Top100 Schwaz 2018
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top 100 <strong>Schwaz</strong> | interview<br />
ECHO: Wie hat sich der Wegfall<br />
des Pflegeregresses auf die Pflegesituation<br />
in Jenbach ausgewirkt?<br />
Wallner: Nach dem Wegfall des<br />
Pflegeregresses ist es wichtig, dass<br />
taugliche Mittel für die Finanzierung<br />
der Pflege gefunden werden. Es ist eine<br />
Sache, Wahlzuckerln zu verteilen,<br />
und eine andere, diese dann auch<br />
zu finanzieren. Durch den Wegfall<br />
des Pflegeregresses entsteht ein sehr<br />
starker Druck auf die Heime und<br />
das gut aufgestelle Pflegenetz der<br />
Sozialsprengel leidet an einer sinkenden<br />
Nachfrage. Dadurch, dass<br />
auf das Vermögen der Menschen<br />
nicht mehr zurückgegriffen werden<br />
kann und vor einigen Jahren ja auch<br />
schon der Kinderregress weggefallen<br />
ist, entscheiden sich ältere Menschen<br />
jetzt viel öfter für das Altersheim. Wir<br />
haben auf der anderen Seite die Sozialsprengel,<br />
die sehr gute ambulante<br />
Pflege anbieten, die aber natürlich zu<br />
bezahlen ist. Im Altersheim ist alles<br />
geregelt: Ein Teil der Pension geht<br />
ans Heim, den Menschen bleibt ein<br />
kleiner Teil als Taschengeld und der<br />
Rest ist von der Mindestsicherung<br />
zu finanzieren. Der Sozialsprengel ist<br />
aber unabhängig von der Einkommenssituation<br />
komplett zu bezahlen.<br />
Man wird hier Möglichkeiten entwickeln<br />
müssen, damit die mobilen<br />
Pflegedienste nicht durch den Rost<br />
fallen. Es kann nicht die Intention<br />
sein, dass jeder Mensch, der Pflege<br />
braucht, sofort ins Altersheim geht.<br />
ECHO: Mit welchen Maßnahmen<br />
kann hier gegengesteuert werden?<br />
Wallner: Die Pflegenden zu Hause<br />
und die Sozialsprengel gehören<br />
viel mehr unterstützt. Es wird nötig<br />
sein, beim Pflegegeld etwas zu ändern,<br />
also z. B. eine Zweckbindung<br />
des Geldes oder eine Umwandlung<br />
in Sachleistungen. Durch den Wegfall<br />
des Pflegeregresses wird auf der<br />
einen Seite eine massive Entlastung<br />
geschaffen. Deshalb müssen auf der<br />
anderen Seite andere Pflegemodelle<br />
unterstützt werden.<br />
ECHO: Tirolweit ist das Thema<br />
leistbares Wohnen sehr aktuell. Wie<br />
sieht die Situation im sozialen Wohnbau<br />
und außerhalb in Jenbach aus?<br />
Wallner: Wichtig ist, dass wir eine<br />
gute Mischung aus leistbarem Eigentum<br />
und günstigen Mieten zur<br />
Verfügung stellen können. Ich bin<br />
kein Verfechter dieser Fünf-Euro-<br />
Projekte, bei denen dann niedrigere<br />
Standards gelten. In Jenbach haben<br />
wir es geschafft, Quadratmeterpreise<br />
in der Höhe von 7,50 Euro zusammenzubringen.<br />
Preise können ja über<br />
die Mietzinsbeihilfe abgefedert werden.<br />
Niedrige Preise dürfen nicht auf<br />
Kosten der Infrastruktur oder Bautechnik<br />
erzwungen werden. Durch<br />
Energieeffizienz können die Betriebskosten<br />
niedrig gehalten werden.<br />
ECHO: Sind im sozialen Wohnbau<br />
auch neue Projekte geplant?<br />
Wallner: Der Begriff des sozialen<br />
Wohnbaus hinkt aus meiner Sicht.<br />
Was wichtig ist, ist gemeinnütziger<br />
Wohnbau, der durch Beihilfen unterstützt<br />
ist. Junge Familien und<br />
ältere Menschen sollen sich diese<br />
Wohnungen leisten können. Sozialer<br />
Wohnbau impliziert, dass er nur<br />
für finanziell schlecht gestellte Menschen<br />
ist. Das ist aber nicht der Fall.<br />
Der weitaus überwiegende Teil in<br />
Jenbach und anderen Gemeinden<br />
wohnt im unterstützten, gemeinnützigen<br />
Wohnbau. Wohnen definiere<br />
ich als Grundrecht und über<br />
die Wohnbauförderung und diverse<br />
andere Maßnahmen, wie den Bodenfonds,<br />
hat das Land taugliche Mittel,<br />
um entsprechend leistbares Wohnen<br />
zur Verfügung zu stellen. Es ist einfach<br />
eine Tatsache, dass die Grundstückspreise<br />
in Westösterreich sehr<br />
hoch sind. Das bestimmt der Markt.<br />
Vertragsraumordnung, Wohnbauförderung<br />
und Bodenfonds sind geeignete<br />
Maßnahmen, um das Wohnen<br />
in Tirol leistbarer zu gestalten.<br />
ECHO: Auch Jenbach hat ein Problem<br />
mit dem Leerstand in der Innenstadt.<br />
Was wird Ihrerseits gegen<br />
dieses Phänomen unternommen?<br />
Wallner: Das Problem ist meiner<br />
Meinung nach einer falschen Raumordnungspolitik<br />
vor Jahrzehnten geschuldet.<br />
Ein Teil der früheren Einkaufstraße<br />
Achenseestraße gehört inzwischen<br />
der Gemeinde. Wir haben<br />
bereits 2013/14 unter Einbindung<br />
der Bevölkerung einen Ortskern-<br />
Entwicklungsprozess gestartet. Über<br />
einen Wettbewerb wurde jetzt ein<br />
Gestaltungskonzept entwickelt und<br />
im unteren Teil der Achenseestraße<br />
soll dann heuer und nächstes Jahr eine<br />
Begegnungszone mit wesentlich<br />
höherer Aufenthaltsqualität entstehen.<br />
Dieses Erfolgsmodell funktioniert<br />
auch schon in anderen Gemeinden.<br />
Wenn wir die öffentlichen<br />
Plätze entsprechend gestalten, haben<br />
die Eigentümer von Liegenschaften<br />
wieder bessere Möglichkeiten, diese<br />
an Gewerbetreibende zu vermieten.<br />
<br />
Interview: Maria Witting<br />
10 ECHO TOP 100 UNTERNEHMEN IM BEZIRK SCHWAZ <strong>2018</strong>