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HISTORY<br />

Oskar Bider wurde<br />

zusammen mit seiner<br />

Schwester Leny zu<br />

Grabe getragen.<br />

Wer also war Oskar Bider? Er kam aus Langenbruck<br />

im Baselbiet, arbeitete nach der Rekrutenschule 1911<br />

ein Jahr als Gaucho auf der Farm eines Schweizers in<br />

Argentinien. Im November 1912 kehrte er zurück und<br />

liess sich in Blériots Fliegerschule in Pau am Nordfuss<br />

der Pyrenäen zum Piloten ausbilden.<br />

DER TÖDLICHE ABSTURZ<br />

Ein früher Tod bringt ewigen Ruhm. Oskar Bider hat<br />

sein Leben am 7. Juli 1919 im Alter von nur 28 Jahren<br />

unter nie ganz geklärten Umständen verloren. Während<br />

des Ersten Weltkriegs wird Oskar Bider Fluglehrer<br />

und Chefpilot der Fliegertruppen. Seine Schwester<br />

Leny lässt sich währenddessen zur Stummfilm-<br />

Schauspielerin ausbilden. Im Schweizer Kinofilm<br />

«Bergführer» von 1917 spielt sie die Hauptrolle und<br />

provoziert mit einer verpönten Kussszene. In Zürich<br />

betreibt Leny zudem ein Modeatelier. Die extravagante<br />

Dame ist drauf und dran, die erste Filmdiva der<br />

Schweiz zu werden.<br />

Ein Fliegerheld, eine berühmte Schwester – die Biders<br />

sind die helvetischen Popstars der 1910er Jahre.<br />

Dann bricht die Katastrophe herein. «Heute, 6 h. 30<br />

M. ist Oberlt. Bider anlässlich einer akrobatischen<br />

Übung mit seinem Jagdflugzeug abgestürzt. Er ist<br />

tot.» Mit dieser trockenen telefonischen Mitteilung<br />

informierten der «Armeestab» sowie «Major Isler,<br />

Flugplatzdirektion», die offiziellen Stellen und die<br />

Öffentlichkeit über den Absturz von Oskar Bider auf<br />

dem Flugplatz Dübendorf am 7. Juli 1919.<br />

Nach dem Ersten Weltkrieg sahen sich viele Piloten<br />

der Fliegertruppen, denen auch Oskar Bider als<br />

Oberleutnant und Kommandant des 1. Militärfluggeschwaders<br />

angehörte, nach einer Beschäftigung in<br />

der Zivilluftfahrt um. Unser Held schloss sich einer<br />

Gruppe Militärpiloten an, die im Begriff waren, eine<br />

Fluggesellschaft zu gründen. Aus dieser Ad Astra<br />

TECHNIK<br />

Holz und Leinen<br />

Oskar Bider pilotierte bei den Flugtagen<br />

meistens zweisitzige Konstruktionen der<br />

beiden Franzosen Louis Blériot und Edouard<br />

de Niéport. Diese Flugzeuge wurden<br />

von Rotations-Motoren mit sieben Zylindern<br />

angetrieben, die rund 70 PS leisteten.<br />

Sie hatten ein Leergewicht von gut 100 Kilo<br />

und erreichten Höchstgeschwindigkeiten<br />

zwischen 80 bis 120 km/h und konnten<br />

auf gut 4000 Meter aufsteigen. Die<br />

Propeller waren aus Mahagoni-Holz. Für<br />

Rumpf und Flügel wurden hauptsächlich<br />

Stahlrohre, Fichten- und Eschenholz und<br />

für die Bespannung wasserdichtes Leinenge<strong>web</strong>e<br />

verwendet. Die Kabine war noch<br />

offen, der Pilot und sein Passagier waren<br />

auf ähnliche Weise dem Fahrtwind ausgesetzt<br />

wie heute ein Motorradfahrer.<br />

wurde später die Swissair. Mit Wasserflugzeugen,<br />

die an Seen gelegene Städte der Schweiz miteinander<br />

verbinden. Am 7. Juli 1919 sollte Oskar Bider<br />

nach Varese reisen, um das erste Flugzeug zu übernehmen<br />

und nach Zürich zu fliegen, wo die neue<br />

Firma einen Hangar gemietet hatte. Am Abend zuvor<br />

feierte er mit Freunden seinen Abschied aus der Armee<br />

und den Neubeginn seiner zivilen Fliegertätigkeit.<br />

Und zwar offensichtlich mit ziemlich viel Alkohol,<br />

auch wenn das im Nachhinein von «höchster<br />

Stelle» als Verleumdung in Abrede gestellt wurde.<br />

Oskar Bider nahestehende Kreise widersprechen<br />

den offiziellen Stellen indessen klar. «Oskar Bider,<br />

seine Schwester Leny und wir, seine Freunde und<br />

Bekannten, waren beim Nachtessen im Carlton-Restaurant<br />

Bellevue», wurden Oskars letzte Stunden von<br />

der Verfasserin einer Kurzbiografie über Leny Bider<br />

protokolliert. Am 6. Juli, um 23 Uhr, sei Leny zu Bett<br />

gegangen, wogegen eine «kleine Gesellschaft» in der<br />

Bar bis um Mitternacht weitergefeiert habe. Dort<br />

machte Bider der fröhlichen Runde den Vorschlag,<br />

ihn noch nach Dübendorf zu begleiten.<br />

DIE LANGE NACHT VOR DEM ABSTURZ<br />

Unterwegs blieb das Auto wegen Benzinmangels stehen.<br />

«Effektiv langten wir um circa drei Uhr morgens<br />

im Casino Dübendorf an.» Hier habe dann Bider seiner<br />

Begleitung ein kaltes Buffet offeriert. «Daneben<br />

wurden noch einige Flaschen Wein getrunken. Ist ja<br />

selbstverständlich. Die ganze Veranstaltung trug den<br />

Stempel eines wirklich netten, fröhlichen Beisammenseins»,<br />

dokumentiert Leny Biders Biografin.<br />

Gegen das Gerücht, Oskar Bider sei betrunken gewesen,<br />

und auch die üble Nachrede, der Pilot habe<br />

mit dem Absturz einen Selbstmord verschleiert, ging<br />

der Anwalt der Familie Bider vor. In einem Brief an<br />

Oberst de Loriol, Oskar Biders Vorgesetzten, wehrt<br />

sich der Anwalt gegen den Vorwurf, dass «den Ver-<br />

26 s’Positive 1 / 2019

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