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B_1901_web

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Es sind die letzten Jahre der Belle Époque. Die<br />

Menschen sind in den ersten Jahren des letzten<br />

Jahrhunderts von Zuversicht und Optimismus<br />

erfüllt. Der technische Fortschritt<br />

verspricht herrliche Zeiten. Auch im Oberaargau sind<br />

die Bürgerinnen und Bürger stolz darauf, dass sich<br />

ihre Lebensbedingungen stetig verbessern.<br />

Die neuen Wunder der Technik und der Wissenschaft<br />

befeuern den Glauben an einen unaufhaltsamen<br />

Fortschritt und an eine immer bessere Welt. Die<br />

Wirtschaft ist globalisiert, die Reisefreiheit grenzenlos<br />

– erst Ende des 20. Jahrhunderts sollte dieser<br />

Grad der Globalisierung wieder erreicht werden.<br />

Europa beherrscht die Welt, ist mächtig wie nie.<br />

Zwar rüsten die Grossmächte auf und es wird viel<br />

über einen kommenden Krieg geredet und geschrieben.<br />

Aber niemand kann sich vorstellen, dass sich<br />

Europa schon bald in zwei Weltkriegen beinahe<br />

selbst zerstören wird.<br />

So ungefähr ist, in wenigen Worten skizziert, die<br />

«Gemütslage» zu Beginn der 1900er-Jahre. Dies erklärt<br />

die Begeisterung für Oskar Bider. Technik fasziniert<br />

die Menschen wie nie zuvor. Elektrischer<br />

Strom erhellt auf einmal die Nächte und treibt Motoren<br />

an. Aber nichts erregt die Menschen so sehr wie<br />

die Aviatik. Den Gebrüdern Wilbur und Orville<br />

Wright ist am 17. Dezember 1903 in Kitty Hawk<br />

(Nord Carolina) drüben in Amerika der erste bemannte<br />

Motorflug gelungen. Fliegen! Ein uralter<br />

Traum der Menschheit geht in Erfüllung. Der Motorflug<br />

hat die gleiche Faszination wie 60 Jahre später<br />

die Raumfahrt – aber da konnten wir die Astronauten<br />

nicht vor unserer Haustüre bewundern. Wir sassen<br />

vor dem TV-Gerät, lauschten den Ausführungen von<br />

Bruno Stanek und sahen schwarz-weisse Bilder von<br />

startenden Raketen und den ersten Menschen auf<br />

dem Mond.<br />

Die Männer, die mit den surrenden, zerbrechlichen<br />

Apparaten in den Himmel aufsteigen, sind die Helden<br />

der ersten Jahre des 20. Jahrhunderts. Sie werden<br />

bewundert wie Raumfahrer, verehrt wie Rockstars<br />

und sind populär wie später Spitzensportler.<br />

DER KÜHNSTE IST EIN SCHWEIZER<br />

Der kühnste, berühmteste ist Oskar Bider. Als er<br />

1914 nach Huttwil kommt, ist er 25 Jahre alt und<br />

steht im Zenit seines Ruhmes und ist der wohl bekannteste<br />

und populärste Schweizer. Er hat Ungeheuerliches<br />

vollbracht: Im Januar 1913 überfliegt er<br />

als erster Mensch die Pyrenäen von Pau nach Madrid.<br />

Am 23. Juli 1913 gelingt ihm gar der erste Überflug<br />

der Alpen. Von Bern nach Mailand. Um vier Uhr früh<br />

startet er in Bern. Das Jungfraujoch ist das grösste<br />

Hindernis. Über eine halbe Stunde lang ringt der todesmutige<br />

Flieger um die letzten hundert Meter, bis<br />

er schliesslich die erforderliche Höhe von 3600 Metern<br />

erreicht. Um 6.10 Uhr überfliegt er mit etwa<br />

hundert Meter Höhenabstand das Jungfraujoch. Man<br />

stelle sich vor: Er hat das Jungfraujoch, den majestätischen<br />

Schneeberg überflogen! Und nun kommt er<br />

nach Huttwil!<br />

Die heute noch existierende Lokalzeitung «Der<br />

Unter-Emmentaler» kündigt den grossen Tag in seiner<br />

Ausgabe vom 18. April 1914 an. Der Text wird<br />

hier auszugsweise wiedergegeben und bietet einen<br />

einmaligen Einblick in die alte Zeit, in die besonderen<br />

Umstände, die damals mit der Organisation eines<br />

solchen Grossereignisses verbunden sind. In<br />

einer Zeit ohne Internet, ohne Handy, mit nur wenigen<br />

Telefonanschlüssen und ohne motorisierte<br />

Mobilität, wie wir sie heute kennen. Der Bahnverkehr,<br />

heute unter dem Dach der BLS zentralisiert,<br />

ist in dieser Zeit noch ein aufregendes Business mit<br />

mehrere Unternehmen, die den «Hub» Huttwil bedienen.<br />

DER VORBERICHT<br />

«Am Sonntag, den 19. April findet nun in Huttwil der<br />

vom Unteroffiziersverein veranstaltete Flugtag statt,<br />

bei welchem Anlass der bekannteste und herausragendste<br />

Schweizer Flieger Oskar Bider Schau- und<br />

Passagierflüge ausführen wird.<br />

Oskar Biders sichere und elegante Flüge sind bekannt<br />

und werden auch am Sonntag bei den Besuchern<br />

des Flugtages in Huttwil Bewunderung hervorrufen.<br />

Es lohnt sich für Gross und Klein, dem<br />

Flugmeeting beizuwohnen und es wird dies schon<br />

der äusserst niedrigen Eintrittspreise wegen jedermann<br />

möglich sein.<br />

Sollte am Sonntag ganz ungünstige Witterung<br />

(Sturm oder Regen) eintreten, so würde der Flugtag<br />

auf den 26. April verschoben. In diesem Falle würden<br />

Sonntags morgens alle Stationen der Langenthal-<br />

Huttwil-Bahn, der Huttwil-Wolhusen-Bahn und<br />

Die letzte Aufnahme<br />

Biders wenige Tage<br />

vor seinem letzten<br />

Flug, bei dem er ums<br />

Leben kam.<br />

FLUGTAG<br />

HUTTWIL<br />

Auszug aus der<br />

Lokalzeitung «Der<br />

Unter-Emmentaler»,<br />

der am 18.<br />

April 1914 ausführlich<br />

über den<br />

Flugtag in Huttwi<br />

berichtete.<br />

s’Positive 1 / 2019 23

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