O+P Fluidtechnik 1-2/2019
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MASCHINENBAU-MITTELSTAND UND SOFTWARE-GIGANTEN – KONKURRENTEN ODER PARTNER?<br />
te eingehen. Hier vor mir liegt ein iPad. Mit was punktet ein<br />
Hersteller eines solchen Produktes mehr? Mit ein wenig mehr<br />
Speicher als der Wettbewerb oder mit eine bisschen größerem<br />
Display oder einer minimal längeren Akkulaufzeit? Für mich ganz<br />
persönlich gesprochen, mit der Unterstützung meiner Bedarfe.<br />
Die Vernetzung und Integrierbarkeit in meine Prozesse.<br />
Mit Industrie 4.0 verbinden viele, ein Produkt noch effizienter entwickeln<br />
und fertigen zu können. Auch bei uns spielt die Effizienzsteigerung<br />
unserer Geschäftsprozesse immer eine Rolle. Diese<br />
Effizienzsteigerung sehen wir jedoch unter dem Aspekt eines<br />
kontinuierlichen Verbesserungsprozesses, der, wie der Name<br />
schon sagt, kontinuierlich gelebt werden muss. Dabei ist aber<br />
egal, wie diese Effizienzsteigerung realisiert wird – ob durch<br />
Digitalisierung, neuen Arbeitsmethoden oder kollaborative<br />
Organisationsformen.<br />
Viel mehr treibt uns die Frage um, was Industrie 4.0 für unsere<br />
Kunden bedeutet. Ist es die noch bessere, schnellere und schönere<br />
Hardware oder tendiert es viel mehr zu einer nicht trennbaren<br />
Kombination aus Dienstleistung und Hardware in Form eines<br />
neuen Geschäftsmodells. Beispielsweise: Verkaufen wir mittelfristig<br />
noch Maschinen mit diversen Zusatzpaketen wie Predictive<br />
Maintenance oder werden Geschäftsmodelle wie z.B. Pay per Use<br />
interessant und gefordert?<br />
Daraus stellt sich natürlich die Frage, müssen wir unsere Prozesse<br />
und Strukturen grundlegend überdenken oder sogar zusätzliche<br />
komplett neu erschaffen? Wie sehen die Geschäftsmodelle der<br />
Zukunft in unserem Markt aus?<br />
Glatz (Moderator): Hier muss man kurz einwerfen, dass ihr Kunde<br />
natürlich ein anderer ist, als der der Firmen, die bislang zu<br />
Wort gekommen ist. Gehen wir nun weiter zu den Software-<br />
Häusern. Herr Kube, wie sieht SAP Industrie 4.0?<br />
Kube (SAP): Vorab: Ich rede in meiner Funktion auch mit Kunden,<br />
die gar nicht aus dem Maschinenbau kommen, sondern Anwender<br />
der Maschinen sind. Und diese Kunden haben zwei große<br />
Probleme: Das eine ist Produktivität, das andere Flexibilität.<br />
Industrie 4.0 bringt diese beiden Dinge zusammen: die Fähigkeit,<br />
individualisierte Produkte in hohen Stückzahlen schnell und<br />
kostengünstig zu fertigen. Das brauchen viele Industrien. Denken<br />
Sie z.B. an individualisierte Schuhe, auch das ist Industrie 4.0. Ich<br />
sehe den Maschinenbau als Enabler für andere Industrien, z.B. die<br />
Konsumgüter- oder Autoindustrie. Immer dort wo Massenprodukte<br />
individualisiert werden müssen, braucht es Industrie-4.0-<br />
fähige Maschinen.<br />
Ein zweiter Trend betrifft Geschäftsmodelle. Viele Unternehmen<br />
wollen ihre Maschinen gar nicht mehr verkaufen sondern als<br />
Service zur Verfügung stellen – Maschine oder Flotte as a service.<br />
Ich sehe das Verständnis unserer Kunden für diese Bedürfnisse<br />
stark wachsen.<br />
Seutter (Microsoft): Ich versuche mich, dem Thema auch noch<br />
einmal von einer anderen Seite zu nähern. Wenn wir mit Partnern<br />
und Kunden, wie z. B. Sick, Festo oder Siemens, sprechen,<br />
geht es neben Themen wie Prozessoptimierung und Effizienzsteigerung<br />
auch häufig um die Frage: Was ist das Produkt der<br />
Zukunft? Wie kann ich mein Geschäftsmodell transformieren?<br />
Denn Technologien wie Künstliche Intelligenz, Mixed Reality<br />
und IoT bieten unsere Kunden und Partner völlig neue Möglichkeiten,<br />
ihr Geschäft digital zu transformieren. Sie transformieren<br />
nicht nur die Produktentwicklung, das Marketing und den<br />
Vertrieb, sondern entwickeln komplett neue digitale Wertschöpfungsketten.<br />
Ein weiterer neuer Aspekt von Industrie 4.0 ist, dass Komponentenhersteller<br />
mit Softwareunternehmen zusammenarbeiten und<br />
gegenüber dem Kunden als Partner auftreten. Unsere Mission bei<br />
Microsoft ist es, Unternehmen aller Branchen und Größen dabei<br />
zu unterstützen, ihr Geschäft erfolgreich digital zu transformieren.<br />
Wir verstehen uns als Partner der Industrie.<br />
Und zuletzt: Während sich Unternehmen vor einigen Jahren noch<br />
die Frage gestellt haben, ob sie in die Cloud migrierten sollen,<br />
geht es heute meist nicht mehr um das ob, sondern nur noch um<br />
das wie. Immer mehr unserer Industriekunden wünschen sich,<br />
die Leistungen, die wir Ihnen mit unserer Cloud-Plattform Azure<br />
anbieten, auch lokal auf Maschinen und Geräte zu bringen. So<br />
können sie beispielsweise Datenanalysen, Machine Learning und<br />
künstliche Intelligenz auch auf IoT-Geräte bringen, wenn keine<br />
permanente Internetverbindung gewünscht oder möglich ist. Das<br />
bringt auch den Vorteil, dass die Intelligenz direkt dort ist, wo<br />
schnelle Entscheidungen getroffen werden müssen: an der Maschine.<br />
Das verkürzt die Reaktionszeiten und spart nicht nur Zeit<br />
und Geld, sondern kann im Einzelfall Leben retten.<br />
VERLIERT DEUTSCHLAND DEN INTERNATIONALEN<br />
WETTBEWERB GEGEN DIE USA UND CHINA?<br />
Glatz (Moderator): Herr Thomas hat es vorhin angesprochen,<br />
Digitalisierung ist ein globales Phänomen. Ist die Industrie-4.0-<br />
Initiative ein Wettbewerbsvorteil für die Industrienation<br />
Deutschland? Oder besteht die Gefahr überholt zu werden?<br />
Thomas (Siemens): Ich halte es für eine große Herausforderung,<br />
unsere führende Position zu halten. Wenn man zum Beispiel sieht,<br />
wie in China die Besten der Besten rekrutiert werden, um neue<br />
Fertigungsanlagen auf der grünen Wiese aufzubauen, dann ist das<br />
schon beeindruckend. Ich sehe es als Herausforderung für den<br />
deutschen Maschinenbau, hier mitzuhalten.<br />
Ich sehe es aber auch als große Chance. Das Domänenwissen, das<br />
wir in Deutschland haben, ist der Kern zum Erfolg. Es nützt nichts,<br />
wenn sie tolle Digitalisierungsprodukte anbieten, ohne das Wissen<br />
rund um die Maschine. Unsere Stärken sind definitiv die Mechatronik,<br />
die Präzision und die Energieeffizienz. Und wo wir auch punkten<br />
können, ist die industrielle Maschinensicherheit, wo wir weltweit<br />
Standards setzen. Es muss für Deutschland als Exportnation das Ziel<br />
sein, künftig noch stärker Technologie zu exportieren.<br />
Zuckschwerdt (SW): Das Know-how vier Teile auf einmal zu<br />
fertigen mit extrem hoher Genauigkeit, das macht uns so schnell<br />
keiner nach. Noch nicht. Das ist nur eine Frage der Zeit. Aber man<br />
darf nicht vergessen: Hardware wird zu Software.<br />
Vor zwanzig Jahren hatte ich ein total tolles Fahrwerk in meinem<br />
Auto, heute drückt man auf einen Knopf und dank Software fahre<br />
ich weich wie ein Schiff oder hart wie ein Brett. In anderen<br />
Industriebreichen wird Hardware durch Software zu einem<br />
agierenden Teil degradiert. Gerade aber in Software gibt es guten<br />
und solventen Wettbewerb in Übersee!<br />
22 <strong>O+P</strong> <strong>Fluidtechnik</strong> 1-2/<strong>2019</strong>