Weilroder Gazette Weihnachten/Januar/Februar 2019
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Weihnachtslieder können weit mehr sein<br />
als nur Orgelmusik mit feierlichen Texten<br />
Der Musikpädagoge und Künstler Darius Rossol gastierte in Altweilnau mit experimenteller Festtagsmusik<br />
Altweilnau. Charmant,<br />
witzig, charismatisch –<br />
schneller können in der<br />
Altweilnauer Kirche versammelte,<br />
vorweihnachtlich<br />
gestimmte Menschen wohl<br />
kaum zu Wachs werden, als<br />
in den Händen von Darius<br />
Rossol. Der braucht nur mit<br />
dem Finger zu schnippen<br />
und schon schnippen alle<br />
mit, umso mehr, wenn er<br />
damit den Takt für die bekanntesten<br />
aller bekannten<br />
Weihnachtslieder vorgibt.<br />
Und wenn er sein Auditorium,<br />
wie beim Weihnachtsliedersingen<br />
in der Kirche,<br />
beauftragt, zum Text „Kommet,<br />
Ihr Hirten“, mit den Füßen<br />
zu trampeln und mitzusingen,<br />
während er kraftvoll<br />
sein Keyboard zum tosenden<br />
Orchester werden lässt, dann<br />
bebt die Kirche. Vorsichtshalber<br />
hat er den vielleicht<br />
nicht mehr jedem präsenten<br />
Liedtext auf die Leinwand<br />
projiziert - Karaoke mal<br />
Von der Gemeindewiese zum Fußballplatz<br />
Autor Wolfgang Ettig blickt in die Historie zurück: Nach Kinos und Badeanstalten geht es nun um König Fußball<br />
Usinger Land. Heimatforscher<br />
Wolfgang Ettig legt ein<br />
neues Buch über die Anfänge<br />
des aus England kommenden<br />
Fußballsports Usinger Land<br />
vor. „Fußball, ein unästhetisches,<br />
gesundheitsgefährdendes<br />
‚Spiel‘, es erniedrigt<br />
den Menschen zum Affen!“<br />
Dies war die Meinung deutscher<br />
Pädagogen Ende des<br />
19. Jahrhunderts. Man nannte<br />
es sogar die „englische<br />
Krankheit“. Doch Prof. Dr.<br />
Konrad Koch, Gymnasiallehrer<br />
in Braunschweig, erkannte<br />
das Potenzial dieser<br />
Darius Rossol und sein Emmershäuser Gospel-Chor. <br />
anders. Rossol nimmt sich<br />
das Recht heraus, den 2017<br />
im Lutherjahr promoteten<br />
Liedtext des Reformators<br />
„Verleih uns Frieden gnädiglich“<br />
aus dem Jahr 1529<br />
mal eben modern zu vertonen.<br />
Er machte Luther<br />
damit fast zum Popstar. In<br />
Weihnachtsklassikern wie<br />
„Oh du fröhliche“ und „Ihr<br />
Kinderlein, kommet“ steckt<br />
enormes, weit über Orgelbegleitung<br />
hinausgehendes<br />
musikalisches Potenzial.<br />
Bewegungsform früh und<br />
initiierte im Herbst 1874 unter<br />
den Schülern ein Fußballspiel.<br />
Der Siegeszug war<br />
nicht mehr aufzuhalten. Ettig<br />
verfolgt die Anfänge des<br />
Fußballs im Usinger Land bis<br />
ins Jahr 1908. 1912 gründete<br />
sich in Rod an der Weil ein<br />
„Turn- und Spielverein“ mit<br />
einer Fußball- und einer Radfahrabteilung.<br />
1919 folgten<br />
die Fußballclubs „Osingia“<br />
(Usingen) und „Wisingia“<br />
(Grävenwiesbach). An einen<br />
geregelten Spielbetrieb war<br />
aber nicht zu denken, zur<br />
Foto: as<br />
Wenn es denn von Rossol<br />
frei und teils frech gehoben<br />
wird. Auch wenn er das wohl<br />
feierlichste Weihnachtslied<br />
„Macht hoch die Tür, die<br />
Tor macht weit“ mit seinem<br />
Ein-Mann-Orchester-mit E-<br />
Gitarre vergospelt vorträgt,<br />
dann geht das dem Publikum<br />
durch Mark und Bein. Die<br />
begeistert an seinen Lippen<br />
hängenden Besucher haben<br />
richtig verhört: „Ihr Kinderlein,<br />
kommet“ hat das Zeug<br />
zum Rap. Man muss dem vor<br />
Zeit der Inflation hatte die<br />
Bevölkerung andere Sorgen.<br />
Am 25. März 1928 vermeldete<br />
der Usinger Anzeiger dann:<br />
„Nach langer Pause sehen wir<br />
wieder ein Fußballspiel!“ Die<br />
Elf aus Usingen traf auf Friedrichsthal<br />
und gewann 11:0.<br />
Ettig fand auch Kurioses:<br />
„Die Spieler klagten über<br />
ihr zu kleines, abschüssiges<br />
Sportgelände, auf dem zu<br />
allem Übel zwei mächtige<br />
Eichen standen, in deren<br />
Geäst sich der Ball verfing.“<br />
Das war das Ende eines unter<br />
Naturschutz stehenden<br />
29<br />
dem Altar groovenden Musiklehrer<br />
nur vertrauen. Auf<br />
Textsicherheit kam es nicht<br />
an, wenn am Ende des Textes<br />
noch Musik übrig war, tat es<br />
auch „lalalala“, Hauptsache<br />
der Rhythmus stimmte. Rossol,<br />
der auf Einladung des<br />
Förderkreises Burg Altweilnau<br />
gekommen war, fühlt<br />
sich pudelwohl, auch weil<br />
er viele Teilnehmer seines<br />
letzten Gospel-Workshops<br />
in Emmershausen entdeckte<br />
und zu einer kleinen Session<br />
bitten konnte. Mit Freude<br />
hörte er, dass sie das Erlernte<br />
noch drauf hatten. Auch die<br />
Begeisterung der Zuhörer<br />
trug dazu bei, dass Rossol zu<br />
immer größerer Form auflief.<br />
Gemeinsam Weihnachtslieder<br />
singen, vielleicht<br />
etwas anders als sonst,<br />
zwei Stunden lang mal nichts<br />
anderes machen als singen<br />
und einander das Herz öffnen,<br />
das sei Advent nach seinem<br />
Geschmack, sagt er.as<br />
Habitats im Usinger Schlossgarten.<br />
Kaum hatte sich der<br />
Fußball etabliert, wurde er<br />
ab 1933 instrumentalisiert. Ettig<br />
widmet diesem dunklen<br />
Abschnitt ein Kapitel. Nach<br />
dem Zusammenbruch des<br />
„Tausendjährigen Reiches“<br />
stand Deutschland am Abgrund.<br />
Dennoch rollte das<br />
runde Leder bald wieder.<br />
1946 hatte sich Fußball im<br />
Usinger Land mit 14 Vereinen<br />
neu etabliert. Das Buch<br />
(ISBN 978-3-924862-50-3)<br />
kostet im örtlichen Buchhandel<br />
19,80 Euro. as