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Es lebe der neue Kubus!<br />
D1<br />
143<br />
Als Peter Keler den Sessel D1 im Jahr 1925 entwarf, verfolgte er einen radikalen Denkansatz:<br />
Die Klarheit des Kubus sollte auf ein Möbel übertragen werden – dazu noch auf eines, das der<br />
Bequemlichkeit diente. Keler entwarf den Kubus-Sessel als Prototypen am Staatlichen Bauhaus<br />
Weimar. Er war gedacht für das Haus „roter Kubus“ von 1923, das aus der Hand seines Freundes,<br />
des Architekten Farkas Mólnar, stammte.<br />
Dieser rote Wohnkubus, auch der rote Würfel genannt, wurde am Horn in Weimar mit<br />
großen Fensterflächen und einem ausgelagertem Glasgang geplant. „Es lebe der neue Kubus:<br />
das erste, würfelförmige Haus der Welt – KURI!“, formulierte die Kuri-Guppe am Bauhaus.<br />
Den ersten Prototyp des D1 gibt es heute noch: Mit rotem Leder bezogen, ist das Original<br />
im Kragstuhl-Museum, Lauenförde, zu sehen. Nach jahrelanger, intensiver Zusammenarbeit mit<br />
Tecta beschloss Peter Keler, seinen Prototyp der Sammlung zu stiften. Sichtbar ist hier übrigens<br />
ein merkwürdiges Detail: Unterhalb der Armlehne wird eine Naht offenbar. Ein Kunstgriff, da das<br />
Leder für den Prototyp nicht ausreichte.<br />
Über Peter Keler: Peter Keler gehört zu den zentralen Köpfen, die die Bauhaus-DNA von Tecta nachhaltig prägten. Angefangen bei dem ersten Kontakt zwischen Peter Keler und Axel Bruchhäuser<br />
im Jahr 1975. Keler lebte in Weimar, wo er über Jahre eine Professur an der Hochschule für Baukunst und bildende Künste innehatte und später als freischaffender Architekt und<br />
Künstler arbeitete. Keler war so begeistert, als er hörte, dass Tecta seine Wiege produzieren wollte, dass er die kolorierte Originalzeichnung Axel Bruchhäuser schenkte. Die Wiege war<br />
inzwischen zu einem Sinnbild für das Bauhaus avanciert. Die legendäre Form, bestehend aus Kreis, Dreieck und Quadrat, hatte Peter Keler 1923 nach der synästhetischen Farb- und Formlehre<br />
von Wassily Kandinsky entworfen. Ein Jahr zuvor, 1922, war Keler Teil der am Bauhaus tätigen KURI-Gruppe (konstruktiv, utilitär, rationell, international).<br />
„Meine bauhaus-<strong>tecta</strong>-reise steckt mir überall lebendig im geist und in den bauhaus KURI-Knochen“, schrieb später der emeritierte Peter Keler über sein Schaffen und die<br />
jährlichen Reisen aus der DDR zu Tecta nach Lauenförde. Schon in jungen Jahren suchte der 1898 geborene Keler Anschluss an geistesverwandte Köpfe. Die Vision der Umgestaltung<br />
aller Lebensaspekte spiegelte sein Schaffen und die Arbeit als Maler Grafiker, Architekt, Fotograf und Möbelgestalter. 1921 ging er, so wie sein Künstlerkollege Wilhelm Wagenfeld, von<br />
Worpswede nach Weimar. Peter Keler schrieb sich am Bauhaus ein, besuchte den Vorkurs bei Johannes Itten und die Wandmalerei bei Schlemmer und Kandinsky.<br />
Rund sieben Jahre arbeitet Peter Keler ab 1975 als „<strong>tecta</strong>-mitarbeiter“ wie er sich selbst bezeichnete. 1981 schreibt er an den Sohn von Paul Klee, Felix Klee in Bern, einen<br />
deutsch-schweizerischen Kunsthistoriker und Maler, und unterzeichnet den Brief aus Lauenförde mit „<strong>tecta</strong> -new bauhaus“ als Absender. Damit legte er unbewusst den Grundstein für<br />
die aktuelle BauhausNowhaus-Edition, mit der das Unternehmen zeigt, dass die Ideen des Bauhauses heute noch so aktuell sind wie einst und ständig weitergedacht werden sollten.<br />
Die freundschaftliche Zusammenarbeit mit Axel Bruchhäuser von Tecta ist geprägt von Gesprächen, Besuchen, Briefwechseln oder gemeinsamen Reisen, zum Beispiel einem Besuch bei<br />
Erich Brendel in Wedel bei Hamburg. An einer anderen, abenteuerlichen Geschichte ist Keler ebenfalls maßgeblich beteiligt: Er vermittelte an Axel Bruchhäuser den Prototypen des ersten<br />
Faltsessels seines Freundes, Marcel Breuer. Prof. Edmund Kesting hatte den Breuer-Faltsessel von der Galerie „Neue Kunst Fides“ in Dresden Ende der 1920er Jahre erworben, über die<br />
Nazi-Zeit in Ahrenshoop versteckt und damit als „entartete Kunst“ über zwei Diktaturen gerettet.<br />
Um den wertvollen Sessel erfolgreich aus der DDR nach Lauenförde zu verschicken, musste eine List angewandt werden: Das alte Gestell wurde als gebrauchter Wäscheständer<br />
deklariert und an Axel Bruchhäusers Mutter versendet. So entging es der Kontrolle als Handelsware. Daher bedankt sich Keler 1976 in einem Brief an Axel Bruchhäuser für dessen<br />
„Bekenntnis zum Bauhaus“, nachdem seine Ideen in der DDR noch als elitär abgelehnt wurden.