Christkatholisch 2019-03
Ausgabe 3/2019
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<strong>Christkatholisch</strong><br />
3/<strong>2019</strong><br />
<strong>Christkatholisch</strong> 3/<strong>2019</strong><br />
Theologischer Briefkasten<br />
Wer entscheidet?<br />
Bibelwort<br />
Das ist nur eine Phase<br />
«Alles hat seine Stunde. Für jedes<br />
Geschehen unter dem Himmel<br />
gibt es eine bestimmte Zeit.»<br />
(Koh 3,1)<br />
AZA<br />
2501 Biel<br />
Frage: Wenn der Papst nicht das<br />
letzte Wort hat in der christkatholischen<br />
Kirche – wer dann?<br />
Von Anfang an haben Christkatholikinnen<br />
und Christkatholiken betont,<br />
dass sie den Papst als oberste Instanz<br />
nicht einfach durch etwas anderes ersetzen<br />
wollten: Weder die Synode<br />
noch die Bischofskonferenz noch ein<br />
allgemeines Konzil werden als letzte<br />
Instanz angesehen. Wir ersetzten den<br />
Papst nicht durch einen «Kollektivpapst».<br />
Dennoch, Entscheidungen<br />
sind nötig – aber wer entscheidet in<br />
der christkatholischen Kirche? Ich<br />
behaupte, schon die Frage gehe am<br />
christkatholischen Verständnis vorbei.<br />
Typisch christkatholisch ist nicht<br />
die Frage «Wer entscheidet?», sondern<br />
die Frage «Wie kommen wir zu einer<br />
Entscheidung?»<br />
Der Entscheidungsprozess steht im<br />
Zentrum, er soll synodal verlaufen.<br />
Synodal heisst: Die ganze Kirche ist<br />
daran beteiligt und sucht, so die<br />
Grundbedeutung des griechischen<br />
Wortes synodos, einen gemeinsamen<br />
Weg: Laien und Geistliche, Gemeindemitglieder,<br />
kirchliche Behörden<br />
und theologische Fachleute, Bischof<br />
und Nationalsynode. Die Frage der<br />
Einheit des Glaubens und der Gemeinschaft<br />
der Kirche muss einbezogen<br />
werden – dies die zentrale Aufgabe<br />
des Bischofs und des Presbyteriums.<br />
Der Blick in die biblische Botschaft<br />
und die Tradition der Alten Kirche ist<br />
unabdingbar – deswegen haben die<br />
Stimmen von Theologinnen und<br />
Theologen Gewicht. Der Glaubenssinn<br />
der gläubigen Menschen in der<br />
Kirche zeigt, ob die theologischen<br />
Überlegungen sich auch in der lebendigen<br />
Tradition der Gegenwart bewähren.<br />
Die Konsequenzen für das<br />
kirchliche Leben müssen bedacht<br />
werden, weshalb die kirchlichen Behörden<br />
gehört werden müssen.<br />
Keine dieser Instanzen ist, für sich<br />
genommen, unfehlbar, keine ist die<br />
oberste, die alle anderen überstimmen<br />
kann. Alle sind in den Prozess<br />
eingebunden und aufeinander angewiesen.<br />
Wenn die Kirche diesen<br />
Stimmen Raum gibt und im synodalen<br />
Geschehen um eine Entscheidung<br />
ringt, dann darf sie darauf vertrauen,<br />
dass der Heilige Geist in ihr am Werk<br />
ist. Nicht die oberste Autorität ist Träger<br />
des Heiligen Geistes und garantiert<br />
das Bleiben der Kirche in der<br />
Wahrheit, sondern im synodalen<br />
Prozess wird der Heilige Geist die<br />
Kirche leiten – so die christkatholische<br />
Überzeugung.<br />
Adrian Suter<br />
Schicken Sie Ihre<br />
theologische Frage bitte an:<br />
redaktion@christkatholisch.ch<br />
Eines Morgens beim Frühstück<br />
sprang mein Sohn lieber herum<br />
und spielte, anstatt zu essen.<br />
Darob fühlte ich mich veranlasst,<br />
ihn zu ermahnen, dass er essen<br />
solle, denn bald müssten wir los<br />
zum Kindergarten. Aus heiterem<br />
Himmel erinnerte ich mich<br />
an Kohelet 3,1: «Alles hat seine<br />
Zeit.» Grinsend erklärte ich ihm:<br />
«Jetzt hör mir mal zu. Es gibt eine<br />
Zeit zum Spielen und eine Zeit<br />
zum Herumspringen. Es gibt eine<br />
Zeit zum Quatschen und eine Zeit<br />
zum Motzen. Es gibt auch eine<br />
Zeit zum Sauereimachen und<br />
eine Zeit zum Erwachen. Aber<br />
jetzt, mein Lieber, jetzt ist Zeit<br />
zum Essen und danach ist Zeit<br />
zum Zähneputzen. Dann ist Zeit<br />
zum Anziehen und dann müssen<br />
wir los.» Zu meiner Freude schien<br />
meine Rede dem Vierjährigen<br />
einzuleuchten und er ass auf.<br />
Nachher beim Anziehen aber<br />
protestierte der Kleine lauthals<br />
und unter Tränen: «Andere Kappe!»<br />
Diese war schon seit Tagen<br />
unauffindbar, was jeden Morgen<br />
heftige Gefühlsausbrüche<br />
auslöste. Alle Beruhigungsversuche<br />
nützten nichts. Mein Sohn<br />
warf sich auf den Boden, wo er<br />
sich zappelnd wälzte. Mit einem<br />
schmerzerfüllten «Blöder Papi!»<br />
machte er mich für das Fehlen<br />
der Kappe verantwortlich. Mir<br />
meiner Mitschuld bewusst, atmete<br />
ich tief und schwer ein. Ich<br />
schloss meine Augen, kämpfte<br />
gegen die Schimpftirade, die sich<br />
in mir zusammenbraute, und betete<br />
still: «Alles hat seine Zeit, das<br />
ist nur eine Phase, auch das geht<br />
wieder vorbei.» Und siehe, etwas<br />
später hatte sich des Knaben Wut<br />
in Schluchzen verwandelt und<br />
wir konnten endlich los. – Zu spät<br />
kamen wir übrigens auch nicht.<br />
Lenz Kirchhofer<br />
<strong>Christkatholisch</strong>