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RA 01/2019 - Entscheidung des Monats

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<strong>01</strong>/2<strong>01</strong>9<br />

ENTSCHEIDUNGDESMONATS<br />

ZIVILRECHT<br />

LebenslangesWohnrechtalsVertragzugunsten<br />

Dritergem.§328BGB


Editorial <strong>RA</strong> 12/2<strong>01</strong>8<br />

IMPRESSUM<br />

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Rechtsanwalt Oliver Soltner (V.i.S.d.P.)<br />

Theresa Bauerdick &<br />

Richterin am Amtsgericht Dr. Katharina Henzler (Zivilrecht)<br />

Assessor Dr. Dirk Schweinberger (Nebengebiete)<br />

Rechtsanwalt Dr. Dirk Kues (Öffentliches Recht)<br />

Rechtsanwalt Uwe Schumacher (Strafrecht)<br />

Ines Hickl<br />

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Die <strong>RA</strong> steht externer Werbung offen. Mediadaten sind unter<br />

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<strong>RA</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>9<br />

Zivilrecht<br />

1<br />

ZIVILRECHT<br />

Problem: Lebenslanges Wohnrecht als Vertrag zugunsten<br />

Dritter gem. § 328 BGB<br />

Einordnung: Schuldrecht AT<br />

BGH, Urteil vom 14.11.2<strong>01</strong>8<br />

VIII ZR 109/18<br />

EINLEITUNG<br />

Bei einem Vertrag zugunsten Dritter verpflichtet sich der Schuldner („Versprechende“)<br />

eine Leistung an einen vom Gläubiger („Versprechensempfänger“)<br />

verschiedenen Dritten zu erbringen. Das Bürgerliche Gesetzbuch regelt in<br />

den §§ 328-335 BGB den sog. echten Vertrag zugunsten Dritter. Dabei erwirbt<br />

der Dritte einen eigenen Anspruch gegen den Versprechenden. Ob dies der<br />

Fall ist, richtet sich stets nach dem Vertragsinhalt, der ggf. durch Auslegung<br />

(§§ 133, 157 BGB) klarzustellen ist.<br />

SACHVERHALT<br />

Die Beklagte (B) mietet im Jahr 1981 von der Stadt Bochum die Erdgeschosswohnung<br />

eines Siedlungshauses mit zwei Wohnungen. B hat als ehemaliger<br />

Bergmann einen sog. Bergmannsversorgungsschein. Im Jahr 2<strong>01</strong>2 erwirbt der<br />

Kläger (K) das Siedlungshaus von der Stadt Bochum. Der notarielle Kaufvertrag<br />

vom 04.07.2<strong>01</strong>2 enthält in § 2 b) u.a. folgende von den Parteien ausgehandelte<br />

Regelung: „Dem Käufer ist bekannt, dass im Haus eine Wohnung im<br />

Erdgeschoss an B vermietet ist (Vertragsbeginn 16.06.1981). Der Mieter hat<br />

ein lebenslanges Wohnrecht. Der Käufer übernimmt das bestehende Mietverhältnis.<br />

Er darf insbesondere keine Kündigung wegen Eigenbedarfs oder<br />

wegen der Behinderung einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung<br />

aussprechen. Möglich ist lediglich eine Kündigung wegen der erheblichen<br />

Verletzung der dem Mieter obliegenden vertraglichen Verpflichtungen.“ Im<br />

Anschluss an den Erwerb zieht K in die Wohnung im ersten Stock. Mit Schreiben<br />

vom 25.02.2<strong>01</strong>5 kündigt K das mit B bestehende Mietverhältnis nach § 573a I 1<br />

BGB. B widerspricht der Kündigung. Er macht geltend, in dem notariellen Kaufvertrag<br />

vom 04.12.2<strong>01</strong>2 sei zu seinen Gunsten ein lebenslanges Wohnrecht<br />

vereinbart worden, das der Kündigung entgegenstehe. K entgegnet, dass der<br />

ursprüngliche Mietvertrag mit der Stadt Bochum ein Wohnrecht nicht vorgesehen<br />

habe. § 2 b) <strong>des</strong> notariellen Kaufvertrages sei daher widersprüchlich.<br />

Zudem sei B bereits durch die gesetzlichen Regelungen <strong>des</strong> Mietrechts<br />

– wie z.B. § 573 BGB – ausreichend geschützt. K verlangt daher Räumung und<br />

Herausgabe der Erdgeschosswohnung. Zu Recht?<br />

PRÜFUNGSSCHEMA<br />

LEITSATZ<br />

Bei der in einem Kaufvertrag <strong>des</strong><br />

Vermieters über ein Hausgrundstück<br />

enthaltenen Vereinbarung,<br />

wonach der Mieter einer Wohnung<br />

<strong>des</strong> Hauses ein lebenslanges Wohnrecht<br />

haben und eine ordentliche<br />

Kündigung <strong>des</strong> Mietverhältnisses<br />

durch den in den Mietvertrag eintretenden<br />

Erwerber ausgeschlossen<br />

sein soll, handelt es sich um einen<br />

(echten) Vertrag zugunsten Dritter<br />

(hier: <strong>des</strong> Mieters) gem. § 328 BGB.<br />

Der Mieter erwirbt hierdurch unmittelbar<br />

das Recht, auf Lebenszeit von<br />

dem Käufer die Unterlassung einer<br />

ordentlichen Kündigung <strong>des</strong> Mietverhältnisses<br />

zu verlangen.<br />

A. K gegen B gem. §§ 549 I, 546 I BGB<br />

I. Vorliegen eines Mietverhältnisses<br />

II. Beendigung gem. § 542 I BGB<br />

B. Ergebnis<br />

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2 Zivilrecht <strong>RA</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>9<br />

LÖSUNG<br />

A. K gegen B gem. §§ 549 I, 546 I BGB<br />

K könnte gegen B einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der<br />

Erdgeschosswohnung gem. §§ 549 I, 546 I BGB haben.<br />

Gem. § 566 BGB wird der neue<br />

Eigentümer auch Vermieter.<br />

§ 576a I 1 BGB erleichtert die<br />

Kündigung.<br />

Das vereinbarte „lebenslange Wohnrecht“<br />

könnte sich auf § 576a I 1 BGB<br />

auswirken.<br />

Die zwischen K und der Stadt<br />

Bochum getroffene Abrede in Ziffer<br />

2b) <strong>des</strong> notariellen Kaufvertrags ist<br />

nach den allgemeinen Grundsätzen<br />

(§§ 133, 157 BGB) auszulegen.<br />

B sollte das eigene Recht gerade<br />

auch K gegenüber zustehen.<br />

Wörtliche Auslegung<br />

In der Vereinbarung ist ein echter<br />

Vertrag zugunsten Dritter i.S.d.<br />

§ 328 BGB zu sehen. Ziel ist die<br />

Sicherstellung der Versorgung <strong>des</strong><br />

besonders schutzwürdigen Mieters<br />

B.<br />

I. Vorliegen eines Mietverhältnisses<br />

K schloss im Jahr 1981 mit der Stadt Bochum einen Mietvertrag über die Erdgeschosswohnung<br />

eines Siedlungshauses. In diesen ist B gem. § 566 I BGB<br />

eingetreten. Ein Mietverhältnis i.S.d. § 535 BGB liegt damit zwischen den<br />

Parteien vor.<br />

II. Beendigung gem. § 542 I BGB<br />

Das Mietverhältnis über die Erdgeschosswohnung müsste aufgrund der Kündigung<br />

vom 25.02.2<strong>01</strong>5 beendet worden sein. Gem. § 576a I 1 BGB kann der<br />

Vermieter ein Mietverhältnis über eine Wohnung in einem von ihm selbst<br />

bewohnten Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen kündigen, ohne<br />

dass es eines berechtigten Interesses i.S.d. § 573 BGB bedarf. Fraglich ist, ob<br />

dieser erleichterten Kündigung vorliegend das im notariellen Kaufvertrag zwischen<br />

der Stadt Bochum und K individuell vereinbarte lebenslange Wohnrecht<br />

<strong>des</strong> B entgegensteht. Es könnte sich dabei um einen echten Vertrag zugunsten<br />

Dritter gem. § 328 BGB handeln, der dem B eigene Rechte gegenüber K einräumt<br />

und eine Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BGB sowie nach<br />

§ 573a BGB ausschließt.<br />

„[19] Nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen bildet der von den<br />

Parteien gewählte Wortlaut einer Vereinbarung und der diesem zu entnehmende<br />

objektiv erklärte Parteiwille den Ausgangspunkt einer nach<br />

§§ 133, 157 BGB vorzunehmenden Auslegung; darüber hinaus sind insbesondere<br />

der mit der Vereinbarung verfolgte Zweck und die Interessenlage<br />

der Parteien zu beachten, ferner die sonstigen Begleitumstände, die den<br />

Sinngehalt der gewechselten Erklärungen erhellen können.<br />

[20] In Anwendung dieser Grundsätze hat das Berufungsgericht die in<br />

§ 2 b) enthaltenen Regelungen rechtsfehlerfrei dahin ausgelegt, dass<br />

mit dem dort genannten lebenslangen Wohnrecht <strong>des</strong> B und dem<br />

Ausschluss einer Kündigung wegen Eigenbedarfs und wirtschaftlicher<br />

Verwertung nicht nur eine Verpflichtung <strong>des</strong> K gegenüber der Stadt<br />

Bochum, sondern eigene Rechte <strong>des</strong> B begründet werden sollten, die<br />

er K direkt entgegenhalten konnte.<br />

[21] Schon der Wortlaut der Regelung, in der von einem bestehenden<br />

lebenslangen Wohnrecht <strong>des</strong> Mieters und einer Übernahme <strong>des</strong> Mietverhältnisses<br />

durch K die Rede ist, deutet darauf hin, dass B auf diese Weise<br />

eine gesicherte Rechtsposition auch gegenüber K als Käufer eingeräumt<br />

werden sollte und B ihren bisherigen Wohnraum nicht verlieren sollte,<br />

sofern er dies nicht selbst zu vertreten hätte.<br />

[22] Die hohe Schutzbedürftigkeit <strong>des</strong> B als langjährigen Mieter, die sich<br />

zusätzlich daraus ergibt, dass ihm ein Bergmannsversorgungsschein<br />

erteilt ist, sowie die Verantwortung der Stadt Bochum als kommunaler<br />

Eigentümer und Veräußerer sprechen ebenfalls dafür, dass mit dieser<br />

Regelung eine Absicherung in der Form einer unmittelbaren Wirkung <strong>des</strong><br />

Kündigungsausschlusses dem K gegenüber gewollt war.<br />

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<strong>RA</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>9<br />

Zivilrecht<br />

3<br />

[23] Aus dem Umstand, dass der ursprünglich zwischen der Stadt Bochum<br />

und B abgeschlossene Mietvertrag ein lebenslanges Wohnrecht nicht<br />

vorsah, ergibt sich keineswegs, dass die Regelung in § 2 b) <strong>des</strong> Kaufvertrages<br />

widersprüchlich oder gar wegen „Perplexität“ unwirksam wäre.<br />

Im Gegenteil unterliegt es bei verständiger Betrachtung keinem Zweifel,<br />

dass mit der kaufvertraglichen Regelung ein lebenslanges Wohnrecht <strong>des</strong><br />

Mieters und <strong>des</strong>sen Übernahme durch den Käufer im Rahmen <strong>des</strong> Übergangs<br />

<strong>des</strong> Mietverhältnisses festgelegt werden sollte; dies wird durch die<br />

weiteren Sätze, nach denen eine ordentliche Kündigung <strong>des</strong> Mietvertrags<br />

seitens <strong>des</strong> K ausgeschlossen ist, eindeutig bestätigt.<br />

[24] Diesen auf einen umfassenden Schutz <strong>des</strong> Mieters abzielenden<br />

Regelungen <strong>des</strong> Kaufvertrages hat das Berufungsgericht zu Recht<br />

entnommen, dass B mit dem Wohnrecht im Wege eines (echten)<br />

Vertrags zugunsten Dritter (§ 328 BGB) ein unmittelbares Recht gegen<br />

K erwerben sollte, das noch zusätzlich dadurch abgesichert war, dass K<br />

bei einem Verstoß gegen die Mieterschutzbestimmung empfindliche<br />

finanzielle Belastungen durch die nach dem Kaufvertrag von ihnen zu<br />

tragenden Folgekosten drohten.<br />

[25] Ohne Erfolg bleibt auch die weitere Rüge, eine besondere<br />

Schutzbedürftigkeit <strong>des</strong> B sei <strong>des</strong>halb zu verneinen, weil dieser schon<br />

durch die gesetzlichen Regelungen <strong>des</strong> Mietrechts, etwa § 573 BGB,<br />

ausreichend geschützt seien. Die Revision verkennt insoweit, dass es in<br />

dem Kaufvertrag gerade darum ging, zugunsten <strong>des</strong> langjährigen<br />

Mieters der Stadt Bochum einen über § 573 BGB hinausgehenden<br />

Schutz vor ordentlichen Vermieterkündigungen zu gewähren, die<br />

ihren Grund nicht in einem vertragswidrigen Verhalten der Mieter haben.<br />

[26] Schließlich hat das Berufungsgericht die vorgenannten Regelungen<br />

zutreffend dahingehend ausgelegt, dass diese auch eine Kündigung<br />

gem. § 573a I 1 BGB - wie hier vorliegend - ausschließen. Zwar wird die<br />

erleichterte Kündigungsmöglichkeit <strong>des</strong> im selben Hause wohnenden<br />

Vermieters gemäß § 573a I 1 BGB im Kaufvertragstext nicht (ausdrücklich)<br />

angesprochen. Jedoch wird schon aus der Formulierung „insbesondere“<br />

deutlich, dass es sich bei den benannten Kündigungen wegen Eigenbedarfs<br />

(§ 573 II Nr. 2 BGB) und wegen der Hinderung einer angemessenen<br />

wirtschaftlichen Verwertung (§ 573 II Nr. 3 BGB) nicht um eine abschließende<br />

Aufzählung handelt. Da eine Kündigung gemäß § 573a BGB gerade keine<br />

Pflichtverletzung oder ein Verschulden auf Mieterseite voraussetzt, wird<br />

schließlich auch durch die im Vertragstext folgende Regelung, wonach<br />

„lediglich eine Kündigung wegen der erheblichen Verletzung der dem<br />

Mieter obliegenden vertraglichen Verpflichtungen“ möglich sein soll,<br />

besonders deutlich, dass auch die Kündigung gem. § 573a I 1 BGB vom<br />

Kündigungsausschluss mitumfasst ist.“<br />

Mithin steht der (erleichterten) Kündigung <strong>des</strong> Mietvertrages das im notariellen<br />

Kaufvertrag zwischen der Stadt Bochum und K zugunsten <strong>des</strong> B<br />

vereinbarte lebenslange Wohnrecht entgehen.<br />

B. Ergebnis<br />

K hat gegen B keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Erdgeschosswohnung<br />

gem. §§ 549 I, 546 I BGB.<br />

Das Gericht vermag keine Widersprüche<br />

im Vertrag zu entdecken<br />

und erkennt das „lebenslange<br />

Wohnrecht“ <strong>des</strong> B.<br />

B steht aus diesem „Wohnrecht“<br />

gegen K ein eigenes Recht zu,<br />

welches er der Kündigung nach<br />

§ 573a I 1 BGB entgegenhalten kann.<br />

Die Vereinbarung sollte B über die<br />

gesetzliche Regelung <strong>des</strong> § 573 BGB<br />

hinaus schützen.<br />

Der Umstand, dass die erleichterte<br />

Kündigung nach § 573a I 1 BGB nicht<br />

ausdrücklich in die Abrede aufgenommen<br />

wurde, ist unschädlich. Es<br />

handelt sich aufgrund <strong>des</strong> Wortlauts<br />

„insbesondere“ um keine abschließende<br />

Aufzählung.<br />

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