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DorfStadt 14-2018

Wir sind Elbvororte. Hochwertige lokale Berichte und Reportagen aus und über Rissen, Sülldorf, Iserbrook, Blankenese, Osdorf, Groß Flottbek, Nienstedten, Othmarschen, Bahrenfeld und Schenefeld.

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12 • <strong>DorfStadt</strong>-Zeitung <strong>14</strong>/<strong>2018</strong> • 11.10.<strong>2018</strong><br />

Im Gespräch<br />

Meine Oma war ein sehr<br />

liebenswerter Mensch. Zu -<br />

mindest fühlte ich mich bei<br />

ihr immer sehr wohl. Ich<br />

wurde nach Strich und Faden<br />

verwöhnt und sie las mir fast<br />

jeden Wunsch von den Augen<br />

ab. Außerdem hatte sie ein<br />

offenes Ohr für all‘ meine<br />

Sorgen, die sich daraufhin in<br />

Nichts auflösten. Einfach so.<br />

Ohne Prüfung. Ohne erhobenen<br />

Zeigefinger. Aber mit viel Ver -<br />

trauen und Mitgefühl. Mit ihr<br />

klaute ich meinen ersten Apfel<br />

und genoss den Schokola den -<br />

pudding mit Vanillesauce…<br />

Es sind Menschen und Orte, die<br />

eine Persönlichkeit prägen.<br />

Mei ne Oma war so jemand. Es<br />

soll ja viele Menschen geben,<br />

die sich von ihrer Oma auf ähnliche<br />

Weise haben erden lassen.<br />

Und es gibt in Rissen einen<br />

magischen Ort für Musiker, der<br />

sie prägt, ohne dass sie dazu<br />

gezwungen werden. Es passiert<br />

einfach. Wie bei Oma.<br />

RISSEN<br />

Hier schrubbt der<br />

Star das Klo selbst<br />

In einer unscheinbaren Neben -<br />

straße in Rissen steht ein weiß<br />

verklinkertes Haus aus den<br />

1950er Jahren auf einem gro -<br />

ßen Grundstück mit einem<br />

leicht verwilderten Garten, vielen<br />

hohen Bäumen und einem<br />

gemütlichen Walmdach. Die<br />

Tür steht offen. Neben der Tür<br />

ein Schild mit der Aufschrift<br />

„Seele“. Und genau die „wohnt“<br />

hier, in „Granny’s House“. Ein<br />

Besucher, der das Haus betritt,<br />

fühlt sich eine andere Zeit versetzt.<br />

Die ursprüngliche Ein -<br />

rich tung, die Türen, die knatschende<br />

Treppe – alles noch<br />

original aus den 1950er Jahren.<br />

Viel Soul, viel Wärme<br />

Auf seinem neuen Album „Colours“ hat sich Max Mutzke<br />

Klassiker des HipHop von Bands wie Arrested Developement<br />

oder Grandmaster Flash vorgeknöpft. Mutzke widmet sich<br />

auf seinem mittlerweile neunten Album Klassikern des<br />

HipHop, etwa von US-Amerikanischen Bands wie Arrested<br />

Developement oder Grandmaster Flash & The Furious Five.<br />

Allerdings singt Mutzke diese als Soul-Nummern ein.<br />

Dazu arbeitete das langjährig eingegroovte Team mit legendärem<br />

Songmaterial. Hiphop-Klassiker von Grandmaster<br />

Flash, De La Soul, Warren G. oder Mary J. Blige wurden<br />

wie selbstverständlich zu krachenden Neo-Soul-Hymnen<br />

arrangiert – gemischt und gemastered von Grammy-<br />

Gewinner und D’Angelo Producer Russell Elevado.<br />

„Im HipHop gibt es viele schöne Songs, die zudem oft auch<br />

hochpolitisch sind“, sagt Mutzke im Interview. Der HipHop<br />

habe sich, vor allem in der Anfangszeit, sehr stark an Soul<br />

und Gospel orientiert. In vielen Texten gehe es oft um<br />

Mitmenschlichkeit, Bürgerrechte und Rassismus. Vor allem<br />

aber seien die Botschaften fast immer verpackt in wunderschöne<br />

Melodien.<br />

Max Mutzke wurde 2004 als Teilnehmer beim Eurovision<br />

Song Contest mit seinem Song „Can’t Wait Until Tonight“<br />

bekannt. Seitdem sind mehrere erfolgreiche Alben mit<br />

eigenen Songs sowie Coverversionen erschienen. Mit seiner<br />

Band monoPunk hat er daraufhin insgesamt über 400<br />

Konzerte gespielt.<br />

Das Album ist überall erhältlich. Live zu erleben ist Max<br />

Mutzke ab Ende Januar auf seiner Deutschland-Tournee.<br />

www.max-mutzke.de<br />

Zeitmaschine für Musiker<br />

In Granny’s House fühlt man sich »wie bei Oma« | Markus Krohn<br />

Blick ins Vintage-Tonstudio während einer Tonaufnahme<br />

Foto: Dirk Messner<br />

Der Parkettboden schwingt an<br />

einigen Stellen. Auch das ein<br />

Überbleibsel aus einer alten<br />

Zeit. Im Flur eine alte Orgel.<br />

Der erste Hinweis auf musikalische<br />

Aktivitäten.<br />

Im Wohnzimmer empfängt<br />

einen die warme Atmosphäre<br />

„wie bei Oma“ mit einer Couch<br />

in warmem 50-er Jahre-braun.<br />

Auch die Regalwand gegenüber<br />

zeugt mit Büchern von einer<br />

vergangenen Zeit. Weitere In -<br />

strumente stehen in der Ecke.<br />

Nebenan trennt eine Glas -<br />

scheibe zwei ursprünglich<br />

durch eine Schiebetür verbundene<br />

ehemalige Wohn- bzw.<br />

Essräume. Dahinter Mischpulte<br />

und Tontechnik aus den 90er<br />

Jahren, verkleidet mit Holz.<br />

Kein Spleen, sondern Konzept.<br />

Obwohl man vielleicht lieber<br />

von einer Idee sprechen sollte.<br />

Denn es ist nichts fertig. Vieles<br />

ist zusammengetragen und entwickelt<br />

sich zusammen mit den<br />

Menschen, die hier leben und<br />

arbeiten. „Es ist nicht perfekt,<br />

aber das soll es auch nicht<br />

sein“, sagt Torsten Eichten. Im<br />

Gegenteil: Den Kaffee kocht<br />

hier jeder selber, das Geschirr<br />

wird von Hand abgewaschen –<br />

wie früher. Hier schrubbt der<br />

Star sogar das Klo selbst. „Hier<br />

stellt sich nicht die Frage, was<br />

ich mit dem Haus mache, sondern:<br />

was macht das Haus mit<br />

mir?“ Und er setzt hinzu:<br />

„Neben den Einflüssen der virtuellen<br />

Onlinewelt wünschen<br />

sich viele Leute wieder Themen,<br />

die sie verstehen oder anfassen<br />

können!“.<br />

Früher einmal wohnte hier<br />

tatsächlich eine Familie mit<br />

dem Namen Seele. Heute beherbergt<br />

das Haus ein Projekt -<br />

studio für Tonaufnahmen. Für<br />

die Künstler ist es aber nicht<br />

nur das, sondern ein Rück -<br />

zugsort für Kreative, an dem<br />

man sich mit Inhalten beschäftigen<br />

kann. Die Allagshektik<br />

der Großstadt ist weit weg.<br />

Falls das nicht hilft, kann man<br />

immer noch draußen in dem<br />

großen Garten Basket- oder<br />

Fußball spielen oder durch den<br />

Wald zum Elbufer schlendern.<br />

Spätestens der Ostwind an der<br />

Elbe bläst einem den Kopf frei…<br />

Wie so häufig in kreativen<br />

Prozessen entstand auch die<br />

Idee zu diesem außergewöhnlichen<br />

Tonstudio eher zufällig.<br />

Vor zweieinhalb Jahren. Der<br />

Rissener Werbefilmer Torsten<br />

Eichten (The Marmalade) suchte<br />

für seine Band, in der er sich<br />

selbst als Drummer engagiert,<br />

einen Proberaum, als er von<br />

einem Freund erfuhr, dass er<br />

dieses alte Haus erworben<br />

hatte. Er überzeugte ihn, es ihm<br />

zur Miete zu überlassen und<br />

richtete es ein. Eichten entrümpelte<br />

das Haus selbst und malte<br />

die Decken. Anschließend übernahm<br />

er für Freunde Haus -<br />

Die Orgel im Eingang von „Granny’s House“<br />

halts auflösungen, nur, um für<br />

sein eigenes Haus passende<br />

Möbel zu ergattern. Im Garten<br />

neben der Terrasse stellte er<br />

zusätzlich einen alten Bau wa -<br />

gen auf, den er liebevoll sanierte.<br />

Drinnen ein Ofen, damit es<br />

im Winter nicht zu kalt wird.<br />

Hier übernachtete nicht nur<br />

Max Mutzke, der hier sein<br />

aktuelles Album „Colors“ in der<br />

Rekordzeit von sieben Monaten<br />

entwickelte. Rekordzeit deshalb,<br />

weil aktuelle Alben normalerweise<br />

in drei bis vier<br />

Monaten eingespielt sein müssen,<br />

um die Kosten im Rahmen<br />

zu halten. Bei diesem Projekt<br />

stand jedoch nicht die Ko sten -<br />

optimierung im Vordergrund,<br />

sondern die Qualität des neuen<br />

Albums. „Wir sind sehr dankbar,<br />

dass Management und<br />

Plattenfirma so viel Geduld mit<br />

uns hatten“, sagt Danny Samar,<br />

Produzent der Platte und<br />

Foto: Eichten<br />

„Kleb stoff“ zwischen allen<br />

Kreativen, die über ein halbes<br />

Jahr lang in „Granny’s House“<br />

gemeinsam an dem Album<br />

arbeiteten. „Wir haben die<br />

Vision für dieses Album sehr<br />

demokratisch gemeinsam erarbeitet.<br />

Nicht ein einziges Mal<br />

haben wir ernsthaft gestritten“.<br />

So entstand ein sehr individuelles<br />

und kreatives Album ohne<br />

Kompromisse. Für manche<br />

Auf nahmen gab es bis zu 10<br />

Versionen. „In den ersten drei<br />

Monaten brauchten wir ein bisschen,<br />

um warm zu werden,<br />

danach ging es plötzlich sehr<br />

schnell“, erinnert sich Samar,<br />

der Max Mutzke seit sieben<br />

Foto: Eichten<br />

Jahren mit seinem Bass begleitet.<br />

Jetzt hat er in Granny’s<br />

House gemeinsam mit Torsten<br />

Eichten und dem Keyborder<br />

Maik Schott ein komplettes<br />

Album produziert.<br />

Alle Klänge auf<br />

der CD sind echt<br />

Besonders stolz sind die<br />

Kreativen auf die kompromisslose<br />

handwerkliche Qualität<br />

dieses Albums. „Wir haben<br />

buchstäblich versucht, alle<br />

Farben aus Max herauszuholen“.<br />

Dazu gehörten neben<br />

Samar und Schott auch Tobias<br />

Held oder Menzel Mutzke. Der<br />

Bruder des Sängers aus dem<br />

Schwarzwald ist Jazztrompeter,<br />

spielte für „Colours“ aber u.a.<br />

auch Flügelhorn ein. Für den<br />

Titel „Horizont“ holten sich die<br />

Musiker kurzerhand den Kin -<br />

derchor der Grundschule Iser -<br />

barg aus Rissen dazu. Sören<br />

Hensell, preisgekrönter Cellist<br />

vom Christianeum in Othmar -<br />

schen spielte für „Zugabe –<br />

Show Meines Lebens“ Strei -<br />

cher klänge ein. Keine digitalen<br />

Samples kamen zum Einsatz,<br />

kein Auto-Tune, PC-Hilfe kam<br />

nur in sehr wenigen Aus nah -<br />

men infrage. „Auf diesem<br />

Album ist wirklich alles Hand -<br />

werk, auch die Streicher- und<br />

Bläserklänge sind original“,<br />

freut sich Samar. Der Bassist ist<br />

froh, in der Analogzeit aufgewachsen<br />

zu sein. Seine Jugend<br />

verbrachte er auf unterschiedlichen<br />

Bühnen mit verschiedenen<br />

Bands, in denen er sein<br />

Handwerk lernte. Studioer fah -<br />

rung sammelte er beim Alter -<br />

nativen Label Motown. „Ver-<br />

dient wird ohnehin mit den<br />

Live-Auftritten, nicht Plattenoder<br />

CD-Verkäufen“, weiß der<br />

zurückhaltene Holländer, der<br />

schon mit Roachford, Sasha<br />

oder den Flowriders auf der<br />

Bühne stand.<br />

Eines seiner Lieblingsstücke auf<br />

dem neuen Album ist die neue<br />

„Schwarzwaldhymne“, eine Ode<br />

an die Heimat Mutzkes. Für „Zu<br />

Dir Komm Ich Heim“ haben die<br />

Kreativen allein 60 Gesangs -<br />

spuren aufgenommen…<br />

Zwischendurch haben die<br />

Jungs gemeinsam gekocht,<br />

gelacht, geschwitzt und komponiert.<br />

„Das macht diese<br />

besondere Atmosphäre in<br />

Granny’s House“, ist für Tor -<br />

sten Eichten ganz klar. Logisch,<br />

dass auch er Hand anlegte und<br />

die richtigen Mikros herauslegte.<br />

„Ich dachte immer, dass ich<br />

in dieser Musik so sehr zuhause<br />

bin, dass es da nicht viel<br />

Neues zu entdecken gäbe …<br />

Leute, ich hatte, ehrlich gesagt,<br />

keine Ahnung. Jeden Tag, jede<br />

Stunde erlebte ich eine Über -<br />

raschung, hatte eine Erkenntnis<br />

nach der anderen. In diesen<br />

Monaten bekam ich mehr In -<br />

spiration zu Veränderung, Wei -<br />

terentwicklung und Neuer fin -<br />

dung meiner Stimme und meiner<br />

musikalischen Identität als<br />

in den zehn Jahren zuvor.“ sagt<br />

ein dankbarer Max Mutzke zu<br />

seiner CD. „Für diesen Meilen stein<br />

in meinem Leben bin ich besonders<br />

meinem Team dankbar“.<br />

Granny’s House ist ideal für<br />

Kreative. Nicht nur, um sich<br />

selbst neu zu erfinden, sondern<br />

auch, um mit anderen Künst -<br />

lern ins Gespräch zu kommen.<br />

So kam Johannes Oerding für<br />

ein kurzes Gastspiel nach Ris -<br />

sen, oder Wolfgang Niedecken<br />

(BAP) aber auch Justin Tim -<br />

ber lakes Band kam während<br />

einer „Off-Week“ im Sommer<br />

hierher, um sich von dem<br />

besonderen Flair anstecken zu<br />

lassen.<br />

Granny’s House<br />

demnächst auf Youtube?<br />

Damit ergibt sich langfristig<br />

auch eine internationale Per -<br />

spektive für das Studio, das<br />

wohl nie fertig ist… aber das<br />

soll es ja auch gar nicht werden.<br />

Ideen für neue Projekte<br />

hat Torsten Eichten ohnehin<br />

reichlich im Kopf. Zum Beispiel<br />

Granny’s House als Begeg -<br />

nungs stätte für Kreative. Au -<br />

ßerdem plant er eine TV-<br />

Sendung, die er für einen<br />

YouTube produzieren möchte.<br />

Inhalt: Künstlerportraits. Hier<br />

wird es also nie langweilig – so<br />

wie bei Oma eben.

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