syltimpuls Ostern 2012 - SYLTIMPULS | Das Nachrichtenmagazin ...
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Altern ist nichts für Feiglinge<br />
Auch unter Haustieren hat der demographische<br />
Wandel eingesetzt. Schon die Hälfte aller<br />
deut schen Hunde ist heute im Rentenalter.<br />
Eine ech te Herausforderung, nicht nur für<br />
Veterinäre.<br />
Alfreds Frauchen musste umziehen.<br />
Alfreds we gen. Der Mischling aus Berner<br />
Sennenhund und Kaukase schaffte die<br />
Treppen immer schlechter, und knapp sechzig<br />
Kilo Lebendgewicht tragen sich nun mal<br />
nicht so leicht. So verschlug es die beiden<br />
aus ihrem lichtdurchfluteten, aufgrund alten<br />
Mietvertrags auch noch günstigen Altbau in<br />
ein dunkles, feuchtes, nicht einmal billiges<br />
Hinterhausparterre.<br />
Tierhalter nehmen heutzutage manches<br />
auf sich, wenn ihre Hunde, Katzen, Pferde<br />
oder Kanin chen in die Jahre kommen. Sie<br />
müssen fertig werden mit Bewegungsunlust<br />
beim GassiGe hen oder unvorhersehbarem<br />
Verhalten.<br />
Früher wurden alte Tiere oft schlicht abgeschafft.<br />
Heute sind die Vierbeiner und so mancher<br />
Kanarienvogel immer häufiger eine Art<br />
Le benspartner, der bis ins hohe Alter gehegt,<br />
ge pflegt und versorgt wird. So hat unter Haustieren<br />
in den vergangenen Jahrzehnten ein demographischer<br />
Wandel stattgefunden. So ist<br />
nicht nur die menschliche Gesellschaft überaltert,<br />
sondern ebenso oder gerade deswegen die<br />
überalterte Hunde und Katzengesellschaft<br />
längst Realität. Legt man die alte Regel<br />
zugrun de, dass ein Menschenjahr sieben<br />
Hundejahren entspricht, dann sind heute<br />
etwa die Hälfte aller deutschen Hunde im<br />
Rentenalter. 1967 waren gerade einmal 19<br />
Prozent zehn Jahre und älter.<br />
Allerdings unterscheidet sich die Lebenserwar<br />
10<br />
tung der verschiedenen Hunderassen extrem.<br />
Die ganz großen beginnen schon mit sechs zu<br />
altern, die kleinsten können mit vierzehn noch<br />
fit und mit zwanzig noch am Leben sein. Katzen,<br />
die eine durchschnittlich etwas längere<br />
Le benserwartung haben, waren 1967 zu 0,2<br />
Pro zent zwanzig Jahre und älter, inzwischen<br />
sind geschätzte vier bis fünf Prozent im<br />
Greisenalter.<br />
Die Fachgebietsbezeichnung Geriatrie ist<br />
diesel be wie in der Humanmedizin. Auch<br />
die meisten Altersleiden der Tiere sind die<br />
gleichen wie beim Menschen. Hör und<br />
Sehkraft lassen nach, die Zähne sind abgenutzt<br />
oder fallen aus, Gelen ke entzünden sich und<br />
schmerzen.<br />
Sogar die Ratschläge ähneln sich: Bewegung,<br />
ohne zu übertreiben, art und altersgerechte<br />
Er nährung, Gewichtskontrolle und natürlich<br />
regel mäßige Arztbesuche. Zu empfehlen<br />
sind für alte Tiere inzwischen halbjährige<br />
Vorsorgeunter su chungen. Neben dem<br />
körperlichen Checkup per Augenschein,<br />
Hand und Stethoskop werden dabei auch<br />
Urin und Blutproben genommen.<br />
Besonders wichtig ist die Zahnpflege durch<br />
den Arzt. Lucky war eigentlich noch agil und<br />
voller Tatendrang. Aber plötzlich wurde er<br />
immer de pres siver und unlustiger. <strong>Das</strong> Fressen<br />
schmeckte nicht mehr, das Laufen war ihm<br />
auch mehr und mehr zuwider. Was fehlte dem<br />
Hund? Bis Blut aus seinem Mund herauslief.<br />
Jetzt dämmerte es. Die Zähne! Und wirklich:<br />
ein fachmännischer Griff durch den Sylter<br />
Tierarzt D.A. Wohl en berg zeigte ein wahres<br />
Dilemma im Maul des Hundes. Seine Zähne<br />
waren nie über prüft wor den und nun zeigt<br />
sich das grausige Ergebnis. Einundzwanzig<br />
von seinen insgesamt zweiund dreißig Zähnen<br />
mussten gezogen werden, sodass ihm noch<br />
elf verblieben. Erstaunlich war, dass der<br />
Jack Russel nach seinem Erwachen aus der<br />
Betäubung nicht jammerte, sondern gleich<br />
wie der munter durch die Räume lief, und zwar<br />
so schwungvoll, wie er es lange Zeit nicht<br />
mehr gewohnt war. Glücklicherweise haben<br />
Hunde einen harten Kiefer, sodass auch trotz<br />
des hohen Zahn verlustes das Kauen möglich<br />
ist.<br />
Zahnschmerzen bei Tieren haben schon<br />
häufiger zu Tragödien in der eigenen Familie<br />
geführt. Vor Schmerzen beißen Hunde in<br />
ihrer Verzweiflung auch schon einmal die<br />
eigenen Herrschaften. Daher sind Vorsorgeuntersuchungen<br />
beim Tier arzt unbedingt<br />
notwendig. Sie sind unproble matischer als das<br />
Ziehen von 21 Zähnen.