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ESTHER WILSON<br />
Sie haben eine Ausbildung zur Stickerin an der Royal School of Needlework<br />
in London gemacht. Ein Handwerk, das am Bauhaus gelehrt wurde,<br />
aber heute eher ungewöhnlich ist. Wie kam es dazu, dass Sie diesen seltenen<br />
Beruf erlernen wollten?<br />
Esther Wilson: Nähen und Sticken war immer ein großes Thema<br />
bei uns zu Hause. Das Handwerk hat Tradition in meiner Familie. Meine<br />
Großmutter, die Architektin Alison Smithson, die mit meinem Großvater<br />
Peter Smithson das Tecta-Hexenhaus und -Museum sowie zahlreiche<br />
Möbel entwickelte, hat sehr viel genäht. Sie hat ihr Wissen und Können<br />
an ihre Tochter, meine Mutter, weitergegeben und die wiederum an mich.<br />
Ich habe mich dann entschieden, meine Fähigkeiten auf das Sticken<br />
zu fokussieren. Ich bin sehr stolz, dass ich diese Kunst meiner Familie<br />
fortführe und nun auf das Projekt BauhausNowhaus anwenden konnte.<br />
Aus der Perspektive einer jungen britischen Designerin: Was bedeutet<br />
BauhausNowhaus für Sie?<br />
EW: Obwohl ich eine dreijährige Ausbildung als Stickerin mit<br />
BA Abschluss gemacht habe, wird meine Arbeit oft als Handwerk oder<br />
Frauenarbeit abgestuft. Die heutige Unterteilung in Handwerk und Kunst<br />
hat eine Hierarchie kreiert, in der Techniken wie Sticken oder Weben<br />
eine untergeordnete Rolle spielen. Das Bauhaus hingegen glaubte fest<br />
an die Einheit von Kunst und Handwerk und verstand es, Konzept mit<br />
Ausführung und traditionellen Techniken zu verbinden. Genau das ist für<br />
mich heute in meiner Arbeit relevant.<br />
Was war Ihre Idee, als Tecta mit der Aufgabe einer BauhausNowhaus<br />
Re-Edition an Sie herantrat?<br />
EW: Ich wollte den D4 von Marcel Breuer neu interpretieren<br />
und das Bauhaus-Manifest nutzen, um neue Stickmuster zu kreieren.<br />
Ich habe schon lange die Idee, Texte auf abstrakte Weise zu editieren.<br />
Es ging mir nicht darum, Wörter eins zu eins in Stickerei zu übertragen.<br />
Mein Plan war es, lediglich bestimmte Passagen oder Worte mit unterschiedlichen<br />
Farben hervorzuheben und das so entstandene Muster zu<br />
nutzen. Christian Drescher schickte mir daraufhin ein Foto des Original-Manifestes.<br />
Es war wichtig für mich zu sehen, wie das Layout mit<br />
den unterschiedlichen Schriftgrößen und auch den Bleistiftkorrekturen<br />
aussieht. All das bildete die Inspiration meiner neuen Muster für den<br />
D4.<br />
Sie haben also einzelne Wörter im Manifest markiert. Deren Position im<br />
Manifest lieferte dann die Basis für Ihr Designlayout, das wiederum „nur“<br />
aus gestickten Farbblocks besteht ...?<br />
EW: Genau. Es gibt keine Worte zu lesen. Stattdessen werden<br />
einzelne Worte von Farben repräsentiert. Die erste Stuhlversion zeigt<br />
dementsprechend etwa die Wörter „Bauhaus“, „Kunst“ und „Handwerk“<br />
als drei unterschiedliche Farbblocks. Ich habe dann weiter an der Idee<br />
gearbeitet und auch Interpunktionen integriert.<br />
Wie sieht Ihr Farbkonzept aus?<br />
EW: Es gibt zwei Stühle aus weißem und zwei aus schwarzem<br />
Stoff, die mit kräftigen Farben bestickt sind. Ich liebe es, mit Farben zu<br />
arbeiten. Das Bauhaus hat großartige Farbkonzepte entwickelt. Meine<br />
Kompositionen für die Breuer Re-Edition sollten davon inspiriert sein<br />
INTERVIEW<br />
und gleichzeitig frisch und neu aussehen. Ich habe sehr viele unterschiedliche<br />
Paletten kreiert, bevor ich eine endgültige Auswahl getroffen<br />
habe. Jeder der vier Stühle präsentiert ein individuelles Stick- und Farbkonzept.<br />
Wie lange haben Sie gebraucht, um eine Breuer Re-Edition fertig zu stellen?<br />
EW: Das Sticken inklusive der Kreation des Musters hat etwa<br />
30 Stunden pro Stuhl gedauert.<br />
Warum interpretieren Sie gerade den Breuer-Stuhl?<br />
EW: Ich bin mit diesem Stuhl aufgewachsen. Er stand im Haus<br />
meiner Großeltern. Der Inbegriff eines Bauhaus-Möbels. Ich mag die<br />
übereinandergelagerten Textilgurte und die Art, wie sie über das Stahlrohr<br />
gezogen sind.<br />
Wo knüpfen Sie in Ihrer Arbeit an das Bauhaus an?<br />
EW: Meine Designs verbinden Kunst und Handwerk. Funktion,<br />
Form, Langlebigkeit spielen in der Kreation schöner, praktischer Produkte<br />
eine große Rolle. Ich schätze sehr den Bauhaus-Ansatz, mit leuchtenden<br />
Farben zu arbeiten – das versuche ich zu integrieren.<br />
Ist es für Sie ein vertrautes Gefühl, wenn Sie Tecta in Lauenförde besuchen?<br />
– Ihre Großeltern haben ja das Hexenhaus und das Museum dort<br />
erschaffen.<br />
EW: Ich bin dort zum ersten Mal gewesen als ich 12 Jahre alt<br />
war. Wir reisten mit dem Zug aus London an. Ich war so verzaubert von<br />
dem Hexenhaus mit den Baumhäusern und den Wegen. Es war magisch!<br />
Ich beneidete Axel darum, dass er dort leben konnte. Tecta zollt<br />
dem Handwerk und den Materialien größten Respekt – genau das versuche<br />
ich auch in meiner Arbeit auszudrücken. Die Synergie zwischen Tecta<br />
und meinen Großeltern hat wirklich etwas Himmlisches, gleichzeitig<br />
Zweckmäßiges und Effizientes kreiert.<br />
Ihre Großeltern Alison und Peter Smithson haben zahlreiche Möbel für<br />
Tecta entwickelt. Welches davon ist Ihr Lieblingsmöbel?<br />
EW: Ich mochte schon immer den „Collectors Table“. Als Kind<br />
habe ich kleine Dinge gesammelt und Dioramen arrangiert. Mit dem<br />
„Collectors Table“ ergaben sich unendlich viele Möglichkeiten, die Dinge<br />
immer wieder neu zu arrangieren.<br />
Erinnern Sie sich aus Ihrer Kindheit an Tecta, da ja Ihre Großeltern und<br />
Axel Bruchhäuser sich sehr nahe standen?<br />
EW: Ihre Freundschaft mit Axel war ganz besonders. Sie war in<br />
meiner gesamten Kindheit sehr präsent, allein schon durch Postkarten,<br />
lustige Zeichnungen und die Arbeitsideen, die kommuniziert wurden.<br />
Axel Bruchhäuser kann sich sehr für neue Ideen und Projekte begeistern.<br />
So auch für einen „chair essay“, den ich als Kind schrieb. – Ich<br />
arbeite übrigens gerade an einem Smithson Projekt – ich dokumentiere<br />
ihre Weihnachtskarten. Axel Bruchhäuser konnte mich auch dabei enorm<br />
unterstützen. Wir schreiben E-mails, vergleichen Bilder und Fotos. Es ist<br />
wunderbar, dass ich so an die Freundschaft meiner Großeltern zu Axel<br />
anknüpfen kann.