />

Sicht, München 2010, S. 267-274.<br />

12<br />

Bernd Trocholepczy u.a., SL-Quests: Entdeckendes Lernen durch Avatare – Religionspädagogische<br />

Einsatzszenarien virtueller Welten, in: Ludwig Rendle, Standorte finden. Religionsunterricht<br />

in der pluralen Gesellschaft, Donauwörth 2010, S. 72-85, hier: S. 72.<br />

13<br />

Z.B. die Teilnahme an einer Pilgerreise in Mekka und das Absolvieren der einzelnen Stationen.<br />

Vgl.: Jürgen Pelzer, Mit der Klasse mal eben nach Mekka: Eventhaftes Lernen im Religionsunterricht<br />

mittels 3D-Welten; in: rhs 2/2011, 58-63.<br />

14<br />

Vgl. Hartmut Rupp (Hg.), Handbuch Kirchenpädagogik. Kirchenräume wahrnehmen, deuten<br />

und erschließen, Stuttgart ² 2008.<br />

15<br />

Ebd., S. 24. Hervorhebungen im Original.<br />

98 EULENFISCH _ Medien<br />

EULENFISCH _ Medien 99

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