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rik August 2018

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KÖLN 17<br />

auch zugelassen. Dadurch ist es jetzt wie<br />

eine Narbe. Man hat sie ein Leben lang.<br />

Sie bleibt. Aber sie schmerzt nicht mehr<br />

jeden Tag, und manchmal wird man durch<br />

sie auch wieder an die schönen Momente<br />

vor dem Abschied erinnert. An anderen<br />

Tagen wiederum schmerzt die Narbe.<br />

Das Bild einer Narbe finde ich in diesem<br />

Zusammenhang sehr passend. Ich habe<br />

den Schmerz um seinen Tod nie verdrängt,<br />

insofern lernte ich, ihn in mein Leben zu<br />

lassen. Beim Schreiben der Zeilen für das<br />

Buch kommen dann aber zwangsläufig<br />

Erinnerungen. Und mit ihnen auch die<br />

Tränen.<br />

Kann man Abschiednehmen mit den<br />

Jahren – und der daraus resultierenden<br />

Häufigkeit von Abschieden –<br />

lernen? Wird es leichter mit der Zeit?<br />

Nein, das kann man nie. Ein Abschied ist<br />

immer ein harter Einschnitt. Du lernst nur<br />

damit umzugehen, dass es Abschiede im<br />

Leben gibt. Man lernt den Umgang mit<br />

seiner eigenen Trauer. Es gab Zeiten, da<br />

war ich mehr auf Beerdigungen als auf Geburtstagsfeiern.<br />

In den ersten Jahren war<br />

die Medizin bei HIV-Infektionen noch weit<br />

von den heutigen Möglichkeiten entfernt.<br />

Konntest du mit John über den<br />

Tod sprechen? Ihr wart beide junge<br />

Männer, in einem Alter, in dem der<br />

Tod normalerweise noch lange kein<br />

Thema ist.<br />

Wir mussten es lernen. Man kann sich nie<br />

auf den Tod vorbereiten. Man spricht im<br />

Idealfall offen darüber, aber wenn der Moment<br />

kommt, wirst du vom Schmerz eingeholt.<br />

Es war der 18. Januar 1993, als John<br />

starb. Danach versuchst du zu funktionieren.<br />

Du organisierst die Beerdigung mit allen<br />

Formalitäten. Das lenkt auch erst mal ein<br />

wenig ab. Der richtig schwere Teil kommt<br />

nach der Beerdigung, wenn der Alltag wieder<br />

ins Leben eintritt. Ab einem gewissen<br />

Zeitpunkt erwartet die Allgemeinheit, dass<br />

man wieder funktioniert. Als Betroffener,<br />

tief in Trauer, bleibt das unvorstellbar für<br />

dich. Du verarbeitest die Trauer Stück für<br />

Stück. Und in genau diesen Zeitrahmen<br />

der Trauerarbeit kam dann meine eigene<br />

Doppeldiagnose.<br />

Du bist für die Schwulenszene eine<br />

wichtige Person. Dein Serien-Alter-<br />

Ego „Carsten Flöter“ hatte den ersten<br />

Kuss zwischen zwei Männern in einer<br />

deutschen Fernsehserie.<br />

Sicherlich war die „Lindenstraße“ auch in<br />

Sachen „schwule Serienfigur“ ein Wegbereiter.<br />

Ich hatte mehr als mein damaliger Serienpartner<br />

Martin Armknecht, der die Rolle „Robert<br />

Engel“ spielte, böse Post bekommen. Es<br />

reichte bis zur Bombendrohung gegen die<br />

Produktion, zeitweise bekam ich Personenschutz.<br />

Martin Armknecht erhielt auch nicht<br />

nur lobende Briefe, aber er war im Gegensatz<br />

zu mir heterosexuell. Ich war für die homophoben<br />

Vollpfosten die ideale Zielscheibe<br />

ihres Hasses, da ich auch privat offen schwul<br />

war. Jahre später hatten auch andere Serien<br />

wie „Verbotene Liebe“ ihre schwulen Storylines.<br />

Der Aufschrei war längst verflogen. Wir<br />

müssen als Schwule nur aufpassen, dass wir<br />

uns nicht selbst in das Klischee der jungen<br />

und schönen Schwulen zurückziehen. Auch<br />

wir werden älter. Umso spannender finde ich,<br />

dass die „Lindenstraße“ mich als nun älteren<br />

schwulen Mann ein Singleleben in der Serie<br />

leben lässt. *Interview: Marcel Schenk<br />

*Marcel Schenk moderiert seit 2009 für<br />

diverse Radio- und Fernsehstationen. Aktuell<br />

sieht man ihn bei 1-2-3.tv (Deutschlands<br />

drittgrößtem Shoppingsender). Marcel liebt<br />

die Popmusik der 1980er-Jahre und Kultserien<br />

wie „Falcon Crest“ und „Lindenstraße“.

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