11-2018 HEINZ MAGAZIN Essen
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KULTURKOPF|INTERVIEW<br />
Jochen Gerz ©Guido Meincke<br />
KeineLustauf Museumsausstellung Jedergroße Text braucht einen starkenAnfang.Der Künstler Jochen<br />
Gerz („2-3 Straßen“)hat ihn gefunden: „Ich hatteeine glücklicheKindheit.Darfman dassagen?“ So beginntdie<br />
25000Wörterumfassende Erzählung,mit dererdie Außenfenster desDuisburger Lehmbruck-<br />
Museumsauf einer Längevon 100 Metern zu einem Buchmacht.„TheWalk.Keine Retrospektive“ heißt<br />
seineInstallation–denn auf eine gewöhnliche Museumsausstellunghat er keine Lust.ImInterview mit<br />
MaxFlorianKühlem erklärter, warum.<br />
D<br />
as Lehmbruck-Museum hat schon vor drei Jahren bei Ihnen<br />
angeklopft. Warummussten Siesolange überlegen?<br />
DenWunsch des Museums, eineRetrospektivezumachen,habeich<br />
abgelehnt. Der Gedanke, zurückzublicken, kommt mir verdächtig<br />
vor. Zur gleichen Zeit habe ich an meiner Website gearbeitet, am<br />
Katalog meiner Arbeiten, an einer Art Resümee. Und dann gab es<br />
diesen Text von 1940, dem Jahr meiner<br />
Geburt, bis <strong>2018</strong>. Darin beschreibe ich<br />
acht Jahrzehnte –von der Kindheit über<br />
die Nachkriegszeit,die 1960er-Jahre und<br />
so weiter.Esgeht darum,was sich in der<br />
Gesellschaft und im persönlichen Leben<br />
undinder Arbeit getan hat.<br />
Warum gehen Sie damitnichtsins Museum?<br />
Ich habe seit über 20Jahren keine reguläre<br />
Ausstellung mehr gemacht. Mein<br />
Jochen Gerz, THE WALK, <strong>2018</strong>, ©VG Bild-Kunst, Bonn <strong>2018</strong>, Foto: Sabitha Saul<br />
Raum bleibt der öffentliche Raum, ihm fühle ich mich verbunden.<br />
Die Kunst, die von beflissenen Betrachtern umgeben ist, ist keine<br />
gute Idee, das ist nicht demokratisch. Wir brauchen eine Gesellschaft,die<br />
sich selbst als Autorempfindet.<br />
DieAußenfensterzubespielen wardannder machbareKompromiss?<br />
MeineallerersteAusstellung hatteich im<br />
Jahr 1975 im Lehmbruck-Museum Duisburg.<br />
Diese Scheiben haben mich schon<br />
immer fasziniert. Das Verrückte an dem<br />
Bau ist ja: In einer Zeit, woalles inTrümmern<br />
lag, haben Leute die Courage gehabt,<br />
dieses offene Gebäude aus Glas zu<br />
bauen. Während wir heute mit unendlich<br />
viel mehr Privilegien ausgestattet<br />
nicht sogewagte Sachen machen. Für<br />
mich ist dieser Bau ein Nachkriegssym-<br />
44| <strong>HEINZ</strong> |<strong>11</strong>.<strong>2018</strong>