15.12.2012 Aufrufe

1 - Eulenfisch - Bistum Limburg

1 - Eulenfisch - Bistum Limburg

1 - Eulenfisch - Bistum Limburg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Neu gesehen:<br />

Der Name der Rose<br />

Ein Film und sein Roman<br />

Von Andreas Mertin<br />

„Wovon man nicht theoretisch sprechen kann, darüber muss man<br />

erzählen“ lautet der abschließende Satz auf der Umschlagklappe<br />

der italienischen Ausgabe des Romans „Der Name der Rose“. Man<br />

kann diesen Satz so interpretieren, dass der Autor, der Philosoph<br />

Umberto Eco, schriftstellerisch tätig geworden ist, weil es Grenzen<br />

des bloß philosophischen Diskurses gibt.<br />

Grundlage der folgenden Skizze<br />

ist ein Film und das Buch, auf<br />

dem dieser basiert. Das Buch erschien<br />

vor 30 Jahren zum ersten<br />

Mal in deutscher Übersetzung, der<br />

Film vor gut einem Vierteljahrhundert.<br />

Sie sollen noch einmal in Erinnerung<br />

gerufen werden, können<br />

aber nicht umfassend erschlossen<br />

werden – 657 Seiten Romantext<br />

mit einer Fülle intertextueller Verwirrspiele<br />

und ein 130 Minuten<br />

langer Film sprengen jede Darstellung<br />

–, sondern sie sollen als Ausgangspunkt<br />

für eigene Wiederent-<br />

deckungen dienen.<br />

Worum geht es im Roman „Der<br />

Name der Rose“? Folgen wir dem<br />

Mediävisten Alfred Heit: „Adson,<br />

Spross eines Vasallen des deutschen<br />

Königs Ludwig IV., wird<br />

als Benediktinernovize (...) ‚Schüler<br />

und Adlatus’ des gelehrten<br />

Franziskanermönchs William von<br />

Baskerville, der in geheimer königlicher<br />

Mission in Italien unterwegs<br />

ist. Beide reisen gegen Ende<br />

November des Jahres 1327 aus der<br />

Nähe von Pisa in die westlichen<br />

Berge zu einem Benediktinerkloster,<br />

dessen diplomatisch-wendiger,<br />

prokaiserlich eingestellter<br />

Abt einem Treffen päpstlicher<br />

und franziskanisch-kaiserlicher<br />

Legaten (…) in seiner Abtei den<br />

örtlichen Rahmen bietet. William<br />

und Adson verbringen eine<br />

Woche und zwei Tage in diesem<br />

Kloster. Schon am ersten Tag wird<br />

William, der als erfolgreicher Inquisitor<br />

bekannt ist und dessen<br />

Ruf hervorragender Klugheit sich<br />

bei der Ankunft glänzend bestätigt,<br />

vom Abt mit der Aufklärung des<br />

mysteriösen Todes eines Mönches<br />

betraut. Eine Reihe weiterer Todesfälle<br />

tritt ein, ohne dass es William<br />

gelänge, Licht in diese Vorgänge<br />

zu bringen. Am Ende durchschaut<br />

er die kriminellen Zusammenhänge<br />

und ermittelt in der Person des<br />

erblindeten, fanatisch-schrulligen<br />

Mönches Jorge von Burgos einen<br />

Gesinnungstäter. Dieser hat in dem<br />

als verschollen geltenden zweiten<br />

Buch der Poetik des Aristoteles ein<br />

tödlich wirkendes Berührungsgift<br />

appliziert, weil er vom Geist dieses<br />

Buches schädliche Wirkungen für<br />

den christlichen Glauben und die<br />

christliche Weltordnung befürch-<br />

tet: Im zunächst rhetorischen,<br />

dann handgreiflichen Streit Jorge<br />

– William entsteht durch eine<br />

Verkettung unglücklicher Umstände<br />

in der Bibliothek – der größten<br />

der Christenheit – ein Brand, dem<br />

schließlich die ganze Abtei zum<br />

Opfer fällt. William und Adson verlassen<br />

die Stätte der Trümmer und<br />

des Todes und reisen nach Deutschland<br />

zurück, wo sie sich in München<br />

trennen. Adson schreibt gegen<br />

Ende seines Lebens über alles,<br />

was ihm damals begegnete, einen<br />

chronikalischen Bericht, den er mit<br />

erbaulich-frommen wie auch weltkritischen<br />

Betrachtungen einleitet<br />

und dessen Schluss offensichtlich<br />

durch Alterstrübsinn verdunkelt<br />

ist.“ Faktisch handelt es sich um<br />

eine Kombination aus einem Krimi,<br />

einem historischen Roman,<br />

einer Schlüsselgeschichte und einer<br />

erzählerischen Einführung in<br />

die Semiotik. Auch heute noch ist<br />

der Roman ein Text, der sich in<br />

der fortlaufenden Lektüre immer<br />

wieder auf überraschende Weise<br />

selbst aktualisiert.<br />

Der Film<br />

Der Film „Der Name der Rose“ ist<br />

kein Film des Autors Umberto Eco,<br />

sondern eine filmische Interpretation<br />

durch den Regisseur Jean-Jaques<br />

Annaud. Konsequenterweise<br />

wird der Film im Vorspann als Palimpsest<br />

des Romans von Umberto<br />

Eco bezeichnet. Ein Palimpsest ist<br />

ein zunächst geschriebener, dann<br />

ausradierter und danach überschriebener<br />

Text, bei dem man mit<br />

etwas Glück noch das ursprünglich<br />

Geschriebene erkennen kann. Der<br />

Film geht seine eigenen Wege, er<br />

muss vieles weglassen (vor allem<br />

theoretische, theologische und semiotische<br />

Passagen des Romans),<br />

einiges hinzufügen (zum Beispiel<br />

bei der Darstellung des namenlosen<br />

Mädchens), manches ändern<br />

(etwa die Ordenszugehörigkeit des<br />

Adson von Melk – aus optischen<br />

Gründen ist er Franziskaner statt<br />

Benediktiner). Vor allem muss er<br />

natürlich dramatisieren und trivialisieren.<br />

So lautet die Ankündigungsschlagzeile<br />

des Films: „Sie<br />

glaubten an Gott und waren des<br />

Teufels“. Worin der Film dem Roman<br />

treu bleibt, ist die Darstellung<br />

einer Kriminalgeschichte innerhalb<br />

eines Klosters und die Verwendung<br />

der Wegmetapher. Die Hauptfiguren<br />

im Film sind mit Sean Connery<br />

und Christian Slater hochrangig<br />

besetzt, gerühmt werden aber<br />

auch die unkonventionell-charaktervollen<br />

Darsteller der Mönchsgemeinde<br />

(u.a. Helmut Qualtinger).<br />

Drehort war unter anderem auch<br />

das deutsche Kloster Eberbach.<br />

Am Anfang des Films blickt der<br />

Betrachter auf eine schwarze Leinwand,<br />

während er eine Stimme<br />

hört, welche ihn rückblickend auf<br />

die kommenden Schilderungen einstimmt.<br />

Noch weiß man nicht, wo-<br />

86 EULENFISCH _ Medien<br />

EULENFISCH _ Medien 87

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!