WeltBlick 2/2018
Schwerpunktthema: Kuba. Nah bei den Menschen
Schwerpunktthema: Kuba. Nah bei den Menschen
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ÄTHIOPIEN<br />
Jugendliche Oromo wehren sich<br />
mit Straßensperren aus Steinen<br />
und Ästen gegen die Willkür des<br />
Militärs. Bei seinem Antrittsbesuch<br />
in Äthiopien erlebt Afrikareferent<br />
Dr. Martin Frank aus nächster Nähe,<br />
wie schnell ethnische Spannungen<br />
im Vielvölkerstaat eskalieren<br />
können.<br />
Kaserne. Ein schwer verletzter Jugendlicher stirbt in der Nacht auf dem Weg ins<br />
nächste Krankenhaus. Bei der Nachricht seines Todes blockieren Jugendliche innerhalb<br />
von zwei Stunden alle Zugangsstraßen der großen Stadt.<br />
An dem Zwischenfall zeigt sich erschreckend, was für fatale Folgen ein Gemisch<br />
aus Unfreiheit, jahrelang aufgestauter Verzweiflung und gezielter Desinformation,<br />
gepaart mit Sprachhindernissen, haben kann. Ein kleines Missverständnis genügt, um<br />
die Gewalt, die unter der scheinbar friedlichen Oberfläche im äthiopischen Alltag lauert,<br />
zur Explosion zu bringen. Äthiopiens Politik wird zu Recht mit der in China verglichen.<br />
Unter einem Regime zu leben bedeutet neben vielen weiteren Einschränkungen,<br />
keinerlei gesicherte und unabhängige Informationen zu erhalten. Dieser<br />
Informationsmangel ist vor allem in den Provinzen spürbar, besonders im größten<br />
Landesteil Oromia, zu dem Dembi Dollo gehört. Das Internet kann – wie auch der<br />
Strom – dort jederzeit abgeschaltet werden. Das sprachliche Missverständnis war<br />
dabei kein Zufall. Amharisch ist die vorherrschende lingua franca im ganzen Land,<br />
erst seit zwei Jahren ist Oromifa in Oromia offiziell erlaubt. Die Militärs, die die herrschende<br />
kleine Klasse der Tigray stützen, sprechen kein Oromifa, werden aber – oder<br />
gerade deshalb – in Oromia stationiert. Ich selber hörte den Lautsprecherwagen durch<br />
die Straßen fahren. Die Schüsse knallten, als wir uns auf dem Gelände der Kirchenleitung<br />
zum Austausch zusammengesetzt hatten. Wir wurden alle blass. Was war passiert?<br />
Eine Schwester verabschiedete sich schnell. In ihr kamen schmerzliche Erinnerungen<br />
hoch, wie ihr beim letzten Ausnahmezustand von Soldaten der Arm<br />
gebrochen worden war.<br />
Am folgenden Montagmittag fuhren wir durch eine gespenstisch leere Stadt, in der<br />
keine Eselkarren oder Lastwagen rumpelten und weder Pick-ups noch Bajajs (Dreiradtaxis)<br />
unterwegs waren. Überall standen junge Männer und schauten uns misstrauisch<br />
an. Bis zum Kreisel war die Straße frei. Wir nahmen die Abzweigung nach<br />
Addis. Sofort sahen wir die Blockaden. Auf beiden Straßenseiten lagen Steinbrocken<br />
auf dem Asphalt, manche zu einer Linie geordnet, daneben Holzreste, alte Reifen. An<br />
manchen Stellen waren Bäume über die Straße hinweg gefällt worden. Das öffentliche<br />
WeltReise<br />
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