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BIBER 09_18 Ansicht fin

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NUR WER POSTET, EXISTIERT<br />

Wir werden unterbrochen. Jemand ist da, in unserem Auto. Es<br />

ist eine Frau und sie will wissen, ob sie etwas für uns tun kann.<br />

Halleluja! Der bzw. „die Mercedes“ spricht mit uns. Natürlich<br />

gibt es stets jede Menge für uns zu tun. Aber weil dieser Samstag<br />

mit Wind und Regen startet, wünschen wir es uns zunächst<br />

einmal wärmer. Höflich verkündet uns Miss Mercedes, dass sie<br />

die Temperatur auf 23 Grad regelt. WOW. Das ist wahrhaft ein<br />

soziales Medium! Unsere neue A-Klasse <strong>18</strong>0d redet, versteht,<br />

lernt und wechselt auf Wunsch den Radiosender. Unbewusst,<br />

aber dank weiblicher bzw. plappernder Intuition, hatten wir sie<br />

mit dem Codewort „Hey Mercedes“ aktiviert und schon war sie<br />

ganz Ohr. Wir werden ganz flattrig. Im Kontakt mit künstlicher<br />

Intelligenz verpassen wir fast die Einfahrt. Aber „Mercedes“<br />

behält die Nerven. Sie ist nicht nur eine Frau des Wortes, sondern<br />

auch der Tat. So bremst sie kurzerhand – und ohne höflich<br />

zu fragen – als sie meine Abstandsbemessung beim Wenden<br />

zu gewagt <strong>fin</strong>det.<br />

Dann lässt sie mich die Einfahrt passieren und wir steigen<br />

aus. In „Heidi’s Zauberpark“ entdecken wir weiße Hasen im<br />

Gras, ein blaues Pferd im Teich und Kois im Wasser. Hier ist<br />

wohl #digitaldetox und #inspirationalquotes angesagt, grinsen<br />

wir. Die Grünoase der Lebensberatung ist zwar nicht gerade<br />

„instagramable“, aber der Ort beschäftigt sich mit einer ähnlicher<br />

Frage: Wie viel Zauber braucht es zum Glück?<br />

Keine 08/15-Fotos bitte! Fashionexpertin Barbara hat da ästhetische<br />

Ansprüche. „Verstanden“ antworten wir und Miss Mercedes.<br />

#sprachsteuerung #socialstars #hightechluxus<br />

Selbst die Schönen sind heute nicht mehr schön!“<br />

Unsere Fotogra<strong>fin</strong> ist sofort im Thema. Nicht nur<br />

Menschen mit normalen Taillen, Nasen und Oberarmen<br />

stünden unter Druck, übernatürlich schlank,<br />

zierlich und muskulös auszusehen. „Selbst Models, die eh<br />

schon dünn sind, ziehen auf Instagram ihre Taille schmäler –<br />

und verschieben dabei den Hintergrund.“ Julie schüttelt den<br />

Kopf. Ich staune währenddessen über die Palette unzähliger<br />

Tools, welche zur digitalen Schnellverschönerung angeboten<br />

werden – und damit jedem Kind suggerieren: Echt ist nicht<br />

erwünscht. Gleichzeitig boomen Trends wie #bodypositivity<br />

#selbstliebe – und erinnert ihr euch noch an #nofilter?<br />

„Was ist da los?“, frage ich in den Rückspiegel. „Alles<br />

Doppelmoral?“. Auf der Rückbank der neusten A-Klasse<br />

kuscheln drei Frauen vom Fach. Marion lehnt sich vor: „Früher<br />

war Social Media ein Ort, wo normale Leute endlich das sein<br />

konnten, was sonst nur Schauspielern und Models vorbehalten<br />

war. Eine Gegenbewegung zur klassischen Welt der Werbung<br />

voller Supermodels. Inzwischen ist aber diese Gegenbewegung<br />

selbst extrem kommerziell.“ Die 35-Jährige ist nicht nur erfolgreiche<br />

Bloggerin und Fotogra<strong>fin</strong>, sondern auch Social Media<br />

Strategin. Ihr Reiseblog „Lady Venom“ hat über 270 Tausend<br />

Follower. (Randbemerkung: Reisebloggen ist ein Job und kein<br />

Urlaub, bitteschön.)<br />

270 Tausend Follower auf Instagram ohne ein einziges Selfie!<br />

Reisebloggerin Marion hat ihre Prinzipien und erinnert sich gern an die<br />

gute alte Zeit, als Instagram noch nicht Mainstream war. #mbux<br />

54 / LIFESTYLE /

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