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Die Jungs müssen ihre Probleme im Park ganz selbst aus der Welt schaffen<br />
rolle irritiert waren, emp<strong>fin</strong>den sie die Mädchen, vor allem die<br />
kleinen, als tolles Vorbild. Dabei ging es den Autoren weniger<br />
um Mann-Frau, sondern darum, „dass man trotz eines Streits<br />
zueinander zurück<strong>fin</strong>det, den Schmerz des anderen versteht<br />
und zusammenhält“, erzählt Sabine.<br />
Und Schmerz emp<strong>fin</strong>den die Jugendlichen oft. Viele von<br />
ihnen fühlen sich entweder unbeachtet, missverstanden oder<br />
abgestempelt. Wenn sie jünger sind, haben sie noch Ambitionen.<br />
„Sie sagen Sachen wie: Lachen Sie mich bitte nicht aus<br />
aber ich will Astronaut werden“, erzählt Sabine. Diese Träume<br />
werden von Lehrern und Eltern zerstört. Die Kids werden nicht<br />
ausreichend unterstützt und wer mit fünf Menschen in zwei<br />
Zimmern wohnt, sich um seine Geschwister kümmern, im<br />
Haushalt helfen und dolmetschen muss, hat kaum Möglichkeiten<br />
sich selbst zu entfalten.<br />
AUSBILDUNG: STRASSE<br />
Durch diese Umstände haben die Kids in jungen Jahren schon<br />
sehr viel Lebenserfahrung. Der Park ist zudem ein guter Lehrer.<br />
„Die Kinder und Jugendlichen gehen alleine in den Park und<br />
da es niemanden gibt, der maßregelt, müssen sie jegliche<br />
Probleme untereinander ausmachen“, erläutert Sabine die<br />
Eigenständigkeit der Park-Kids. Sie können vielleicht nicht<br />
Goethe zitieren aber sie können sich ausgezeichnet alleine<br />
zurecht<strong>fin</strong>den. Sie sind street smart, charmant und haben eine<br />
außerordentlich hohe Beobachtungsgabe. Ihr Park ist ihr Platz<br />
und sie wissen wer da hingehört und wer nicht.<br />
HOL’ DOCH DIE POLIZEI!<br />
Park-Kids gibt es aber immer weniger. Parkbetreuungseinrichtungen<br />
berichtet von einem Schwund der Jugendlichen durch<br />
die Ausbildungspflicht, die mit dem Schuljahr 2017/<strong>18</strong> in Kraft<br />
getreten ist. Dadurch sind mehr Kinder in<br />
den Parks und je mehr kleine Kinder, desto<br />
weniger Jugendliche. Und die die noch<br />
da sind, fühlen sich von Polizeikontrollen<br />
eingeschüchtert. Parkbetreuung sowie die<br />
Jugendlichen selbst nehmen verstärkte Polizeikontrollen<br />
wahr. „Der einzige öffentliche<br />
Platz, an dem sie sich frei bewegen können,<br />
wird ihnen weggenommen“, sagt Sabine.<br />
Aus der Landesdirektion Wien kann man das<br />
Oft entstehen<br />
hier Freundschaften<br />
fürs<br />
Leben …<br />
kaum bestätigen: „In den Sommermonaten sind generell mehr<br />
Menschen im öffentlichen Raum, da wird präventiv kontrolliert.<br />
Es gibt aber keine angelegte Aktion und keinen verstärkten<br />
Schwerpunkt.“ Kontrolliert wird nach Verschmutzungen,<br />
Sachbeschädigungen wie Graffiti aber auch Suchtmittel und<br />
Körperverletzung sind Thema. Ein Standardeinsatz der Polizei<br />
im Park: Lärmbelästigung.<br />
WIR GEGEN DEN REST DER WELT<br />
Die meist älteren Damen, die sich über den Lärm der Jugendlichen<br />
beschweren, sind aber ihr kleinstes Problem. Sobald sie<br />
mitbekommen, dass sie von biber interviewt werden, brennt<br />
ihnen ein anderes Thema auf der Zunge: Strache, Kurz und<br />
Kopftuch. Die Wut ist groß: „Auf Strache. Und auf Österreicher.<br />
Sie wollen, dass Kopftuch und so wegkommt, weil sie<br />
Angst haben. Aber sie verstehen nicht, dass nicht jeder Muslim<br />
Terrorist ist. Es sind ganz normale Menschen und die die was<br />
machen, sind einfach dumm“, sagt der 13-jährige Tilo mit<br />
kosovo-albanischen Wurzeln.<br />
Obwohl sie sich kaum für Politik interessieren oder dieses<br />
Thema zuhause nicht behandelt wird: Das Kopftuchverbot<br />
an Schulen haben alle mitbekommen. Wer sich gegen das<br />
Kopftuch positioniert, ist Feind. Und das nicht nur bei Muslimen,<br />
denn auch Nicht-Muslime sehen es als Angriff gegen die<br />
Leute, mit denen sie aufwachsen. Die Jugendlichen bilden sich<br />
schnell eine Meinung oder nehmen diese aus ihrem Umfeld<br />
auf. „Es hat sich vieles verschlechtert. Ich <strong>fin</strong>de, dass so ein<br />
junger Typ wie Kurz nicht an die Macht kommen sollte. Weil er<br />
hat schon jetzt vieles zerstört. Er ist halt kein guter Mensch“,<br />
<strong>fin</strong>det der 14-jährige Dušan klare Worte. Argumentieren<br />
können die Jugendlichen schwer, sie wissen aber, was sich<br />
für sie richtig anfühlt und was nicht - und<br />
daran richten sie sich. Fremdbeschreibungen<br />
bekommen sie mit, aber sie versuchen sie<br />
abzublocken. Sie nehmen die Politik, die<br />
Polizei, die Anrainer und alle anderen, die<br />
etwas über sie zu sagen haben, wahr. Aber<br />
wie Außenstehende ihren Park und sie sehen,<br />
spielt im Endeffekt keine Rolle. Für sie bedeutet<br />
der Park Zufluchtsort und Familie. Und<br />
Familie hält zusammen. ●<br />
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