VNW-Magazin - Ausgabe 5/2018
Das VNW-Magazin erscheint fünf Mal im Jahr. Neben Fachartikeln enthält es Berichte und Reportagen über die Mitgliedsunternehmen des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen - den Vermietern mit Werten.
Das VNW-Magazin erscheint fünf Mal im Jahr. Neben Fachartikeln enthält es Berichte und Reportagen über die Mitgliedsunternehmen des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen - den Vermietern mit Werten.
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60 <strong>VNW</strong><br />
Monika Böhm, Vorstand<br />
Wohnungsgenossenschaft<br />
von 1904 eG und<br />
Vorstandsvorsitzende<br />
Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften<br />
e.V.<br />
Andreas Breitner,<br />
Verbandsdirektor des<br />
Verbands norddeutscher<br />
Wohnungsunternehmen<br />
(<strong>VNW</strong>)<br />
Ein Geschäft zu Lasten der Stadt<br />
Das Problem bestand nun allerdings darin, dass einem Gutachten<br />
zufolge der Wert des Fernwärmenetzes gegenwärtig lediglich bei<br />
645 Millionen Euro liegt, die Stadt für den Rückkauf also rund 300<br />
Millionen Euro mehr bezahlen muss als es eigentlich notwendig<br />
wäre. Es überraschte daher wenig, dass Zweifel an dem Geschäft<br />
zu Lasten der Stadt aufkamen.<br />
Der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (<strong>VNW</strong>)<br />
und der Arbeitskreis Hamburger Wohnungsgenossenschaften<br />
vertreten in Hamburg die Interessen von 30 Wohnungsgenossenschaften.<br />
Diese verwalten etwas mehr als 130 000 Wohnungen<br />
– das ist jede fünfte Wohnung in der Hansestadt. In diesen leben<br />
mehr als 220 000 Menschen, über zehn Prozent der Einwohner<br />
der Elbmetropole.<br />
Auf den Preis für die Fernwärme, der maßgeblich die Höhe<br />
der sogenannten zweiten Miete bestimmt, haben die Genossenschaften<br />
und der <strong>VNW</strong> keinen Einfluss. Gegenwärtig belasten die<br />
Heizkosten jeden Haushalt, der am Fernwärmenetz angeschlossen<br />
ist, durchschnittlich mit einem Euro pro Quadratmeter.<br />
Wir machen uns Sorgen, dass das nicht so bleibt und die zusätzlichen<br />
Kosten, die das neue Fernwärmekonzept des Senats<br />
verursacht, auf die Mieterinnen und Mieter abgewälzt werden. Einer<br />
der Gründe dafür ist, dass der Senat die Abwärme aus Moorburg,<br />
einem der modernsten und effizientesten Kohlekraftwerke<br />
weltweit, aus umweltpolitischen Gründen nicht verwenden will.<br />
Abwärme von Industriebetrieben soll genutzt werden<br />
Stattdessen setzt man auf industrielle Abwärme aus großen, südlich<br />
der Ebene gelegenen Industriebetrieben. So wurde beispielsweise<br />
erst Ende Oktober eine 3,7 Kilometer lange Leitung ihrer<br />
Bestimmung übergeben, die den Stadtteil Hafencity mit Fernwärme<br />
aus der Kupferhütte Aurubis versorgt. Durch die Leitung wird<br />
heißes Wasser aus der Industrieproduktion über die Elbe in die<br />
neu entstehenden Wohnungen und Bürogebäude geleitet. Das<br />
Projekt sei in Deutschland einzigartig, sagte Bürgermeister Tschentscher.<br />
Es ist aber auch teuer. Allein der Aurubis-Investitionsanteil<br />
liegt bei 20 Millionen Euro.<br />
Problematisch ist zudem, dass Fernwärme im Vergleich zu anderen<br />
Formen der Wärmeversorgung als relativ teuer gilt. So ist<br />
für Kohle der Preis je Megawattstunde im Vergleich zu Gas und<br />
erneuerbaren Energien deutlich günstiger. Fällt nun also Kohle<br />
aus dem Energiemix zur Fernwärmeerzeugung heraus, dürfte das<br />
deren Preis deutlich nach oben treiben. Fernwärmekunden besitzen<br />
bei steigenden Preisen ferner kein Sonderkündigungsrecht.<br />
Abgesehen davon, dass es mangels Wettbewerbs kaum eine<br />
Möglichkeit gibt, einen anderen Anbieter zu nutzen.<br />
Wir wollen, dass die Heizung auch in den kommenden Jahren<br />
bezahlbar bleibt und haben deshalb immer wieder deutlich<br />
vor umweltpolitischen Abenteuern und unkalkulierbaren Risiken<br />
bei der Fernwärme gewarnt. Ein Satz wie der von Umweltsenator<br />
Jens Kerstan (Grüne) „Wir denken, höchstens zehn Prozent mehr<br />
an Energiekosten, aber genau wissen wir es auch nicht“, ist ungeeignet,<br />
die Sorgen der Menschen zu beseitigen.<br />
Um nicht falsch verstanden zu werden: Der Schutz des Klimas<br />
ist auch der Hamburger Wohnungswirtschaft ein wichtiges<br />
Anliegen. In den vergangenen zehn Jahren investierte sie allein<br />
in Hamburg 6,5 Milliarden Euro in den Klimaschutz. Davon flossen<br />
rund 1,3 Milliarden Euro in die Modernisierung. Hinzu kamen<br />
Investitionen für Abriss und energetisch hochwertigen Neubau.<br />
Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen betonen<br />
immer wieder, dass bezahlbares Wohnen eine der wichtigsten<br />
sozialen Fragen ist. Es wäre daher doch widersinnig, wenn der<br />
Senat im Bündnis für das Wohnen für den Bau bezahlbarer Wohnungen<br />
wirbt und zugleich die „zweite Miete“ durch den Rückkauf<br />
des Fernwärmenetzes in die Höhe treibt.<br />
Wir nehmen daher Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher<br />
beim Wort: Die Mieterinnen und Mieter werden die Kosten<br />
für den Rückkauf des Fernwärmenetzes nicht bezahlen. Immerhin<br />
werden in Hamburg rund 64 400 Wohnungen von <strong>VNW</strong>-Unternehmen<br />
mit Fernwärme versorgt. Jeder Euro mehr wäre daher<br />
nach der Aussage des Ersten Bürgermeisters ein „Tschentscher-<br />
Euro“. Wir erwarten, dass der Senatschef zu seinen Worten steht<br />
und dafür sorgt, dass auch in einigen Jahren die Heizkosten für<br />
Otto-Normalverbraucher bezahlbar sind. h