FahrRad 1/2018
Fahrrad-Zeitschrift des ADFC Kreisverbandes Unna e.V.
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Radgeschichte<br />
Das Fahrrad im Dritten Reich<br />
In den dreißiger Jahren des letzten<br />
Jahrhunderts gab es in Deutschland<br />
mehr als 20 Millionen Fahrräder. Ungefähr<br />
jeder Vierte fuhr Fahrrad, aber nur<br />
jeder Siebzigste fuhr ein Auto. Damit<br />
war das Fahrrad der vorherrschende<br />
Mobilitätsträger für den Individualverkehr.<br />
Wie sahen die Räder aus?<br />
Zu dieser Zeit waren zwei Zoll breite<br />
Ballonreifen in roter Farbe hoch modern.<br />
Die Sättel besaßen eine gute Federung.<br />
Die Firma Anker aus Bielefeld produzierte<br />
in dieser Zeit ein Fahrrad mit einer sichelförmigen<br />
Stoß auffangenden Gabel.<br />
Bei hochwertigen Rädern waren die<br />
Schutzbleche verchromt oder aus<br />
Leichtmetall. Die Hinternabe besaß einen<br />
Freilauf mit einer Rücktrittbremse.<br />
Das Vorderrad wurde mit einer Stempelbremse<br />
gebremst. Am vorderen Schutzblech<br />
befand sich eine Schutzblechfigur<br />
und jedes Rad war mit einer ledernen<br />
Werkzeugtasche ausgestattet, die Flickzeug,<br />
Schlüssel und Ölkännchen enthielt.<br />
Die Beleuchtung gehörte damals nicht<br />
zum Kaufumfang, da dies gesetzlich<br />
noch nicht gefordert war. Diese Räder<br />
kosteten damals etwa 90 Reichsmark.<br />
Fahrradvereine<br />
Die Radfahrer waren damals stärker<br />
als heute in Vereinen organisiert. Seit<br />
1919 gab es den Bund deutscher Radfahrer.<br />
Mitgliederstärker aber war der<br />
Arbeiter‐Radfahrerbund Solidarität, später<br />
umbenannt in Arbeiter‐Rad‐ und<br />
Kraftfahrerbund. Im Jahr 1929 besaß er<br />
mit 320.000 Mitgliedern doppelt so viele<br />
wie der ADFC heute. Der ARB Solidarität<br />
bot seinen Mitgliedern neben einer<br />
56 <strong>FahrRad</strong> Frühling <strong>2018</strong><br />
Rechtschutz‐ und Haftpflichtversicherung<br />
auch eine Raddiebstahlsversicherung,<br />
eine Unfallversicherung und je<br />
nach Dauer der Mitgliedschaft auch eine<br />
Sterbefallversicherung. Auch wurden<br />
den Mitgliedern preiswerte Übernachtungen<br />
ermöglicht. Seit 1912 versorgte<br />
die genossenschaftlich organisierte<br />
Fahrradfabrik „Frisch auf“ mit Sitz in Offenbach<br />
die Mitglieder mit qualitativ<br />
hochwertigen, aber preisgünstigen Fahrrädern.<br />
Nach dem Machtantritt Hitlers im Januar<br />
1933 und dem Reichstagsbrand im<br />
Februar gab es eine erste Verfolgungswelle<br />
gegen die Kommunisten. Ende<br />
März wurden die Gleichschaltungsgesetze<br />
erlassen. Dem ARB wurden alle Konten<br />
gesperrt. Die Nazis beschlagnahmten<br />
das Eigentum der „Solidarität“ und enteigneten<br />
das Fahrradhaus „Frischauf“.<br />
Nicht wenige Mitglieder wurden als engagierte<br />
Sozialisten und Kommunisten<br />
Opfer des NS‐Regimes. Die enteigneten<br />
Fahrräder erhielten die Hitlerjugend,<br />
Post‐ und Polizeisportvereine, die SS‐