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Christkatholisch 2019-03

Ausgabe 3/2019

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<strong>Christkatholisch</strong> 3/<strong>2019</strong> Hintergrund<br />

11<br />

Zürcher Offene City-Kirche im Stauffacher lud Tierfreunde zu Trauergottesdienst ein<br />

Trauern um «unsere besten Freunde»<br />

Zum ersten Mal in der Schweiz fand am Sonntag, 3. Februar, ein Gottesdienst für Menschen statt, die<br />

um ein Tier trauern. Die Besucherinnen und Besucher kamen nicht nur aus der ganzen Deutschschweiz,<br />

sondern auch aus dem deutschsprachigen Ausland (Text gekürzt, ganzer Text unter www.kath.ch).<br />

Die Trauer um ein Tier werde vielfach<br />

belächelt, so der Konsens am ersten<br />

Schweizer Tiertrauergottesdienst. In<br />

Zürich sollen darum weitere Veranstaltungen<br />

zum Thema Trauer um<br />

Tiere folgen. Auch eine Trauergruppe<br />

für Tierhalter ist geplant.<br />

«In tiefer Liebe und Dankbarkeit»,<br />

oder: «Ich werde euch immer lieb haben».<br />

Diese und ähnliche Sätze zierten<br />

nicht die Trauerbänder von Kränzen<br />

an einer Beerdigung, sondern<br />

wurden von den Anwesenden am ersten<br />

Schweizer Gottesdienst für Menschen,<br />

die um ein Tier trauern, in ein<br />

Kondolenzbuch geschrieben.<br />

Zwar hatten sich am vergangenen<br />

Sonntag nur wenig mehr als 30 Personen<br />

in der Offenen City–Kirche St. Jakob<br />

beim Stauffacher in Zürich versammelt<br />

– dafür aber kamen einige<br />

von weit her: Aus den Kantonen<br />

Thurgau und Solothurn beispielsweise,<br />

aber auch aus Vorarlberg und sogar<br />

aus Frankfurt.<br />

Für Nicht-Tierhalter<br />

nur schwer nachvollziehbar<br />

«Wir wollen heute ein Thema benennen,<br />

das in der Gesellschaft noch<br />

nicht angekommen ist: die Trauer um<br />

unsere tierischen Gefährten». Mit<br />

diesen Worten eröffnete Michael Schaar,<br />

reformierter Pfarrer der Offenen<br />

City-Kirche St. Jakob und Vorstandsmitglied<br />

von «Akut» (Aktion<br />

Kirche und Tiere), die Andacht.<br />

«Tiere sind Gefährten, an denen<br />

man mit dem Herzen hängt.»<br />

Überhaupt seien Tod und Trauer zu<br />

Randthemen geworden. «Und gerade<br />

für Menschen, die kein enges Verhältnis<br />

zu Tieren haben, ist die Trauer um<br />

ein Tier nur schwer nachvollziehbar»,<br />

erklärte Michael Schaar. «Davon sollten<br />

wir uns aber nicht verunsichern<br />

lassen».<br />

Im Verlaufe des Gottesdienstes konnten<br />

die Tierhalter für ihre verstorbenen<br />

vierbeinigen Familienmitglieder<br />

Kerzen anzünden und Gedanken in<br />

ein Kondolenzbuch schreiben (Bild).<br />

Familie Schenker beispielsweise hat<br />

vor einem Jahr ihre Stute Kahila verloren.<br />

Nach einem erfüllten Leben sei<br />

das Pferd im Alter von 31 Jahren gestorben,<br />

«nachdem es 20 Jahre mit<br />

uns gelebt hat», berichtete Frau<br />

Schenker nach dem Gottesdienst.<br />

«Sie war ein Familienmitglied und<br />

der massgebliche Grund dafür, dass<br />

wir verheiratet sind und unser Kind<br />

haben». Zudem habe Kahila vielen<br />

Kindern Vertrauen geschenkt, die<br />

schwierige Situationen erlebt hätten.<br />

Trauer um Tiere<br />

als Forschungsgebiet<br />

Herr und Frau Meier trauern noch<br />

immer um ihre Katzen, die 2016 innerhalb<br />

von drei Monaten verstorben<br />

sind. Dass erst kürzlich auch noch die<br />

Katze einer Bekannten, die sie immer<br />

wieder gehütet hätten, gestorben sei –<br />

noch dazu bei ihnen, habe alte Wunden<br />

wieder aufgerissen.<br />

Dass sie in ihrer Trauer nicht immer<br />

nur auf Verständnis stossen, konnten<br />

die beiden bestätigen: «Deine Katzen<br />

waren doch schon alt. Du hast ja gewusst,<br />

dass das kommt», heisse es<br />

manchmal. «Wer selber keine Tiere<br />

hat, versteht das nicht».<br />

«Wenn das Tier dann stirbt, ist das<br />

einschneidend.»<br />

«Viele Menschen können nicht nachvollziehen,<br />

dass Tiere nicht einfach<br />

bewegte Dinge sind, sondern Gefährten,<br />

an denen man mit dem Herzen<br />

hängt», erklärte Tierärztin Marion<br />

Schmitt aus Hannover. Die 25-Jährige<br />

beschäftigt sich in ihrer Dissertation<br />

mit der Trauer um Haustiere. Pfarrer<br />

Schaar wurde zufällig auf diese Arbeit<br />

aufmerksam und lud Marion Schmitt<br />

spontan ein, am Gottesdienst anstelle<br />

der Predigt aus ihrer Forschung zu berichten.<br />

Als wichtigste Erkenntnis ihrer<br />

Arbeit erachtet Marion Schmitt<br />

den Umstand, dass es prinzipiell keinen<br />

Unterschied gebe zwischen der<br />

Trauer um einen Menschen und derjenigen<br />

um Tier.<br />

Kath.ch<br />

Andreas Müller, Text und Bild

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