FahrRad 1/2018

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Literatur Gerädertes Friedensmärchen „Fahrräder für Utrecht“ öffnet Hirn und Herz Auf dem Sterbebett offenbart Haukes liebevoller Großvater seinem Enkel, dass er im zweiten Weltkrieg nicht nur in Holland an Judendeportation und Beschlagnahme von Fahrrädern beteiligt gewesen ist, sondern auch noch eine schwangere Geliebte verlassen hat. „Mach es wieder gut!“ sind seine letzten Worte. Der 40jährige bleibt verstört zurück. Dann muss er in einem Opa‐Abschiedsbrief noch lesen, dass der Großvater seiner Liebe auch noch das Rad geklaut hat. Trotz und wegen alledem nimmt Hauke das Erbe an. Mit Kumpelin Safi und Freund Lars entwickelt er die Idee für das artgerechte Wiedergutmachungsprojekt „Gebt den Holländern ihre Fahrräder zurück“. Der anfänglich noch leere Leitsatz füllt sich im Roman märchenhaft. In 34 Kapiteletappen finden 27 eigenartig schöne und anregende Versöhnungen, oft Verenkelungen oder Verschwesterungen, statt. 127 Räder kommen auf dem Weg von Menden bis Utrecht zusammen, aber viel spannender und vielfältig sind die Begegnungen der Menschen, die sich auf dem wenig geplanten und deshalb spannenden Weg treffen und gegenseitig bereichernd entwickeln. Da erzählen einige böses Verhalten aus ihrer Vergangenheit, manchmal haben sie auch selbst schon Wiedergutmachen gelernt, wie der Rastamann Jens, dem verbundene Augen die eigenen öffneten und aus einem Schwachen‐Prügel‐Trupp erlösten. Oft sind es aber auch unerlöste Schuldgefühle, die durch Schweigen dröhnende Lähmungen erzeugen, wie beim dazukommenden Schipper, der sich und sein Boot der Radprozession zur Fairfügung stellt. Wenn wir uns offen bewegen, wird überraschend viel wieder gut, wird auch er erfahren, als seine verlorene Liebe wieder an Bord geht. Der Roman trieft leicht von Rührung, doch die vielen Kreise, welche sich posi‐ 60 <strong>FahrRad</strong> Frühling <strong>2018</strong> 2017
Literatur tiv schließen, könnten stattgefunden haben. Dass Hauke nach einem Zwischenverlieben in die rasante, unerkannte Halbcousine dann auch endlich in der chronischen Kumpelin Safi die echte Großliebe findet, passt final. Ich empfehle herzlich, dies kluge, hoffnungsfrohe und anregende Fahrrad‐ Märchenbuch auf sich wirken zu lassen. Schuldbewältigung, Wiedergutmachen, Generationenaustausch, Zusammenfügen kann uns allen gut tun. Als dann noch die Fahrräder für Utrecht an Flüchtlinge verteilt wurden, musste ich ein bisschen wohlig weinen. Jochen Baier: „Fahrräder für Utrecht“, LangenMüller, Stuttgart 2017, 336 Seiten, 16,99 €, ISBN 978‐3‐7844‐3422‐3 (siehe auch S. 62) Hermann Strahl, 69 Jahre Der Vater schwärmte von HJ‐ Radtouren. Der Sohn hörte von dem Nazi‐Hollandraddiebstahl erstmals von Leon de Winter im Spiegel „Die Niederländer können Deutschland nicht verzeihen, dass die Nazis ihr Land besetzt haben. Ihr habt uns die Fahrräder gestohlen.“ Jetzt ist er glücklich, im grünen Flüchtlingsrad‐Team 272 Räder für Flüchtlinge und andere Finanzarme fertiggemacht zu haben. Fotostrecke im Internet: www.bikeshophub.com/blog/2016/11/30/ geef‐me‐min‐fiets‐give‐me‐my‐bike‐the‐bikesof‐world‐war‐ii
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