syltimpuls Ostern 2012 - SYLTIMPULS | Das Nachrichtenmagazin ...
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Aquarium: Eine Welt so unbeschreiblich fern<br />
Es war die Zeit, als man Tier noch mit h schrieb<br />
und die populäre Zoologie ein „Thierreich“<br />
ver kündete, jenseits der Städte und außerhalb<br />
der Welt der Menschen, die erschienen wie die<br />
Schauplätze eines Jules Verne. Noch im ersten<br />
Berliner Aquarium Unter den Linden, dessen<br />
Direktor Alfred Brehm war, schienen die grottenartigen<br />
Innenräume derselben Phantasie<br />
ent sprungen wie Kapitän Nemos UBoot<br />
Nautilus mit den Tiefseepanoramen hinter<br />
komfortablen Bullaugenfenstern.<br />
Mit natürlichen Abläufen hatte das alles wenig<br />
zu tun. <strong>Das</strong> Wasser stammte nicht aus dem<br />
Meer. Es wurde aus Leitungswasser und einer<br />
Meer salz misch ung hergestellt, die Zutaten<br />
la gerten in 500KiloSäcken verpackt im<br />
Unterge schoss des Hauses. So, wie es auch<br />
heu te noch in so gut wie allen Aquarien vorkommt.<br />
Im Sylt Aquarium in Westerland ist es anders.<br />
Die Nordsee ist ein rauer Lebensraum mit<br />
stän dig wechselnden Umweltbedingungen.<br />
Dazu ge hört die jahreszeitlich wechselnde<br />
Wassertempe ratur (Winter: 24 °C, Sommer:<br />
1420 °C) und der Gezeitenunterschied<br />
(Wasserstandsschwan kungen, Tidenhub).<br />
Dies prägt die Meerestiere die hier leben.<br />
Daher war es von Anbeginn an das Ziel<br />
des Syl ter Hauses, die Bedingungen im<br />
Aqarium den realen Lebensbedingungen in<br />
der Nordsee anzu passen. Eine Pipeline führt<br />
unmittelbar ins offe ne Meer und saugt das<br />
Wasser durch einen Filter in die Becken. <strong>Das</strong><br />
Salzwasser des Meeres wird zwar von Schad<br />
und keimhaltigen Schwebstof fen befreit,<br />
behält aber seine als Nahrungs grundlage<br />
notwendigen Spurenelemente und Mineralien.<br />
Der erste Kreislauf der Wasserver sorgung<br />
wärmt auf Nordseetemperatur, der zweite<br />
Kreislauf auf tropische. So leben die Fische<br />
im „Sylt Aquarium“ in ihrer natürlichen<br />
Umgebung.<br />
Kein Wunder, dass die Fische hier viel<br />
gesünder sind als ihre freien Artgenossen.<br />
Dafür sorgt au ßerdem noch ein aufwendiges<br />
System von Qua rantänemaßnahmen, das<br />
eingeschleppten Schäd lingen keine Chance<br />
lässt.<br />
Jedes neue Tier kommt zu nächst in ein<br />
Becken, wo es entwurmt und auf Bak te rienbefall<br />
unter sucht wird. Fin det sich ein Keim,<br />
der im Aqua ri um uner wünscht ist, wird der<br />
Fisch medizinisch behandelt. Kein Wunder<br />
also, dass zum Bei spiel Haie, die in freier<br />
Wild bahn etwa fünfzehn Jahre alt wer den,<br />
im Sylt Aquarium durch aus ein Le bensalter<br />
von 30 Jahren erreichen können. „<strong>Das</strong> ist<br />
ein Beweis dafür, dass Aqua rienhaltung alt<br />
macht“, erklärt Dr. Dennis Warneke, Leiter<br />
des Hauses.<br />
Leoparden Stechrochen<br />
In der Nordseeabteilung ist das Licht im Besucherraum<br />
so weit gedimmt, dass fast nur die<br />
Aquarien Helligkeit geben, und mit dieser<br />
Hel ligkeit Einblick in eine Welt, die so unbeschreib<br />
lich fern zu sein scheint, ob wohl uns in<br />
Wirklichkeit nur vier Zentime ter Glas von<br />
ihr trennen und nur wenige hundert Meter bis<br />
zum Strand, von dem aus man diese Welt aber<br />
nicht aufnehmen kann.<br />
Wir erleben die Welt verschiedener Rochenarten,<br />
Katzenhaie, Lippfische, Goldbrassen,<br />
Dor sche, Wolfs barsche, Meeraale, Seezungen,<br />
Schol len, Flundern, Petermännchen,<br />
Hummer, Kreb se, Seespinnen, Muscheln und<br />
vieles mehr.<br />
Im Tropenteil beherbergt ein 500 000LiterBecken<br />
Doktorfische, Napoleonfische, Muränen,<br />
LeopardenStechrochen, Zebra haie, Riffhaie,<br />
Anemonen fische, Rotfeuerfische, Nautilus<br />
und andere. Von besonderem Interesse ist<br />
hier ein auf den ersten Blick unscheinbarer<br />
Krake. Er scheint deshalb unscheinbar, da er<br />
bisher nicht wie Krake Paul anlässlich der<br />
letzten Fußball weltmeisterschaft scheinbar<br />
alle Spiele der deut schen Nationalmannschaft<br />
richtig vorhergesagt hat. In vielen Meldungen<br />
über Pauls Prognosen wirkte es, als sei die<br />
Möglichkeit, mithilfe ein fachster Mathematik<br />
die Wahrscheinlichkeit ei ner solcher<br />
Trefferserie zu berechnen, der größe re Akt<br />
der Magie als die Möglichkeit, dass Paul das<br />
Ergebnis tatsächlich vorhersagen kann. Die<br />
vermutlich dümmste PaulGeschichte kam<br />
im Gewand der ScheinAufklärung daher:<br />
In einem dpaKorrespondentenbericht sagte<br />
ein Tinten fischForscher, man könne auf<br />
die Vorhersagen gar nichts geben weil der<br />
Krake zum Beispiel vermutlich gar nicht<br />
die Farben auf den Fahnen erkennen könne!<br />
“Krakenexperte gibt Entwar nung”, titelte dpa.<br />
Spinnenkrabbe<br />
Wir erfahren aber, dass ein Krake den weißen<br />
Kittel des Mannes, der ihn immer füttert, wiedererkennen<br />
kann und sich dann sofort aus<br />
sei nem Versteck bewegt. Und so als hätte er<br />
auf ein Stichwort gewartet, kommt das klu ge<br />
Tier aus seinem Unterschlupf, um sich mit den<br />
Tentakeln an der Glasscheibe fest zusaugen<br />
und etwas zu beobachten.<br />
Nicht weit entfernt von dem Oktopus lebt eine<br />
Muräne, die mit zwei Meter fünfzig Länge in<br />
ei nem scheinbar viel zu kleinem Topf lebt. Ein<br />
Besucher beschwerte sich über die Zumutung,<br />
dieses „arme“ Tier in diesen kleinen Behälter<br />
einzupferchen. Die Leitung des Aquariums<br />
hatte ein Einsehen und wechselte den kleinen<br />
Topf gegen einen größeren aus. Die Muräne<br />
jedoch, die der deutsche Meeresforscher Hans<br />
Hass als das „mir am meisten verhasste Tier“<br />
bezeichne te, weigerte sich, diesen in Besitz zu<br />
nehmen. Sie irrte depressiv und verwirrt durch<br />
das Mee resbecken und suchte verzweifelt<br />
nach ihrer Un terkunft. Erst als die Mitarbeiter<br />
wieder ihren al ten, viel zu kleinen Topf in das<br />
Becken zurück gaben, war das Tier glücklich<br />
und lebt seitdem wieder zufrieden in seinem<br />
Becken.<br />
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