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Festspielzeit Frühling 2019

Das Magazin der Bregenzer Festspiele

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Don Quijote ist eines der<br />

berühmtesten Bücher der<br />

Weltliteratur. Ist es ein zu<br />

großer Berg oder eine willkommene<br />

Herausforderung, es auf die Theaterbühne<br />

zu bringen?<br />

THEATER AM KORNMARKT<br />

Jan Bosse: Als mögliches Thema<br />

für die Bühne spukt das Buch schon<br />

lang in meinem Kopf herum. Ich<br />

habe es aber zugegebenermaßen<br />

nie komplett gelesen. Wahrscheinlich<br />

hat es jeder angefangen und<br />

spätestens nach einigen hundert<br />

Seiten abgebrochen. Nicht weil es<br />

so schlecht ist, sondern weil sich<br />

vieles wiederholt und es auch kaum<br />

zu schaffen ist. Es sind zwei Bände<br />

und irgendwann habe ich gemerkt,<br />

dass der zweite Teil sehr wichtig und<br />

nicht einfach die Fortsetzung des<br />

ersten ist. Insofern muss ich auch<br />

zugeben, dass ich das Buch erst<br />

nach dem Entschluss, es tatsächlich<br />

mit dieser Besetzung auf die Bühne<br />

zu bringen, komplett gelesen habe.<br />

Dieser Stoff ist einzigartig in der<br />

Literatur, weil die beiden Hauptfiguren<br />

so ikonographisch geworden<br />

sind. Insofern bleibt die Enttäuschung<br />

nicht aus, wenn man das<br />

Buch dann tatsächlich von vorn bis<br />

hinten liest und mehr oder minder<br />

immer die gleiche Struktur wiederfindet:<br />

Ein Abenteuer wird bestanden<br />

oder nicht und dann kommt das<br />

nächste. Aber ich liebe so schwere<br />

Stoffe, eben Berge, die kaum zu erklimmen<br />

sind, Steinbrüche, an denen<br />

man sich die Zähne ausbeißen kann.<br />

Was bedeutete Don Quijote für dich,<br />

bevor du das Buch komplett gelesen<br />

hattest? Was hat dich daran gereizt?<br />

Bestimmt etwas, was nah am Klischee<br />

ist. Für mich war es interessant,<br />

einige von Vladimir Nabokovs<br />

Vorlesungen über Don Quijote zu<br />

lesen. Nabokovs Reflexionen brachten<br />

mich anfangs weiter, als mich im<br />

Original zu verlieren. Er hat gleich<br />

mit dem Mythos aufgeräumt, dass es<br />

ein witziges, bestsellerartiges Buch<br />

ist. Es gibt erstaunlich viel Gewalt.<br />

Jede dieser Episoden endet damit,<br />

dass jemand mindestens grün und<br />

blau geprügelt wird, wenn nicht die<br />

Knochen gebrochen oder die Zähne<br />

ausgeschlagen bekommt. Das ist<br />

meistens Sancho Pansa oder Don<br />

Quijote, einer von beiden kriegt’s<br />

ab. Eigentlich müsste jedes Mal ein<br />

Krankenhausaufenthalt folgen.<br />

Wenn Cervantes selbst als Stimme<br />

des Autors schreibt, dass die folgende<br />

Episode den Leser zum Schmunzeln<br />

oder gar zum lauten Lachen<br />

bringen wird, dann räumt Nabokov<br />

mit den Klischees der Rezeptionsgeschichte<br />

auf. Er analysiert genau, woher<br />

diese Gewalt kommt und welches<br />

Gesellschaftsbild dahintersteckt. Es<br />

ist die Zeit der Inquisition, des Kolonialismus,<br />

der Sklaverei. Die beiden<br />

für uns irgendwie harmlos gewordenen<br />

Figuren, die ein bisschen zu Dick<br />

und Doof geworden sind, bewegen<br />

sich in einem sehr wilden Europa.<br />

Für mich ist eine spannende Frage,<br />

warum dieser Don Quijote eine so<br />

unfassbare Provokation für die Welt<br />

um ihn herum gewesen sein muss,<br />

dass man ihn alle drei Seiten verprügeln<br />

muss. Warum hält die Gesellschaft<br />

diesen Typen nicht aus, der<br />

zugespitzt gesagt nur ein verrückt<br />

gewordener Intellektueller ist, ein<br />

Bücherwurm, der ein bisschen Ritter<br />

spielt?<br />

… aber er mischt sich sehr ein, kreidet<br />

an und greift Menschen auch an.<br />

Das ist interessant, weil auch der Autor,<br />

mit dem wir für unsere Fassung<br />

zusammenarbeiten, Jakob Nolte, betont,<br />

dass die Mittel, mit denen Don<br />

Quijote angreift, auch gewaltsam<br />

JAN BOSSE<br />

hat ein Faible für große<br />

Geschichten von Hamlet bis<br />

Frankenstein und macht<br />

nicht selten das Publikum<br />

zum Teil seiner Inszenierungen.<br />

Der Wahl-Berliner führte<br />

in den vergangenen Jahren<br />

vor allem Regie am Burgtheater<br />

Wien, Thalia Theater Hamburg<br />

und Maxim Gorki Theater<br />

Berlin.<br />

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