EGTA-Journal 04-2019
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Gerd-Michael Dausend<br />
Neben der Edition Alter Musik (vor allem<br />
elisabethanischer Musik, etwa von John<br />
Dowland) bemühte sich Scheit – wie<br />
vor ihm z. B. auch Segovia und Pujol –<br />
auch um die Erweiterung des zeitgenössischen<br />
Repertoires. Als erster reagierte<br />
Alfred Uhl (1909-1992) auf Scheits Ansinnen,<br />
er schrieb seit 1930 an einer Sonate<br />
(für Segovia), die Uraufführung erfolgte<br />
jedoch durch Karl Scheit 1937 (sie erschien<br />
aber erst 1969 im Schott-Verlag).<br />
Mit Uhls Zehn Stücke startete Scheit wie<br />
erwähnt seine überaus erfolgreiche Serie<br />
von Gitarrenausgaben im Wiener Verlag<br />
Universal-Edition, eigentlich einem<br />
Spezialverlag für Neue Musik! „Die Stücke<br />
von Uhl hat man also gedruckt, und<br />
man hat geglaubt, sie würden nicht gehen.<br />
Ich habe da etwas ganz anderes gemacht,<br />
ich bin von Geschäft zu Geschäft<br />
gegangen und habe Uhl verlangt und<br />
gekauft. So geht es, es geht wirklich. Die<br />
Stücke von Uhl sind ein Schlager geworden.“<br />
32<br />
Nach Uhl folgten zahlreiche – überwiegend<br />
österreichische – Komponisten<br />
der Bitte von Karl Scheit, unter ihnen Johann<br />
Nepomuk David, Franz Burkhart<br />
oder Hans Erich Apostel. Zahlreiche dieser<br />
Komponisten schrieben in neoklassizistischer<br />
Art in der Nachfolge von Paul<br />
Hindemith, nur wenige – z. B. Apostel –<br />
folgten der Manier der zweiten Wiener<br />
Schule, wo die Gitarre u.a. von Schönberg,<br />
Berg und Webern im kammermusikalischen<br />
Umfeld Verwendung gefunden<br />
hatte.<br />
Scheit besorgte bei UE später aber auch<br />
die Edition weiterer wichtiger Gitarrenwerke,<br />
die nicht von ihm selbst angeregt<br />
worden waren, z. B. die Quatre Pièces<br />
Breves von Frank Martin oder die Five<br />
Impromptus von Richard Rodney Bennett.<br />
Auch die Avantgarde der Zeit war<br />
u. a. mit Werken von Axel Borup-Jörgensen,<br />
Roman Haubenstock-Ramati oder<br />
Cristobál Halffter vertreten. Der Katalog<br />
der Scheit-Ausgaben „erreichte im Jahre<br />
1979 111 Titel, im Jahre 1992 bereits 160<br />
Titel.“ 33<br />
Die Nachkriegszeit<br />
2 Jahren in Uniform<br />
war die Rückkehr in den<br />
„Nach<br />
Beruf nicht leicht. Scheit<br />
baute eine neue Gitarrenklasse an der<br />
Wiener Musikakademie auf, wo er 1952<br />
zum Professor ernannt wurde.<br />
Anfang der fünfziger Jahre begann auch<br />
der planmäßige Ausbau der U.E.-Reihe,<br />
die 1957 noch durch die nun bei Doblinger<br />
erscheinenden Kammermusikausgaben<br />
ergänzt wurde.“ 34 Die Reihe wuchs<br />
auf etwa 150 Ausgaben, Originalwerke<br />
und Bearbeitungen mit ausgesetzten<br />
Generalbässen. Letztere wurden zum<br />
Teil auch von Kollegen wie Erwin Schaller<br />
oder Robert Brojer gestaltet.<br />
„Nach 1946 wurde das >Lehrwerk für<br />
die Gitarre ein richtiger Verkaufsschlager<br />
und war wesentlich am Höhenflug der<br />
Gitarre in der zweiten Jahrhunderthälfte<br />
beteiligt. [...] Schaller und Scheit haben<br />
es jedoch versäumt, ihre Lehrhefte, die<br />
sie selber zu Standardwerken erhoben,<br />
im Laufe der Zeit mit kritischem Sachverstand<br />
praxisorientiert zu überprüfen.<br />
Denn die eingefügte Spielliteratur, vor<br />
allem die Auswahl der Lieder aus den<br />
1930er Jahren, passte<br />
einfach nicht mehr in die 1950er und<br />
1960er Jahre mit ihren soziologischen<br />
Umwälzungen. [...] Bis 1997 druckte der<br />
Verlag 27 Auflagen mit einer Gesamtstückzahl,<br />
die in die Hunderttausende<br />
ging.“ 35<br />
Die Situation in den 1950er und<br />
1960er Jahren<br />
Etwa ab Mitte der 1950 Jahre wurden<br />
in Deutschland erste öffentliche<br />
Musikschulen gegründet,<br />
zahlreiche von ihnen sind ab Mitte der<br />
1960er Jahre als Jugendmusikschulen in<br />
kommunaler Trägerschaft eingerichtet<br />
bzw. fortgeführt worden. Interessanterweise<br />
gab es gelegentlich auch Versuche,<br />
Jugendkunstschulen zu etablieren,<br />
was sich aber letztlich nicht durchsetzten<br />
sollte. Die öffentlichen (wie auch private)<br />
Musikschulen benötigten – stark<br />
befördert durch die Rock&Roll- und Beatmusik<br />
der Fünfziger und Sechziger<br />
Jahre – eine große Anzahl von Gitarrenlehrern.<br />
Zu Beginn wurde häufig auch<br />
auf weniger qualifizierte Lehrkräfte – z. B.<br />
die berüchtigte gitarrespielende Hausfrau<br />
– zurückgegriffen, bis allmählich<br />
die Hochschulen und Konservatorien<br />
auch ein Gitarrenstudium ermöglichten<br />
und so nach und nach ausgebildete Gitarrist*innen<br />
an die Schulen kamen.<br />
Die Bedingungen eines Gitarrenstudiums<br />
ab den 1950er Jahren bzw. auch<br />
nur eines qualifizierten Unterrichtes<br />
32 ebda., S. 9<br />
33 Partsch, S. 37<br />
34 Koch, S. 82<br />
35 Libbert, S. 139<br />
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