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Beschaffung aktuell 04.2019

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BETRIEB<br />

zu betreiben: alternative und konventionelle<br />

Energiequellen. Das kostet irre Summen, was<br />

sich in den Energiekosten niederschlägt. In<br />

Folge wird BASF zum Beispiel in Deutschland<br />

sicher kein neues Werk mehr bauen. Klimapolitik<br />

ist keine nationale Politik. Was wir brauchen<br />

sind weltweit konzertierte Aktionen.<br />

Aus dem ersten Produktkatalog. Bild: Keller & Kalmbach<br />

produktlinien immer auch einen europäischen<br />

Alternativlieferanten auf.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Herr Seidl, Sie sind Doktor<br />

der Sozialwissenschaften. Die Mehrzahl<br />

Ihrer Kollegen setzt eher auf Maschinenbau<br />

oder Marketing.<br />

Dr. Seidl lacht: So groß sind die Unterschiede<br />

gar nicht. Eine Stadt, ein Land und auch ein<br />

Unternehmen ist jeweils eine soziale und kulturelle<br />

Einheit. Der Laden muss laufen. Dabei<br />

muss es für alle gerecht und sicher zugehen.<br />

Der größte Unterschied ist wohl der Druck<br />

der Zahlen. In der Marktwirtschaft muss am<br />

Ende die Kasse stimmen, sonst sind die Tore<br />

zu. Wenn man Geld drucken kann, ist dieses<br />

Problem nicht so groß.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Ihr Firmenmotto lautet<br />

fit.fair.friendly. Ist das eine Ausprägung Ihrer<br />

sozialwissenschaftlichen Ausbildung?<br />

Dr. Seidl: Ich halte diese Attribute für erfolgsrelevant.<br />

Jedes Unternehmen muss leistungsstark<br />

und fit auftreten. Fairness hat<br />

auch viel mit Nachhaltigkeit zu tun. Und<br />

nicht zuletzt erleichtert Freundlichkeit nicht<br />

nur das Miteinander, sondern auch die Geschäfte.<br />

Ich verstehe mich aber auch als stiller<br />

Patriarch mit Führungswillen. Ich gebe<br />

Ziele vor und kontrolliere die Meilensteine<br />

auf dem Weg. Oft kann ich loben, manchmal<br />

muss ich tadeln. Im schlimmsten Fall muss<br />

man sich auch mal von einem Partner oder<br />

einem Mitarbeiter trennen. Aber selbst das<br />

kann für alle Beteiligten fair ablaufen.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Sie arbeiten seit 1976 in<br />

der Geschäftsführung und haben seither viele<br />

Konjunkturtrends erlebt. Wie beurteilen<br />

Sie die <strong>aktuell</strong>e Situation?<br />

Dr. Seidl: Im letzten Quartal verzeichneten<br />

die Märkte eine schwarze Null. Das <strong>aktuell</strong>e<br />

Quartal wird schlechter – dafür sorgt schon<br />

der weitverbreitete Glaube an eine konjunkturelle<br />

Eintrübung. Denn wir hatten noch nie<br />

einen zehn Jahre andauernden Aufschwung.<br />

Und dazu das Glück, dass alle drei großen<br />

Weltmärkte gleichzeitig boomten: Europa,<br />

USA und China. In Asien sind die <strong>aktuell</strong>en<br />

Zahlen <strong>aktuell</strong> wohl schlechter als zugegeben.<br />

In den USA führen die Steuerreformen<br />

gerade zu einem Zwischenhoch. In Deutschland<br />

sorgen die gesättigten Binnenmärkte für<br />

einen nachlassenden Absatz. Gleichzeitig zerlegen<br />

wir unsere Vorzeigeindustrie: die Automobilbranche,<br />

um die uns die Welt beneidet<br />

– beziehungsweise beneidet hat. Auch mit<br />

der Energiewende sind wir meiner Meinung<br />

nach auf dem falschen Weg. Kein anderes<br />

Land der Welt hat sich diese Radikalität auf<br />

die Fahnen geschrieben. Zum Beispiel den<br />

kompletten Atomausstieg in Kombination<br />

mit dem Kohleausstieg. Momentan sind wir<br />

gezwungen, zwei komplette Systeme parallel<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Sie engagieren sich im<br />

Fachverband des Schrauben-Großhandels. Ist<br />

das nicht eine Doppelbelastung?<br />

Dr. Seidl: Soviel Mehrarbeit ist das nicht. Ich<br />

fühle eine soziale und gesellschaftliche Verantwortung,<br />

der ich gerecht werden möchte.<br />

Und die Verbandsarbeit ist ja nicht nur eine<br />

lästige Pflicht, sie macht auch Spaß. Zumindest<br />

sehr oft. Die Unternehmen der Verbindungs-<br />

und Befestigungstechnik sind gut vernetzt<br />

und arbeiten eng zusammen. Gemeinsam<br />

können wir gegen Wettbewerbsverzerrungen<br />

vorgehen. So konnten wir uns beispielsweise<br />

gegen die 80-prozentigen Strafzölle<br />

der WHO auf chinesische Schrauben<br />

wehren. Das hat zwar sieben Jahre gedauert,<br />

aber dann haben wir uns durchgesetzt. Genützt<br />

hat es den europäischen Produzenten<br />

nichts, weil andere asiatische Hersteller sofort<br />

den Markt beliefert haben.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Sie sind auch Mitglied<br />

im Vorsitz des Kunstvereins München. Das<br />

erinnert im besten Sinne des Wortes an einen<br />

Entrepreneur der alten Schule.<br />

Keller & Kalmbach<br />

Fakten und Zahlen<br />

... wurde vor 140 Jahren gegründet. 1878<br />

drehte sich das Produktportfolio vor allem um<br />

Schrauben, Hufeisen und Hufnägel. 1908<br />

übernimmt die Familie Seidl den erfolgreichen<br />

Betrieb. Die Schrauben sind geblieben – heute<br />

bietet das Unternehmen intelligentes C-Teile-<br />

Management rund um Verbindungselemente<br />

und Befestigungstechnik. Die Firmengeschichte<br />

erzählt von besonderen Innovationen: So<br />

liefern die Münchner 1962 als erster deutscher<br />

Schraubenhändler direkt in die Produktionslinien<br />

der Automobilindustrie oder führen<br />

1987 das Kanban-System bei Siemens ein.<br />

Heute beliefern die rund 900 Mitarbeiter<br />

weltweit Kunden in der Automobilindustrie,<br />

im Maschinen- und Anlagenbau sowie in der<br />

Bahntechnik und Luftfahrt und erwirtschaften<br />

jährlich einen Umsatz von 333 Mio. Euro.<br />

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